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Duftessas Blog
vor 15 Tagen - 01.05.2024
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7 Jahre Parfumo - eine ganz besondere Duftparty

Ihr Lieben,

einige von euch kennen und unterstützen meine Duft-Verschenke-Geschichten und wissen, wie viel
Freude es mir macht, Düfte mit anderen zu teilen. Insbesondere mit Menschen, denen es nicht ganz so gut geht wie vielen von uns mit unseren tollen Sammlungen. Immer wieder komme ich mit Obdachlosen/zeitungsverkäufern ins Gespräch und freue mich, wenn ich sie mit einem Duft erfreuen kann. Der Feiertag scheint mir also ein netter Grund für eine neue Duftaktion...

Zunächst wähle ich sieben handliche und leichte Verschenkeflakons.

Dann telefoniere ich mit dem Hamburger Straßenmagazins Hinz & Kunzt  - „wir freuen uns jederzeit auf Ihren Besuch, aber morgen ist wegen Feiertag geschlossen“. Kurzerhand verpacke ich die sieben Zwerge und versehe sie mit Kurzbeschreibungen. - Na gut, dann bringe ich sie zusammen mit meiner eigentlichen Spende eben schon heute in eure Geschäftsstelle.

Eigentlich soll es nur ein Blitzbesuch sein, aber dann kommt es anders:

Nach der Übergabe bietet mir der freundliche Mitarbeiter eine spontane Privatführung durchs ganze Haus an. U.a. erfahre ich, dass das Diakonische Werk sowie die Patriotische Gesellschaft Gesellschafter dieser gGmbH sind, dass es flexible, Wochen- sowie feste Verkaufsplätze gibt, dass inzwischen rund 500 Verkäufer/innen das Hamburger Straßenmagazin verkaufen und dass die meisten von ihnen zum Monatswechsel ihre Arbeitsmaterialien abholen. (Das Monatsmagazin mit einer Auflage von 50.000, dazu Sonderhefte, Kalender und diverse Produkte aus dem hauseigenen Warenshop,…)

- Professionelle Vermarktungstipps gibt es natürlich auch 😊

Mir war bisher nicht klar, wie vielseitig die Unterstützungsangebote für die Verkäufer sind.

Sie umfassen Sozialarbeit, Hilfe im Umgang mit Behörden, Einzugs- und Umzugshilfe, die Bereitstellung von Postadressen, die Möglichkeit zur sicheren Geldverwaltung, ein kostenloses Getränke- und Duschangebot, Erstberatung bei rechtlichen Fragen, Krankenhaus- und Gefängnisbesuche, etc… - bis hin zu Organisation von Bestattungen. (Im Aufenthaltsbereich befindet sich eine Fotowand, auf der verstorbene Verkäufer würdevoll verabschiedet werden.)

Auch interessant: Fast jeder zweite der rund 40 Mitarbeiter im Haus hat früher selbst auf der Straße gelebt bzw. verkauft. Das erklärt vielleicht ein Stück weit die sehr angenehme, fast schon familiäre Atmosphäre in den einladenden Aufenthaltsräumen mit Teeküche, schwarzem Brett & Co. ("Biete Personenwaage - macht bei mir keinen Sinn mehr" finde ich originell:-)

Neben diesen Aufenthaltsräumen gehören die Redaktion (4 feste, 10 freie MA) sowie Büros für Sozialarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Buchhaltung und Spendenmarketing zum Haus. Außerdem gibt es im Gebäude sechs Wohngemeinschaften mit insgesamt rund 30 Plätzen, das überrascht mich.

So. Ich danke für die spannende Begehung, verabschiede mich von allen und will gerade gehen…

- als mich plötzlich eine Schmerzattacke packt:  S O F O R T  stehen Stuhl, Wasserglas und mitfühlende Helfer parat. Hilfsbereitschaft in der Not - DAS können diese Menschen besonders gut, schießt mir durch den Kopf. Und so kommt es, dass ich doch noch auf einen starken Kaffee bleibe. Statt Kuchen gibt es rote Äpfel. Interessanter finde ich ohnehin die Schilderungen der Verkäufer über ihren Arbeitsalltag auf der Straße: immer mehr Kollegen, immer mehr Sprachen, immer mehr Kulturen...

(Nein, ich werde jetzt nicht die Gewinnmargen in Relation zu den ml-Preisen aus dem Souk setzten!)

Im Gegenzug möchten meine Tischgesellen jetzt wissen, wer ich bin und was es mit meinem Dufthobby auf sich hat. Sie hätten mitbekommen, dass es im Büro ein paar Geschenke gäbe, aber dort seien schon genug andere Interessenten und vielleicht könne man ja lieber direkt...

Die taffe B. fragt als erste nach einem blumigen Damenduft. - Ob sie irgendwelche Blumen besonders möge? - "Wie, 'besonders'? Alle Blumen riechen doch gut!" Und einen Männerduft hätte sie auch gerne, damit sie ihrem Sohn "auch mal ein Geschenk machen kann".  Sie strahlt zahnlos aber glücklich, als ich ihr zwei Flakons zusage.

Der wortkarge S. aus PL taut auf und beginnt, vom Opiumduft seiner Ex in den 1990er-Jahren zu schwärmen. Er selbst würde sich über einen „Egal-Was“-Herrenduft freuen, „Hauptsache nicht süß, wenn es nicht zu viel von Ihnen verlangt ist, geehrte Frau / Pani DuftessKa." (Wie nett, meinen polnischen Vornamen mal wieder mit dem Verniedlichungs-K zu hören.) Auch diesen Duftwunsch kann ich bestimmt erfüllen.

Der pragmatische M. hingegen findet „Duftsammlungen!?!“ komisch: „Kapier ich nicht. Ich kaufe doch auch nur so viele Zeitungen, wie ich weiterverkaufen kann.“ Er grinst. Die Restaurants würden heute und morgen gut besucht sein wegen Feiertag, er müsse jetzt los und hätte sowieso "keine Zeit für Düfte" (auch noch nie gehört - hier ist Hopfen und Malz verloren:-) Dann tingelt er mit seinen 60 frischgedruckten Zeitungen im Einkaufstrolley los.

Auch ich breche auf und freue mich: Ein spontanes Kaffeetrinken mit hilfsbereiten, herzlichen und humorvollen Fremden – eigentlich ein ziemlich netter Geburtstag, oder?

Dann suche ich mir eine nette Bank im Park, blinzel in die letzte April-Sonne und träume von 500 bunten Duftflakons - für jeden Straßenverkäufer einen.  Weil jeder Mensch zählt.

- Und jetzt?

Jetzt beginnt ein neuer Tag, ein neuer Monat, sogar ein ganz neues Parfumojahr.

Nach der ausgeuferten Duftparty muss ich mich wieder schonen, verbringe den Feiertag ganz allein und ruhig in meinem blühenden Fliedergarten. Sicherheitshalber habe ich trotzdem Blaubeersuppe bereitgestellt.

Denn man muss immer mit allem rechnen. Auch mit dem Guten.

Aktualisiert am 01.05.2024 - 00:42 Uhr
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