20.06.2015 - 18:05 Uhr

Landlord
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Landlord
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58
Berlin - voll in die Fresse
Okay, ich hab´ vier Winter in Berlin studiert, direkt nach der Wende. Im Osten gewohnt. Ohne Telefon. Ohne warmes Badewasser. Mit Kohle geheizt. Berlins Winterduft hat sich mir tief eingeprägt. Deshalb musste "Berlin im Winter" schon aus nostalgischen Gründen auf die Haut. Und wirklich Unglaubliches entwickelt sich in meinen Poren. Was für eine Story!
Es beginnt mit Benzin, die ersten zehn Minuten lang. Ich stehe an einem kaltfeuchten Wintertag an einer dieser achtspurigen Schneisen, die sich durch Berlin ziehen, und inhaliere tief. Wenige Minuten später steigt mir der Duft alter, nasser Lederschuhe in die Nase, Schuhe, die unendliche Streifzüge durch die Hauptstadt mitgemacht haben. Der Duft hält sich ein Stündchen, um dann sanft zu dem Duft zu mutieren, der den Berliner Winter immer für mich ausgemacht hat: dunkler, beißender Rauch hunderttausender Schornsteine, die mit Kohleöfen befeuert werden, rußig und fett. Das Ganze mit einer unglaublichen Sillage (100%) und irren Haltbarkeit (100%).
Sechs Stunden nach dem Aufsprühen gehen wir ins Bett. Ich muss die Armfessel mit einer Mullbinde umwickeln, um zu verhindern, dass die Landlady ihre Drohung wahrmacht, auf dem Sofa zu übernachten. Aber ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Nach neun Stunden Schlaf kommt mir unter dem Verband irgendwas wie geröstetes Süßholz entgegen, das an fassgelagerten Whiskey erinnert. Ausdünstungen einer durchzechten Nacht. Eine Dusche und ein Abwasch verhindern nicht, dass der süßliche Holzgeruch auch nach 24 Stunden noch wahrnehmbar ist... Wahnsinn!
Ich muss zugeben, dieser Geruch macht seinem Namen alle Ehre! Er erzählt tatsächlich die Geschichte eines kaltfeuchten Berliner Wintertages, der Himmel bleigrau und tief, der nachts im Rausch ertränkt wird. Sillage und Haltbarkeit sind weltmeisterlich. Nur, wann soll man das tragen? Und warum? Vielleicht um in der überfüllten Berliner U-Bahn nicht zerquetscht zu werden? Dieser Duft hält jedenfalls auf Abstand. Oder ist der für den rheinischen Karneval gedacht, wenn man sich als Berliner verkleiden will? Nur mit dem "bützen" wird´s dann definitiv nichts.
Ich mag es sehr, wenn Düfte Geschichten auf meiner Haut erzählen. Allerdings hätte ich diese lieber als Hörbuch genossen und war froh, als sie endlich vorbei war. Ich bin mir sehr sicher, dass Parfumeur Spyros Drosopoulos die bekannte Berlinhomage von Seeed rauf und runter gehört hat:
Dickes B
home an der Spree
im Sommer tust du gut
und im Winter tut´s weh.
Und er hat den Liedtext verdammt ernst genommen.
Fazit: "Berlin im Winter" ist ein faszinierender, provozierender Duft - der trotzdem nicht noch einmal in die Nähe meiner Haut kommt. So ist das manchmal. Too much is too much. Das ist im eigentlichen Sinn kein Parfum, das ist eine Waffe. 90% gibt´s trotzdem. Für hohe Parfümeurskunst.
Es beginnt mit Benzin, die ersten zehn Minuten lang. Ich stehe an einem kaltfeuchten Wintertag an einer dieser achtspurigen Schneisen, die sich durch Berlin ziehen, und inhaliere tief. Wenige Minuten später steigt mir der Duft alter, nasser Lederschuhe in die Nase, Schuhe, die unendliche Streifzüge durch die Hauptstadt mitgemacht haben. Der Duft hält sich ein Stündchen, um dann sanft zu dem Duft zu mutieren, der den Berliner Winter immer für mich ausgemacht hat: dunkler, beißender Rauch hunderttausender Schornsteine, die mit Kohleöfen befeuert werden, rußig und fett. Das Ganze mit einer unglaublichen Sillage (100%) und irren Haltbarkeit (100%).
Sechs Stunden nach dem Aufsprühen gehen wir ins Bett. Ich muss die Armfessel mit einer Mullbinde umwickeln, um zu verhindern, dass die Landlady ihre Drohung wahrmacht, auf dem Sofa zu übernachten. Aber ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Nach neun Stunden Schlaf kommt mir unter dem Verband irgendwas wie geröstetes Süßholz entgegen, das an fassgelagerten Whiskey erinnert. Ausdünstungen einer durchzechten Nacht. Eine Dusche und ein Abwasch verhindern nicht, dass der süßliche Holzgeruch auch nach 24 Stunden noch wahrnehmbar ist... Wahnsinn!
Ich muss zugeben, dieser Geruch macht seinem Namen alle Ehre! Er erzählt tatsächlich die Geschichte eines kaltfeuchten Berliner Wintertages, der Himmel bleigrau und tief, der nachts im Rausch ertränkt wird. Sillage und Haltbarkeit sind weltmeisterlich. Nur, wann soll man das tragen? Und warum? Vielleicht um in der überfüllten Berliner U-Bahn nicht zerquetscht zu werden? Dieser Duft hält jedenfalls auf Abstand. Oder ist der für den rheinischen Karneval gedacht, wenn man sich als Berliner verkleiden will? Nur mit dem "bützen" wird´s dann definitiv nichts.
Ich mag es sehr, wenn Düfte Geschichten auf meiner Haut erzählen. Allerdings hätte ich diese lieber als Hörbuch genossen und war froh, als sie endlich vorbei war. Ich bin mir sehr sicher, dass Parfumeur Spyros Drosopoulos die bekannte Berlinhomage von Seeed rauf und runter gehört hat:
Dickes B
home an der Spree
im Sommer tust du gut
und im Winter tut´s weh.
Und er hat den Liedtext verdammt ernst genommen.
Fazit: "Berlin im Winter" ist ein faszinierender, provozierender Duft - der trotzdem nicht noch einmal in die Nähe meiner Haut kommt. So ist das manchmal. Too much is too much. Das ist im eigentlichen Sinn kein Parfum, das ist eine Waffe. 90% gibt´s trotzdem. Für hohe Parfümeurskunst.
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