Chnokfir
Verbale Interaktion chnokfir mit Parfum
vor 6 Jahren - 02.04.2018
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Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 12

Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 12

Verzweifelte Suche nach dem Duft

Ostern. Für viele Menschen mittlerweile ein Fest mit mannigfaltigen Bedeutungen. Von der eigentlichen christlichen Bedeutung mit Wiederauferstehung und Vergebung bleibt da nicht mehr so sonderlich viel übrig. Mittlerweile eher ein Fest, wo sich die Familien nach dem langen, kalten Winter mal wieder treffen, zusammensitzen, bei mehr oder minder gutem, gemütlichen Wetter auch mal durch die Parks mit den ersten Frühlingsblumen spazieren. Zunehmen ist es aber auch ein Fest des Schenkens und Beschenktwerdens. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich in dieser Stelle nicht weniger über ein kleines Duft-Präsent freue, als beispielsweise mein dreijähriger Neffe über sein Wimmelbuch und den Kipplaster.

Nun ist es ja mittlerweile so, dass die neue Freundin meines Schwiegervaters als selbst titulierte Douglette gewissermassen an der Quelle sitzt und uns bei allen möglichen Treffen immer eine kleine Aufmerksamkeit angedeihen lässt. Während sie mich ob meiner Duftleidenschaft und der Neigung zu Nischendüften als relativ "schwierig" bezeichnet, ist meine Frau als "pflegeleicht" verrufen. Kunststück, weil SIE nicht im Traum daran denken würde, der Schenkenden ins Gesicht zu sagen, die Farbe eines Lippenstifts wäre zu grell oder eine Body-Lotion wäre klebrig - nur so als Beispiel. Auch bei den bislang erhaltenen Düften fiel es IHR sehr schwer mitzuteilen, etwas wäre zu schwer, zu blumig, zu penetrant, zu damenhaft. Was den negativen Effekt hat, dass ich regelmässig gefragt werde, womit man mir eine kleine Freude bereiten könne, SIE wird einfach so beschenkt.

Ostern vor zwei Jahren war da ein Schlüsselerlebnis. Die lieben Kleinen liefen bei Tante und Oma durchs Haus und suchten ihre Nester, wir Erwachsenen amüsierten uns beim Oster-Brunch, ihnen dabei zu zu sehen. Irgendwann bekamen meine Frau und ich dann auch jeder unser kleines Osternest, SIE ein relativ süsses "Chloé Fleur de Parfum", ich mein gewünschtes "Un Jardin sur le Nil". Die Freude war gross, wir trugen die Düfte gleich mal zum Testen auf. Ich gefiel mir, SIE gefiel sich. Ich riet IHR, ihren Duft fürs Büro auf jeden Fall sparsam aufzutragen. SIE nahm bei mir auch eine Nase und äusserte dann etwas, was SIE an sich relativ selten macht, und gerade das hätte mich stutzig machen sollen: SIE meinte, dass dies ein ganz toller Duft wäre und schnüffelte im Laufe des Tages noch relativ häufig an mir. Und das macht SIE an und für sich sehr selten.

Wieder daheim in Bayern wird ausgepackt und die Düfte verstaut. Sie stellt IHREN Duft zu den anderen Düften ins Bad und entsorgt den Karton in der Kisten mit dem Altpapier. Ich hingegen stelle "Un Jardin sur le Nil" in mein Regal für die Business-Rotation, der Karton kommt in den Schrank. Ich werfe aus Prinzip niemals einen Parfum-Karton weg.

Ein paar Tage später, kurz vor fünf Uhr früh, der Blog-Schreiber steht frisch geduscht und rasiert mit noch leicht tropfnassen Haarspitzen vor seinem Duft-Regal und hat im Halbwachzustand die Idee, "Un Jardin sur le Nil" erstmalig ins Büro auszuführen. Doch weil die Augenlider noch auf Halbmast sind und die Geduld für grössere Suchaktionen noch nicht gegeben ist, wird spontan ein anderer Duft auserkoren. Was aber leider auch dazu führt, dass für diesen anderen Duft ein anderes Hemd, anderer Schlips, andere Socken, andere Budapester und letztlich auch andere, farblich zu Schlips und Socken passende Olaf-Benz-Retro-Shorts ausgewählt werden müssen. Aber was macht man nicht alles, nur um IHR zu ersparen, von meinem genervten und von lauthalsem Geschimpfe begleiteten Gesuche vorzeitig geweckt zu werden. Also drücke ich IHR einen zärtlichen Abschiedskuss auf die Wange und verlasse auf leisen Sohlen die Wohnung. SIE darf noch knapp eine Stunde länger ausschlafen.

Nach einem knapp zehn Stunde Buchhaltung bin ich irgendwann wieder daheim und stehe erneut vor meinem Duft-Regal. Ich erinnere mich an längst vergessen geglaubte Janosch-Lektüre und gebe mich die kommenden 30 Minuten meinem neuen Mantra hin: Ich suche nicht nach "Un Jardin sur le Nil", nein, ich finde "Un Jardin sur le Nil." Nach knappen 30 Minuten unterbreche ich meine Findung kurz, unter anderem, weil SIE mich mehrfach entnervt gefragt hat, was ich denn so vehement suche. Ich muss zugeben, dass ich leicht irritiert war. Denn in dem Regal klafft zwischen "Equipage" und "Eau de Mandarine Ambrée" eine Lücke, in die "Un Jardin sur le Nil" hineingepasst hätte und wo "Un Jardin sur le Nil" eigentlich hätte stehen sollen. Und im Schrank fand sich nur der leere Karton.

Ich werde mittlerweile älter, was SIE mir gerne einmal zu gegebenem oder auch weniger gegebenem Anlass bestätigt, und ich befinde mich auch regelmässig auf der verzweifelten Suche nach Schlüsselbund, Brille, Handy oder Handyladekabel, aber diese vergeben Findung bringt mich in meiner Verzweiflung und darauf folgender Gereiztheit auf ein ganz neues Level. Ich scheine dem Endgegner sehr nahe zu sein ...

Wie gesagt, meine Findung wurde kurz unterbrochen, ich suchte die Nasszelle auf und während ich als seit Jahren bekennender Sizzpinkler da so throne und sinniere, ob wir nicht demnächst einmal die apricotfarbenen Badetücher, die eigentlich schon lange nicht mehr flauschig sind, aussortieren könnten, nehme ich aus den Augenwinkeln eine runde Verschlusskappe wahr. Aus der hölzernen Box mit IHREN Düften lugt sie leicht hervor, nur wenig verdeckt durch ein paar Schminkpinsel, die in einem Becher davor stecken. Man kennt es von diesen 5000-Teilen-Mordillo-Knollnasen-Puzzlen: Man sucht tagelang nach diesem einen bestimmten Teil, sieht es nicht und auf einmal erkennt man es zielsicher in einem schier unüberschaubaren Haufen. So auch hier. Zumal so ein Hermes-Knöppke schon recht prägnant ist. Was zum Henker ...?

Also rufe ich aus dem Bad nach meiner Frau, in einer Stimme, die IHR signalisiert, dass ich mich in Ermangelung von ausreichenden Toilettenpapier-Ressourcen in höchster Not befände. Und als sich dann eine Minute später IHRE Hand hereinschlängelt und eine Rolle Klopapier blind in meine Richtung geschleudert wird, signalisiere ich IHR, dass SIE ruhig hereinkommen könne, es bestünde keine olfaktorische Gefahr. Statt dessen entspinnt sich ein kleiner Dialog:

- Was ist das? (Ich zeige auf "Un Jardin sur le Nil")

- Das ist ... ich kenn' den Namen nicht ... den hast du doch zu Ostern gekriegt.

- Und was macht denn der hier?

- Was meinst du?

- Ich habe den gesucht!

- Jetzt hast du ihn ja gefunden!

- Und was macht der hier?

- Mir gefällt der.

- Und was macht der dann hier?

- Dann muss ich den nicht immer suchen. Ausserdem hast du doch so viele andere Düfte...

Das weitere stimmungsgeladene Streitgespräch erspare ich an dieser Stelle, ebenso wie die Beschreibung unserer Versöhnungsrituale.

Ich habe zwei Dinge gelernt:

  • SIE hat Lunte gerochen, Freude an unterschiedlichen Düften gewonnen.
  • Wenn irgendetwas unauffindbar ist, suche auch mal bei IHR.

Denn SIE hat zwei Lebensweisheiten, die ich mittlerweile zu beherzigen gelernt habe:

  • Meins ist meins - deins ist unseres - unseres ist auch meins!
  • Happy wife - happy life!

Zwei Jahre ist es jetzt her, und ich habe daraus eine weitere Lehre gezogen: Abgrenzung. Auch wenn man in der Ehe aus Liebe vieles, sehr vieles gemeinsam macht, wenn man etwas für sich haben möchte, dann sollte es etwas sein, was sie partout nicht mag. Mango-Lassi zum Beispiel. Ich kann beim Inder bestellen was ich will, SIE probiert, findet es lecker und wenn ich viel Glück habe, dann kann ich vor dem Zahlen mit einem halben Naan die geleerte Schüssel ausputzen. Mango rührt SIE nicht an, als bestelle also immer Mango-Lassi, nicht natur, nicht Himbeer, nicht Zitrone.

Dieses Ostern bekam meine Frau eine ganze Ladung Rituals-Tuben und -Fläschchen geschenkt und als ich langsam mein Päckchen auspackte, reckte SIE natürlich neugierig wie ein Erdmännchen den Hals. Sie nimmt dann auch gleich eine Nase, als ich es mir aufs Handgelenk sprühe und die Schläfen betupfe ... nein, "Antaeus EAU DE TOILETTE " ist ganz bestimmt nichts für SIE.

To be continued ...

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