19.10.2015 - 15:42 Uhr
loewenherz
890 Rezensionen
loewenherz
Top Rezension
43
Der Nackenbeißer
Es geschieht nicht oft, dass ich 'einfach mal so' einen (zumal recht wenig bekannten) Damenduft ausprobiere. In diesem Fall war es der Flucht vor einem Regenschauer geschuldet - und einem außerordentlich formschönen Flakon, den ich - obwohl nicht wirklich prominent platziert - sofort bemerkte. Es sollte sich lohnen, denn Nuits Indiennes ist (weit über die schöne Flasche hinaus) ein kleines Duftjuwel.
Als 'Nackenbeißer' wird - im Allgemeinen zumindest latent pejorativ - ein Subgenre der Trivialliteratur bezeichnet. Ein typischer Titel könnte etwa 'Unbezähmbarer Korsar' lauten, und im Kern geht darin es zumeist um die mehr oder weniger dramatische Geschichte einer jungen Frau, die endlich und doch unerwartet die Leidenschaft entdeckt und die einzige, wahre, große Liebe findet. Über Sinn oder Unsinn der Bücher urteilen möchte ich nicht - gerade in Tagen wie diesen, in denen draußen alles so schrecklich kalt und braun zu sein scheint, tut etwas Eskapismus bisweilen gut. Dennoch zeigt das bezeichnete Genre in der Regel ein klar repetitives Muster: das junge Ding fällt erwähntem Korsaren auf einem seiner Raubzüge in die Hände und nennt ihn - mit den Fäusten gegen seine Brust trommelnd - aufheulend einen Schuft. Später - in einer winddurchtosten Gewitternacht etwa - gesteht er ihr, dass er nur die Ehre seiner einst angesehenen Familie wieder herstellen muss, weil er es seinem Großvater versprochen hat, und sie vergibt ihm seine Grobheit. Dramatisches geschieht, ihr Kleid zerreißt, sie wird in der Hitze seiner Arme endlich zur Frau. Kurzum: es passiert etwas in diesen Büchern, die - man vergebe mir dies kleine Vorurteil - doch eher von artigen Geschöpfen gelesen werden, weil es so viel spannender erscheint als das Katasteramt von Bielefeld. Die Bücher bzw. deren Cover sind oft aufwändig gestaltet - die Schrift ist golden und erhaben (manchmal ist sogar der Buchschnitt golden oder rot), und ein typisches Motiv ist eine ihre Leidenschaft kaum noch zu bezügeln fähige Frau, die von einem verwegenen Mann auf die entblößte Schulter oder den Hals geküsst wird, daher der Name 'Nackenbeißer'.
Nuits Indiennes beginnt mit der Andeutung von ganz viel Leidenschaft, beinahe möchte man den Hals zur Seite neigen und die Augen schließen in freudiger Erwartung dessen, was nun kommen mag. Schon seine Kopfnote ist duftig schön und zeugt von gediegener und ausgesuchter Sinnlichkeit, doch erblüht erst kurz danach sein pulsierend warmes Jasmin- und Rosenherz. Es scheint ein Versprechen in dieser Herznote zu liegen - wie ein anzügliches Flüstern - während er ihren Hals liebkost und ihr die Seide von der nackten Schulter reißt - ein Versprechen jedoch, das nicht eingelöst werden soll. Und gerade in diesem 'Nicht-Einlösen' liegt sein Charme: er verheißt viel, bietet viel an in den ersten zwanzig Minuten und endet doch sittsam und jenseits jeder Sünde - ohne zu enttäuschen. Die Blüten bleiben als nicht mehr als zarter Edelfirn über seiner vanillig dunklen Basis schweben und bedecken gleichsam artig, was sie eben noch enthüllten. So ist er gleichermaßen sinnlich wie betörend, von honigfarbener Reife und doch - im positiven Sinne - überaus konventionell.
Fazit: ein wahrhaft und ohne jede Ironie sehr schöner Duft voll Wärme, Sinnlichkeit, Geborgenheit. Vordergründig einen Moment lang wild und recht verwegen - und doch nicht zu verwegen für das Bielefelder Katasteramt.
Als 'Nackenbeißer' wird - im Allgemeinen zumindest latent pejorativ - ein Subgenre der Trivialliteratur bezeichnet. Ein typischer Titel könnte etwa 'Unbezähmbarer Korsar' lauten, und im Kern geht darin es zumeist um die mehr oder weniger dramatische Geschichte einer jungen Frau, die endlich und doch unerwartet die Leidenschaft entdeckt und die einzige, wahre, große Liebe findet. Über Sinn oder Unsinn der Bücher urteilen möchte ich nicht - gerade in Tagen wie diesen, in denen draußen alles so schrecklich kalt und braun zu sein scheint, tut etwas Eskapismus bisweilen gut. Dennoch zeigt das bezeichnete Genre in der Regel ein klar repetitives Muster: das junge Ding fällt erwähntem Korsaren auf einem seiner Raubzüge in die Hände und nennt ihn - mit den Fäusten gegen seine Brust trommelnd - aufheulend einen Schuft. Später - in einer winddurchtosten Gewitternacht etwa - gesteht er ihr, dass er nur die Ehre seiner einst angesehenen Familie wieder herstellen muss, weil er es seinem Großvater versprochen hat, und sie vergibt ihm seine Grobheit. Dramatisches geschieht, ihr Kleid zerreißt, sie wird in der Hitze seiner Arme endlich zur Frau. Kurzum: es passiert etwas in diesen Büchern, die - man vergebe mir dies kleine Vorurteil - doch eher von artigen Geschöpfen gelesen werden, weil es so viel spannender erscheint als das Katasteramt von Bielefeld. Die Bücher bzw. deren Cover sind oft aufwändig gestaltet - die Schrift ist golden und erhaben (manchmal ist sogar der Buchschnitt golden oder rot), und ein typisches Motiv ist eine ihre Leidenschaft kaum noch zu bezügeln fähige Frau, die von einem verwegenen Mann auf die entblößte Schulter oder den Hals geküsst wird, daher der Name 'Nackenbeißer'.
Nuits Indiennes beginnt mit der Andeutung von ganz viel Leidenschaft, beinahe möchte man den Hals zur Seite neigen und die Augen schließen in freudiger Erwartung dessen, was nun kommen mag. Schon seine Kopfnote ist duftig schön und zeugt von gediegener und ausgesuchter Sinnlichkeit, doch erblüht erst kurz danach sein pulsierend warmes Jasmin- und Rosenherz. Es scheint ein Versprechen in dieser Herznote zu liegen - wie ein anzügliches Flüstern - während er ihren Hals liebkost und ihr die Seide von der nackten Schulter reißt - ein Versprechen jedoch, das nicht eingelöst werden soll. Und gerade in diesem 'Nicht-Einlösen' liegt sein Charme: er verheißt viel, bietet viel an in den ersten zwanzig Minuten und endet doch sittsam und jenseits jeder Sünde - ohne zu enttäuschen. Die Blüten bleiben als nicht mehr als zarter Edelfirn über seiner vanillig dunklen Basis schweben und bedecken gleichsam artig, was sie eben noch enthüllten. So ist er gleichermaßen sinnlich wie betörend, von honigfarbener Reife und doch - im positiven Sinne - überaus konventionell.
Fazit: ein wahrhaft und ohne jede Ironie sehr schöner Duft voll Wärme, Sinnlichkeit, Geborgenheit. Vordergründig einen Moment lang wild und recht verwegen - und doch nicht zu verwegen für das Bielefelder Katasteramt.
11 Antworten