
In kleinen Schritten zum großen Glück – Duftessa kreiert ihren ersten Duft (in der MGO-Duftmanufaktur)
Liebe Duftfreunde,
vor einiger Zeit habe ich einen Geschenkgutschein eingelöst: Unter professioneller Anleitung von Herrn Staudt vom MGO-Duftanker durfte ich mein allererstes Parfüm kreieren!
Workshops, Termine, Preise etc. könnt ihr auf duftanker.de nachlesen.
- Hier mein persönlicher Erinnerungsbericht bzw. innerer Monolog:
14:00h. Zusammentreffen mit Georg. Begrüßung mit festem Handschlag, wachem Gesichtsausdruck und weißem Hemd. Ich mag den aufgeräumten Mann, bin gespannt.
Zu Kaffee & Co. gibt es einen Einführungsfilm über Grundlagen der Parfümherstellung, Duftrichtungen und dergleichen. Nicht nötig, aber nett zur Einstimmung.

Anschließend geht es an einen Tisch zum Arbeitsblatt und Stift. Auch Georg schnappt sich einen Schreibblock. „Welche Duftrichtung soll es sein, welche Duftnoten magst Du besonders, Duftessa?“
Aus Respekt vor dem kostspieligen Geschenk und weil ich Dinge im Leben gerne beherzt angehe oder gar nicht, bin ich vorbereitet und greife zu meinen Notizen: „Es soll keine Zwillingsschwester meiner sonst so geschätzten Habanita, Tabu und Feminité werden, auf keinen Fall gourmand, süß oder zu ledrig sein. Vielmehr soll es ein grüner Duft werden, präsent und feminin, leicht würzig, gerne etwas chypre-moosig.“
Mein Blick wandert durch den Raum: 3.000 Duftstoffe und Duftessas ausgeprägte Entscheidungsfreude - DAS wird ein Spaß!


„Ich möchte einen eigenständigen Duft kreieren, der Lebensfreude ausstahlt und glücklich macht. Einen Duft für augenzwinkernde Ladies mit groooßem Herz und weitem Blick, die Freigeist versprühen und unabhängig sind, charmant, aufgeschlossen und selbstbewusst durch‘s Leben gehen.“
Romy zwinkert, Audrey nickt und Coco applaudiert.
(Und meine echten Freundinnen lächeln erleichtert: Ach, unsere alte Duftessa ist wieder da, bescheiden und leidenschaftslos wie eh‘ und je :-)

„Auf jeden Fall sollen Maiglöckchen, Lindenblüten und Geißblatt erhalten sein, auch frisches Gras, Eichenmoos und Heu. Für den zitrischen Twist möchte ich Blutorange und Grapefruit statt quitschiger Zitrone und in der Basis fände ich Benzoe, Guajak- oder Hinokiholz und einen guten Tropfen sinnliche Animalik toll.“
Aufmerksamkeit und Stille. Nur Georgs Stift kritzelt eifrig auf dem Papier.
„Ich assoziiere den Duft mit einem Schwarm beschwingter Marienkäfer, die freudvoll durch die Lüfte schweben, durch sonnendurchflutete Felder, Wiesen und Wälder lustwandeln und anderen Menschen Glück und Freude schenken.

Mein Duft soll ‚1262 Ladybirds‘ heißen.“
Interessanterweise notiert Georg in seiner charaktervollen Handschrift „Lady Birth“. Hmmm, eigentlich viel origineller und gehaltvoller. Denke unweigerlich daran, den Flakon mit einer kleinen Botticelli-Perle zu verzieren, belasse es dann aber doch bei meiner eigenen Symbolik. Auch die Zahl bleibt. Sie steht für 1262 Tage einer besonderen Duftreise vielseitiger Freuden und Genüsse, Feinsinnigkeit und Geheimnisse. Jeder schöne Tag ein großes Geschenk, jede Herausforderung eine Chance zu wachsen.
Genug Gedankenbalett - jetzt an die praktische Arbeit!
Wir schlendern gemeinsam von Regal zu Regal, riechen an besonders vielversprechenden Gläschen, stellen die Duftkomposition zusammen.
Georg empfiehlt etwas Blumiges. – Oh ja, Freesie, sehr apart! - Und Magnolie erst! Ich liebe ihr prachtvolles Blütenkleid!

Beide Gläschen wandern auf meinen Arbeitstisch.
- Hier, Dein gewünschtes Heu! - Noch aromatischer als in meinen schönsten Kindheitserinnerungen - Wow, Grönlandmoosöl, wie spannend! Für coole Marienkäfer im Winterflug! Zwei weitere Duftstoffe gesellen sich dazu.
- Hmmm, wohlvertrautes Kampfer! Beamt mich zu meiner Großmutter, der Großkaiserin aller Ladybirds! - Sogar ein kleines bisschen Baldrian zur Erdung nach dem Marienkäferflug möchte ich wagen. Auch diese beiden Tiegel wandern an meinen Platz.
„Cashmeran bringt Tiefe und Komplexität“, erläutert Georg. Geradewegs stelle ich auch dieses schöne Versprechen zu meiner Ansammlung. Selbstverständlich darf auch ein ordentlicher Spritzer
Chypre Female nicht fehlen – „‘Duftessa‘ sagt eigentlich schon alles“ - nicht wahr? 😊
Und ein Hauch Zibet, für den zärtlichen Flügelschlag in lauwarmer Sommernacht… – „aber nur ganz leise, unter der Wahrnehmungsgrenze“ – Jawoll, Herr Duftmeister! Ich verkneife mir ein dreckiges Grinsen.
30 Bestandteile später sitze ich mit Arbeitsblatt, Feinwaage und Messbecher ausgestattet wieder an meinem Platz und ordne die ersten Gläschen und Deckel in Reih und Glied:


Im ersten Durchgang soll ich von jedem Duftstoff exakt 0,5g (= ca. 20 Pipettentropfen) abwiegen. Helle Aufregung macht sich breit. Tief durchatmen, konzentrieren. Duftessa Salome/a Curie geht ambitioniert ans Werk, als ginge es um den Duft-Nobel-Preis: 0,5g Aldehyd C-12, 0,5g Angelikawurzel, 0,25g Baldrian (da extrem intensiv!), 0,5g Benzoe, 0,5g Bergamotte,...

Nach dem Konzentrationskraftakt trinke ich in Georgs Märchengarteneinen Kräutertee zur Entspannung und knipse ein paar Blumenbilder für‘s Duftreisetagebuch. Dann teste ich mein Elixier auf Papierstreifen und Armbeuge, atme ein und lasse mich tiiief einatmen…
- Wow, eine gleißende Ladybirdexplosion!!!

Doch mir fehlt etwas Bodenhaftung. Ich dunkle die Mixtur mit Black Agar ab und würze sie mit krautig-herber Angelikawurzel nach. Vertraue dabei meiner Intuition und Improvisationsfreude sowie Georgs Erfahrung und Empathie.
Im nächsten Schritt gilt es, das Abwiegen mit Faktor 1,5 zu wiederholen, um auf rund 40ml Duftmischung zu kommen, die mit Alkohol im 50ml-Flakon aufgefüllt wird. Leider lässt mein Präzisionseifer während dieser monotonen Matheübung etwas nach und ich werde waghalsiger: Ein Extraspritzer frisches Gras hat noch keinem geschadet… ein Extraschuss fesselnde Animalik erst recht nicht, oder?
Georg bemerkt meine Konzentrationsschwäche und unterstützt mit Tipps und Tricks sowie seiner sanften Aufforderung, bis zum Ende eigenverantwortlich meinen eigenen Duft zu kreieren und abzurunden.
Nach dem finalen Durchgang hat sich mein Duft nochmals gewandelt: Die Mittagssonne blendet nicht mehr, das Gras ist nachgegrünt und die Marienkäfermädchen sind nachgereift: entdeckungsfreudige Ladybirds im besten Alter, 42 oder so:-)

Zum Schluss fixiert und stabilisiert Georg den Duft mit etwas Cumarin und Cyclamenaldehyd und das Werk ist – fast! – vollbracht.
- Doch dann: „Duftessa, komm‘ schon, noch einen allerletzten Tropfen Blutorange…“ flüstert mir ein Teufel ins Ohr. Als ich nach der Pipette greife und mir just in diesem Moment das Gläschen umkippt, deute ich es als Zeichen aufzuhören. (Gar nicht auszumalen, wenn meine Mixtur...)
Um exakt 18:25h bin ich fertig und ganz duftberauscht: „Ja, er ist’s! Duftessa lässt ihr grünes Band… Ladies flattern durch die Lüfte…“
Ein schwungvoller Tanz der Moleküle.
„So soll es sein, so kann es bleiben, so hab‘ ich es mir gewünscht.“
1262 Ladybirds. Fertig. Punkt.
Georg befüllt und versiegelt den schweren Flakon mit Donner! Hammer! Schlägen! Ermattet aber zufrieden nehme ich eine hochwertige, schwarze Schiebeschachtel mit Innenpolsterung an mich (und gestalte den Flakon zu Hause in aller Ruhe...)
50ml selbstgemachtes Glück:

Seit dem Workshop vor einigen Wochen ist der Duft nochmal weicher und runder geworden. Vielleicht sollte ich ihn einfach über die Osterfeiertage aufsprühen und schauen, ob er auch die Ladybird in mir zum Leben wiedererweckt... 😊
Jedenfalls ist mir sehr bewusst, dass der Flakon so einzigartig ist wie mein eigener Hautduft und die besondere Duftreise, die ihn überhaupt erst möglich gemacht hat.
Dafür sage ich sehr herzlich und höflich
DANKE
… und wünsche euch allen:

ich habe schon zwei Düfte bei / mit Georg erschaffen. Sie sind beide schön geworden, also sowohl subjektiv für mich, als auch im Sinne eines tragbaren Duftes.
Deine Schilderungen haben mir,sehr gefallen. 😊
Liebe Grüße,
SunShine ☀️
Indem du diesen wundervollen Artikel geschrieben hast, hast du uns auch bei der Herstellung deines magischen und persönlichen Dufts in diesem Workshop begleitet.
Jeder Schritt, jede einzelne Note, jeder Gedanke, ist perfekt geschrieben.
Der Duft scheint sehr schön zu sein, grün, moschusartig, leicht erdig: wie ein echter Chypre!
Vielen Dank für diese Reise ☺️!
Liest sich total spannend. Danke für diese Einblicke!
Weiß allerdings nicht, ob ich für sowas geeignet wäre. Latenter Perfektionismus mit fundiertem Dilettantentum ist vermutlich keine gute Basis einen tollen Duft zu kreieren. x-P
Ich sehe mich selbst schon, wie ich mehrmals am Tag vorbeigehe und rieche immer:) Und vor allem Angst habe, daß der Duft verblasst, verschwindet, und ich nie wieder mein Parfüm rieche😀
Viele Freude dabei wünsche ich Dir!❤️🐞
Mir gefällt deine Wortgewandtheit und die Bilder die du mit deinen Worten in meinem Kopf implizierst.
Danke für deine Mühen, dieses tolle Erlebnis mit uns zu teilen. Es hat mich sehr gefreut!
Marienkäfer mag ich auch sehr und die aus Schoki hat meine Ma mir früher immer mitgebracht. Lustigerweise habe ich heute Nacht davon geträumt das ich ein Parfum selber mache...
Dein Flakon sieht toll aus und ich wünsche dir ganz viele tolle Momente mit dem Duft und das er genau das mit dir macht, was du dir gewünscht hast! :-)
Mit Ladybird bist du für die kommende Jahreszeit bestens gerüstet ;-)
Den Duft würde ich ja zu gerne mal riechen :-)
Ich hatte einmal in Grasse einen eigenen Duft kreieren dürfen. Allerdings wurden wir da nur wenig angeleitet, es war ein etwas zielloses Mixen. Entsprechend nichtssagend waren die Resultate, eher in Richtung Lufterfrischer. Ich habe meine eigene Vorgehensweise durchgezogen und meine Kreation wurde von der Parfumeurin als „vachement bon“ gelobt.
(Nein, nein, nicht Wedekind)
Nach der fahlen, grauen Zeit von Winter und Krankheit.
Auferstehung von Natur und Seelen.
Unterstützende Musikempfehlung:
Beethoven, Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 („Pastorale“):
1. Satz, da scheint mir ein Frühlingserwachen hörbar.
Gut, die Intention ist eine andere.
(Der Empfänger entscheidet.)
Beste Grüße aus dem derzeit wetterverwöhnten München.
PM
Liebe Grüße und frohe Ostern!
Musste gleich mal das Jahr 1262 nachschlagen. Für Shogun-Serienfans (die 2024er-Neuverfilmung): Takatsukasa Kanetada erblickte das Licht der Welt, dann hat die sogenannte Agnesflut die niederländische Küste überspült – nimmt sich aber eher bescheiden aus angesichts deiner Flut an tollen Impressionen und Expressionen in Schrift und Bild.
Wie du Lebenslust, also -LUST schreibst, sagt schon alles aus!
Dass der gute Georg sich da etwas mit der Lautung und Schreibung vertan hat (-bird/birth), kann man nachvollziehen, denn oha, Ladybirds sind ja Marienkäfer! Es ist dir sehr anzurechnen, dass du zwischen den schokoladigen, den jeher heimischen und den invasiven asiatischen keinen Unterschied machst. 🙃
Ja, chices Hasenfest noch! 🐰
Ich wünsche dir auch ein frohes Osterfest! 🐇🌷
Jedenfalls ein toller Workshop, der bestimmt Spaß gemacht hat. Danke für's Mitnehmen 👍
Liebe Grüße und ein schönes Osterfest. 🐣🌷🐰
Und ich kann mir den Duft sehr gut an Dir vorstellen, Du flotter Käfer.
Frohe Ostern 🥚💐
Toller Blog, der vor Esprit sprudelt.