20.09.2016 - 06:56 Uhr
DasguteLeben
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DasguteLeben
Top Rezension
14
Das Ungeheuer aus der grünen Lagune
Es mag schockieren, aber ich bin bei aller Liebe zu klassischen und Vintage-Düften kein großer Fan des Harry Lehmann Portfolios. Nur weil etwas charmant aus der Zeit gefallen ist, muss es ja noch nicht automatisch gut sein. Und so sehr ich versucht bin in diesem alten Modell der "Drogisten-Parfümerie" eine liebenswerte Widerständigkeit gegen das Massen- und Pseudo-Nischen-Modell der Duftindustrie zu sehen, kann ich ihr ästhetisch wenig abgewinnen, trotzdem sie ein faszinierendes historisches Relikt ist. Es ist ein bisschen wie mit den Herrenschneidern, die es bis in die zwanziger Jahre zu Tausenden gab, bevor die von industrieller Konfektion verdrängt wurden. Sie machten aus günstigem Stoff und mit leidlichem Talent Maßanzüge für die untere Mittelschicht und die Arbeiterklasse (Sonntagsanzug!) - Savile Row war das kaum. Und wer sich im frühen 20. Jahrhundert keinen Duft von Poiret, Caron oder Guerlain leisten konnte, der ging eben immer noch zum Apotheker, der nach Rezepturen aus dem Rimmel oder anderen Kompendien die Standarddüfte zusammensetzte - bis günstige Massendüfte von 4711, Mouson und unzähligen vergessenen Marken diese Tradition verdrängten. Bei Lehmann aber findet man noch heute Standarddüfte wie diverse Herrencolognes ( eben Fougère, oder das orangige Boston, also quasi ein Eau du Portugal), Nachbauten von Klassikern wie Habanera (i.e. Habanita) und auch Eigenkompositionen, die aktuelleren Trends folgen (Oud oder Lehmanns Version von Geza Schöns Escentric Molecules 01, d.h. verdünntes Iso-E-Super).
Nun liebe ich die alten Düfte: klassische Fougères wie das von der Crown Perfumery, ein komplexes ledriges Chypre wie Knize Ten, die ganzen Klassiker von Trumper oder auch die auf alt getrimmten Düfte von Creed wie Baie de Genièvre, Royal English Leather oder Royal Scottish Lavender - letztere eher simple Rezepturen, aber aus den besten Materialien. Mein Problem mit den Lehmann Düften ist die eher bescheidene Qualität der Rohstoffe, der zu hohe bzw. schlecht eingebundene Synthetikanteil (das ist an sich nichts modernes, sondern die Grundlage der klassischen haute parfümerie seit den 1880er Jahren) und die im Endeffekt eher plumpe Natur der Rezepturen - wobei für die aufgerufenen Preise ehrlich gesagt auch nicht allzuviel erwartet werden kann. Für € 5- € 10 pro 100ml Cologne oder 10ml EdT/EdP sind echtes Sandelholz, Jasmin Sambac oder hochwertiges Rosenöl schlicht nicht drin. Wie beim "echten Oud" vom arabischen Basar gilt auch hier: you get what you pay for. Ich bezahle lieber mehr für ein genuines Luxusprodukt, als welches ich Parfüm betrachte. Damit meine ich nicht die Nischenparfüms, in deren auf edel getrimmten Flakons auch nur billigste Aromchemikalien stecken, sondern entweder Vintage-Düfte oder die Arbeiten von HandwerkerInnen, denen ihre Kunst ernst ist: Dominique Dubrana, Dawn Spencer Hurwitz, Antonio Gardoni oder auch Annette Neuffer, um nur einige zu nennen. Und hier und da gibt es ja auch noch im "Business" große Nasen, die mal mit anständigem Budget und Spitzenprodukten arbeiten dürfen. Was die Parfümeure für Roja aus Robertet-Materialien machen ist ja nicht von schlechten Eltern, aber für prekarisierte Akademiker auch klar außer Reichweite.
Jetzt also zu Fougère Cologne, einem lächerlich günstigen Produkt, das ich mir teurer wünschen würde. Mein erstes Problem ist nominell: das ist für die längste Zeit kein Fougère. Wo ist der Lavendel, wo das Coumarin? Auch zitrische Kopfnoten gibt es übrigens nicht, eigentlich nur Grün, ich vermute aus Galbanum, vielleicht Artemisia und Basilikum und einer brutalen synthetischen Note irgendwo zwischen Billigkiefernnadelbadeschaum und Badreiniger. Die verursacht mir Nasensengen und Kopfschmerzen. Eine massive Überdosis Aldehyde, scheint mir. In der Mitte tritt dann eine klassische seifige Note auf, ohne Süße, mit minimaler Floralität, dafür reichlich Austerität: aschig-staubig-grau, eine Wagenladung Moos, vielleicht Labdanum und ein Hauch seifige Gewürznelke. Dieser krautig-seifig-düstere Auftritt erinnert mich stark an Spät-Siebziger Chypres wie Léonard pour homme - ein Stil, der mir noch nie lag: humorlos, ohne Verspieltheit oder "feminine" Anteile, die für mich ein gutes Herrenparfüm ausmachen (z.B. Rose, Jasmin, Maiglöckchen, Ylang, Veilchen, die Süße von Vanille oder Tonka), aber auch frei von Würze oder Animalik. Ein grün-anthrazitfarbener Betonblock. Die Basis wird dann relativ klassisch-konventionell barbershoppy, aber auch wesentlich erträglicher: seifige Würze und auch etwas Holz und Coumarin - hier könnte man dann auch mal das Wort Fougère in den Mund nehmen - aber der Weg dorthin ist eine Tortur, auf die ich dankend verzichte, zumal ich das z.B. von Jacques Bogart wesentlich angenehmer serviert bekomme.
Fazit: letztlich streckt mir bei den Lehmann-Düften an irgend einem Punkt stets eine billig wirkende synthetische Note den Mittelfinger entgegen, die mich abwinken lässt - selbt das zitrisch-schöne Springfield (mit Fougère EdC der einzige Duft, den ich nach erneutem Testen des gesamten Sortiments erworben habe) kommt mit einer dürftigen Holzbasis daher, die leider keinem Vergleich mit der Vorlage - Monsieur Balmain - standhält. So bleibt Harry Lehmann für mich ein faszinierendes kulturelles Phänomen aus vergangener Zeit, dem mein Interesse gewiß ist - aber olfaktorischen Genuss finde ich anderswo.
Nun liebe ich die alten Düfte: klassische Fougères wie das von der Crown Perfumery, ein komplexes ledriges Chypre wie Knize Ten, die ganzen Klassiker von Trumper oder auch die auf alt getrimmten Düfte von Creed wie Baie de Genièvre, Royal English Leather oder Royal Scottish Lavender - letztere eher simple Rezepturen, aber aus den besten Materialien. Mein Problem mit den Lehmann Düften ist die eher bescheidene Qualität der Rohstoffe, der zu hohe bzw. schlecht eingebundene Synthetikanteil (das ist an sich nichts modernes, sondern die Grundlage der klassischen haute parfümerie seit den 1880er Jahren) und die im Endeffekt eher plumpe Natur der Rezepturen - wobei für die aufgerufenen Preise ehrlich gesagt auch nicht allzuviel erwartet werden kann. Für € 5- € 10 pro 100ml Cologne oder 10ml EdT/EdP sind echtes Sandelholz, Jasmin Sambac oder hochwertiges Rosenöl schlicht nicht drin. Wie beim "echten Oud" vom arabischen Basar gilt auch hier: you get what you pay for. Ich bezahle lieber mehr für ein genuines Luxusprodukt, als welches ich Parfüm betrachte. Damit meine ich nicht die Nischenparfüms, in deren auf edel getrimmten Flakons auch nur billigste Aromchemikalien stecken, sondern entweder Vintage-Düfte oder die Arbeiten von HandwerkerInnen, denen ihre Kunst ernst ist: Dominique Dubrana, Dawn Spencer Hurwitz, Antonio Gardoni oder auch Annette Neuffer, um nur einige zu nennen. Und hier und da gibt es ja auch noch im "Business" große Nasen, die mal mit anständigem Budget und Spitzenprodukten arbeiten dürfen. Was die Parfümeure für Roja aus Robertet-Materialien machen ist ja nicht von schlechten Eltern, aber für prekarisierte Akademiker auch klar außer Reichweite.
Jetzt also zu Fougère Cologne, einem lächerlich günstigen Produkt, das ich mir teurer wünschen würde. Mein erstes Problem ist nominell: das ist für die längste Zeit kein Fougère. Wo ist der Lavendel, wo das Coumarin? Auch zitrische Kopfnoten gibt es übrigens nicht, eigentlich nur Grün, ich vermute aus Galbanum, vielleicht Artemisia und Basilikum und einer brutalen synthetischen Note irgendwo zwischen Billigkiefernnadelbadeschaum und Badreiniger. Die verursacht mir Nasensengen und Kopfschmerzen. Eine massive Überdosis Aldehyde, scheint mir. In der Mitte tritt dann eine klassische seifige Note auf, ohne Süße, mit minimaler Floralität, dafür reichlich Austerität: aschig-staubig-grau, eine Wagenladung Moos, vielleicht Labdanum und ein Hauch seifige Gewürznelke. Dieser krautig-seifig-düstere Auftritt erinnert mich stark an Spät-Siebziger Chypres wie Léonard pour homme - ein Stil, der mir noch nie lag: humorlos, ohne Verspieltheit oder "feminine" Anteile, die für mich ein gutes Herrenparfüm ausmachen (z.B. Rose, Jasmin, Maiglöckchen, Ylang, Veilchen, die Süße von Vanille oder Tonka), aber auch frei von Würze oder Animalik. Ein grün-anthrazitfarbener Betonblock. Die Basis wird dann relativ klassisch-konventionell barbershoppy, aber auch wesentlich erträglicher: seifige Würze und auch etwas Holz und Coumarin - hier könnte man dann auch mal das Wort Fougère in den Mund nehmen - aber der Weg dorthin ist eine Tortur, auf die ich dankend verzichte, zumal ich das z.B. von Jacques Bogart wesentlich angenehmer serviert bekomme.
Fazit: letztlich streckt mir bei den Lehmann-Düften an irgend einem Punkt stets eine billig wirkende synthetische Note den Mittelfinger entgegen, die mich abwinken lässt - selbt das zitrisch-schöne Springfield (mit Fougère EdC der einzige Duft, den ich nach erneutem Testen des gesamten Sortiments erworben habe) kommt mit einer dürftigen Holzbasis daher, die leider keinem Vergleich mit der Vorlage - Monsieur Balmain - standhält. So bleibt Harry Lehmann für mich ein faszinierendes kulturelles Phänomen aus vergangener Zeit, dem mein Interesse gewiß ist - aber olfaktorischen Genuss finde ich anderswo.
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