23.08.2015 - 13:22 Uhr
Meggi
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24
Periti autem…
…fulgebunt ut fulgor aethereus. (Doch die Wissenden werden strahlen wie von göttlichem Glanz.)
Das „Periti autem“ von Mendelssohn fiel mir wegen des Wortes „Fulgor“ bereits ein, nachdem ich Angellieses Kommentar gelesen hatte. Fulgor. Glanz. Oder auch Blitz. Welch‘ ein Unterschied!
Der Text des Stückes wird üblicherweise mit „Es strahlen hell die Gerechten, sie leuchten im Glanz des Herrn“ übersetzt. Freilich sind weder Musik noch Duft so. Gedanken an ein womöglich überhebliches Alles-Überstrahlen irgendwelcher Auserwählter oder gar des Herrn persönlich führen in die Irre; in beiden Fällen glänzt oder schimmert es in jener Art, von der der Weise oder halt Wissende (eine andere Übersetzung von „Periti“) leise und unaufdringlich umgeben sein mag, weil er um das Für und Wider weiß.
In seinem „Periti autem“ (https://www.youtube.com/watch?v=aNvuReZw0As) entfalten sich statt Geglänze oder Geblitze in typisch mendelssohn’scher Manier die Stimmen schlicht und berückend aus einem Kern heraus wie das Aufblühen einer Blume aus ihrer Knospe, bevor der Mittelteil des Stückes zur Hommage an den von ihm selbst für die Musikwelt wiederentdeckten Vorgänger im Amt des Leipziger Thomas-Kantors gerät: Johann Sebastian Bach.
Wer Mendelssohns (vermutliche) Vorstellungen vom Göttlichen kennenlernen will, höre aus seinem monumentalen Spätwerk „Elias“, einem der schönsten Oratorien überhaupt, das Stück „Der Herr ging vorüber“ und lese unbedingt den Text dazu (s. u.). Ich empfehle die Sawallisch-Aufnahme. Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=ZPSWuN5BZh0 - Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=Nqfeb0jWPkA, dort bei 36:19 min.
„Der Herr ging vorüber, und ein starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem Herrn her, aber der Herr war nicht im Sturmwind. Der Herr ging vorüber, und die Erde erbebte, und das Meer erbrauste, aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Und in dem Säuseln nahte sich der Herr.“
Na, wer hat es geschafft, danach einfach auszustellen? Keiner, möchte ich wetten. Ab 51:12 min. singt Peter Schreier übrigens einen ähnlichen Text wie der des „Periti“, obwohl er sich auf eine andere Bibelstelle bezieht: „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich.“ Und erneut ist das Leuchten sanft vertont. Im Anschluss erblüht mit „Aber einer erwacht von Mitternacht“ (55:16 min.) die nächste Stimmen-Blume, diesmal die prächtigst-vorstellbare. Gemeint ist Jesus.
Genau sechs CDs habe ich in meinem Leben jeweils wochenlang nicht aus dem CD-Spieler genommen. Besagte Elias-Aufnahme stellt allein zwei davon. So, nun ist gut.
Fulgor glänzt nicht, blitzt schon mal gar nicht. Er schimmert von einem warmen, gedimmten Licht. Tangerine? Aha. Eine Art Mandarine. Ich hätte (zumindest auch) auf Neroli getippt. Außerdem wirkt das Ganze eine Spur indolig, als sei Jasmin mit an Bord. Für den Gegenpart sorgt in gewohnt stinkiger, gleichwohl rund-unpieksig eingebundener Zuverlässigkeit das Blatt der Schwarzen Johannisbeere – überraschend diszipliniert hier. Einerseits eine süffige, orangig-üppige Frucht, andererseits jenes herbe, bittere Blatt. Das funktioniert super und es ist faszinierend, wie der obstigen Üppigkeit in liebevoller Strenge die Spitze gebrochen wird.
Lustigerweise riecht beides gemeinsam tatsächlich ähnlich wie Campari. Orangige Frucht und Bitteres nebeneinander, eine im Grunde rätselhafte Köstlichkeit. Indes hält sich Campari seit Mitte des vorvorigen Jahrhunderts wacker weltweit in den Bar-Beständen, da muss schließlich was dran sein. Zu allem Überfluss passt der Vergleich darüber hinaus optisch – ein fies-rotes Zeug, Obacht mit den Klamotten ist angebracht. Vielleicht haben die bei Campari betriebsbedingt gekündigten Cochenille-Schildläuse bei Calé Fragranze neue Beschäftigung gefunden.
Die Rolle des Johannisbeer-Blattes übernimmt im Verlauf zunehmend die Magnolie.
Einschub: Sie blüht! Meine Sommer-Magnolie blüht! Seit Jahren steht das Ding im Garten und neulich hatten wir endlich die erste Blüte. Und einige Tage später nochmal zwei. Und inzwischen sogar mehrere. Obendrein verströmen die Blüten freundlicherweise den charakteristischen, letztlich unbeschreiblichen Magnolien-Geruch. Ein bisschen wie Artischocken-Herzen aus der Dose. In gewisser Weise anziehend und abstoßend gleichermaßen.
Schon nach vier Stunden sind Weihrauch und Patchouli deutlich spürbar, wenngleich sie noch eine Weile von der floral-fruchtigen Fraktion überlagert werden. Nichts deutet zunächst darauf hin, dass sie einen Schwenk im Duft-Charakter einläuten. Ähnliches hat Palonera bereits beschrieben; bei mir geht die Sache allerdings behutsamer vor sich und der Duft vergisst seine Wurzeln dabei nie ganz.
Ab der fünften Stunde schiebt sich allmählich eine Melange von Gewürz in den Vordergrund. Eine Anmutung von diesem oder jenem aus der Curry-Ecke bilde ich mir gar ein. Gut möglich, dass Immortelle an meinem Eindruck beteiligt ist. Wie eine Essenz des Orientalischen, doch immer bleibt eine bittere Note im Hintergrund. Den Abschluss macht ab dem mittleren Nachmittag bis in den Abend hinein eine extravagante Mischung aus Weihrauch und Patchouli, dunkel und holzig, aber schön vercremt und völlig unkratzig. Ein Rest des Fruchtig-Floral-Würzigen ist geblieben, konzentriert, wie eingedickt kommt es mir vor. Die Essenz des Orientalischen eben.
Fazit: Sehr, sehr ordentlich. Gut vorstellbar, dass vor allem der vordere Teil des Duftes Freundinnen von L’Artisans „Séville à l'Aube“ gefällt.
Ich danke Angelliese für die Probe.
Das „Periti autem“ von Mendelssohn fiel mir wegen des Wortes „Fulgor“ bereits ein, nachdem ich Angellieses Kommentar gelesen hatte. Fulgor. Glanz. Oder auch Blitz. Welch‘ ein Unterschied!
Der Text des Stückes wird üblicherweise mit „Es strahlen hell die Gerechten, sie leuchten im Glanz des Herrn“ übersetzt. Freilich sind weder Musik noch Duft so. Gedanken an ein womöglich überhebliches Alles-Überstrahlen irgendwelcher Auserwählter oder gar des Herrn persönlich führen in die Irre; in beiden Fällen glänzt oder schimmert es in jener Art, von der der Weise oder halt Wissende (eine andere Übersetzung von „Periti“) leise und unaufdringlich umgeben sein mag, weil er um das Für und Wider weiß.
In seinem „Periti autem“ (https://www.youtube.com/watch?v=aNvuReZw0As) entfalten sich statt Geglänze oder Geblitze in typisch mendelssohn’scher Manier die Stimmen schlicht und berückend aus einem Kern heraus wie das Aufblühen einer Blume aus ihrer Knospe, bevor der Mittelteil des Stückes zur Hommage an den von ihm selbst für die Musikwelt wiederentdeckten Vorgänger im Amt des Leipziger Thomas-Kantors gerät: Johann Sebastian Bach.
Wer Mendelssohns (vermutliche) Vorstellungen vom Göttlichen kennenlernen will, höre aus seinem monumentalen Spätwerk „Elias“, einem der schönsten Oratorien überhaupt, das Stück „Der Herr ging vorüber“ und lese unbedingt den Text dazu (s. u.). Ich empfehle die Sawallisch-Aufnahme. Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=ZPSWuN5BZh0 - Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=Nqfeb0jWPkA, dort bei 36:19 min.
„Der Herr ging vorüber, und ein starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem Herrn her, aber der Herr war nicht im Sturmwind. Der Herr ging vorüber, und die Erde erbebte, und das Meer erbrauste, aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Und in dem Säuseln nahte sich der Herr.“
Na, wer hat es geschafft, danach einfach auszustellen? Keiner, möchte ich wetten. Ab 51:12 min. singt Peter Schreier übrigens einen ähnlichen Text wie der des „Periti“, obwohl er sich auf eine andere Bibelstelle bezieht: „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich.“ Und erneut ist das Leuchten sanft vertont. Im Anschluss erblüht mit „Aber einer erwacht von Mitternacht“ (55:16 min.) die nächste Stimmen-Blume, diesmal die prächtigst-vorstellbare. Gemeint ist Jesus.
Genau sechs CDs habe ich in meinem Leben jeweils wochenlang nicht aus dem CD-Spieler genommen. Besagte Elias-Aufnahme stellt allein zwei davon. So, nun ist gut.
Fulgor glänzt nicht, blitzt schon mal gar nicht. Er schimmert von einem warmen, gedimmten Licht. Tangerine? Aha. Eine Art Mandarine. Ich hätte (zumindest auch) auf Neroli getippt. Außerdem wirkt das Ganze eine Spur indolig, als sei Jasmin mit an Bord. Für den Gegenpart sorgt in gewohnt stinkiger, gleichwohl rund-unpieksig eingebundener Zuverlässigkeit das Blatt der Schwarzen Johannisbeere – überraschend diszipliniert hier. Einerseits eine süffige, orangig-üppige Frucht, andererseits jenes herbe, bittere Blatt. Das funktioniert super und es ist faszinierend, wie der obstigen Üppigkeit in liebevoller Strenge die Spitze gebrochen wird.
Lustigerweise riecht beides gemeinsam tatsächlich ähnlich wie Campari. Orangige Frucht und Bitteres nebeneinander, eine im Grunde rätselhafte Köstlichkeit. Indes hält sich Campari seit Mitte des vorvorigen Jahrhunderts wacker weltweit in den Bar-Beständen, da muss schließlich was dran sein. Zu allem Überfluss passt der Vergleich darüber hinaus optisch – ein fies-rotes Zeug, Obacht mit den Klamotten ist angebracht. Vielleicht haben die bei Campari betriebsbedingt gekündigten Cochenille-Schildläuse bei Calé Fragranze neue Beschäftigung gefunden.
Die Rolle des Johannisbeer-Blattes übernimmt im Verlauf zunehmend die Magnolie.
Einschub: Sie blüht! Meine Sommer-Magnolie blüht! Seit Jahren steht das Ding im Garten und neulich hatten wir endlich die erste Blüte. Und einige Tage später nochmal zwei. Und inzwischen sogar mehrere. Obendrein verströmen die Blüten freundlicherweise den charakteristischen, letztlich unbeschreiblichen Magnolien-Geruch. Ein bisschen wie Artischocken-Herzen aus der Dose. In gewisser Weise anziehend und abstoßend gleichermaßen.
Schon nach vier Stunden sind Weihrauch und Patchouli deutlich spürbar, wenngleich sie noch eine Weile von der floral-fruchtigen Fraktion überlagert werden. Nichts deutet zunächst darauf hin, dass sie einen Schwenk im Duft-Charakter einläuten. Ähnliches hat Palonera bereits beschrieben; bei mir geht die Sache allerdings behutsamer vor sich und der Duft vergisst seine Wurzeln dabei nie ganz.
Ab der fünften Stunde schiebt sich allmählich eine Melange von Gewürz in den Vordergrund. Eine Anmutung von diesem oder jenem aus der Curry-Ecke bilde ich mir gar ein. Gut möglich, dass Immortelle an meinem Eindruck beteiligt ist. Wie eine Essenz des Orientalischen, doch immer bleibt eine bittere Note im Hintergrund. Den Abschluss macht ab dem mittleren Nachmittag bis in den Abend hinein eine extravagante Mischung aus Weihrauch und Patchouli, dunkel und holzig, aber schön vercremt und völlig unkratzig. Ein Rest des Fruchtig-Floral-Würzigen ist geblieben, konzentriert, wie eingedickt kommt es mir vor. Die Essenz des Orientalischen eben.
Fazit: Sehr, sehr ordentlich. Gut vorstellbar, dass vor allem der vordere Teil des Duftes Freundinnen von L’Artisans „Séville à l'Aube“ gefällt.
Ich danke Angelliese für die Probe.
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