29.04.2020 - 09:42 Uhr

FvSpee
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FvSpee
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21
Colonia statt Corona. No. 5: Lehmänner.
Das von anderen hier schriftstellerisch aktiven Parfumos ebenso wie von mir sehr geschätzte Berliner Dufthaus Lehmann weist nicht nur ein stattliches Angebot von Eau de Parfums mit typischer Lehmanniade (sehr stark in Haltbarkeit und Sillage, oft sehr linearer Duftverlauf, oft etwas kantig, dabei aber sehr schön und tragbar) auf. Die zweite Spezialität des Hauses sind leichte Colognes. Dazwischen gibt es eigentlich nichts.
Glücklicherweise habe ich das Grund-Cologne von Harry Lehmann bisher noch nicht kommentiert, sodass es seinen Platz in dieser Reihe finden kann. Lehmann geizt ja mit nachvollziehbaren Informationen zum Alter und zur Zusammensetzung seiner Düfte, das "Reine Kölnisch Wasser" mit seiner Ordnungsnummer "2" in der nicht immer logisch aufgebauten Nomenklatur der Firma dürfte aber noch aus ihrem Gründungsjahr 1926 stammen (oder jedenfalls nahe daran liegen), was gelegentliche Reformulierungen nicht ausschließt.
Wie begegnet uns dieses preiswerte (4 Euro je 100 ml, zuzüglich Flakon, wenn man nichts zum Abfüllen mitbringt, abzüglich der gegenwärtig gewährten Corona-Rabatte) Cologne? Blenden wir von den vier bisher getesteten Düften dieser Kommentar-Reihe das Colonia von Acqua di Parma als fast schon echtes Parfüm und das Cologne Classique von Alpa wegen der untypischen, recht süßen Basis vorübergehend aus und fokussieren uns auf die sehr flüchtigen ultra-klassischen deutschen Kölnischwässer. Dann können wir eine Linie ziehen vom sehr harten, ein wenig schrillen 4711 mit seinem extrem charakteristischen Bergamotte-Rosmarin-Neroli-Sound zum "Feinen Kölnischwasser" von Maravilla, das an dieses Muster anklingt, aber diesen Akkord zurücknimmt und zitroniger und damit auch heller und etwas harmloser daherkommt (was mir ja sehr gut gefällt).
Wenn wir diese Linie noch verlängern, erreichen wir das "Reine Kölnischwasser" von Harry Lehmann. Ich würde sagen, es ist garantiert 100% oma-akkord-frei und damit das optimale Gebrauchscologne für Personen, die mit 4711 unangenehme Erinnerungen verbinden. Keine Bergamotte, kein Rosmarin, dafür würde ich mich verbürgen wollen, und Neroli und Lavendel wenn überhaupt in homöopathischen Dosen. Stattdessen eine sehr schöne, streckenweise hyperrealistisch authentisch saftig gelbe Zitrone (etwas schärfer als in der Kopfnote des Parma-Colonias), die allenfalls von einem zarten Hauch milder, frischer, nicht allzu bitterer Orange umweht wird. Daneben meine ich recht deutlich frische Minzblättchen wahrzunehmen, die auf dieser kühlen, frischen hausgemachten Zitronenlimonade schwimmen. Es ist ein weiß-gelber Duft, fast kein Grün (außer etwas Minze), fast nichts Bitteres, sehr, sehr wenig Süße, fast reine fruchtige Zitrone. Die aber gar nicht unangenehm ist, man muss also keine beißende Säure oder Schärfe fürchten.
Wie bewerte ich diesen - nach wenigen Minuten, ähnlich wie 4711 und Maravilla, verflogenen - Duft? Ich hatte bei mehreren Tests Gedanken, die von 7,0 bis 8,5 reichten. Ich gebe schließlich 7,5, weil ich
a) schon vor 2 Jahren spontan 7,5 gab, als ich diesen Duft bei Lehmann im Laden testete;
b) zwar die unverwechselbaren Charakteristika der 4711-Frische vermisse, dies aber durch die eben auch fehlende Härte dieses Klassikers ausgeglichen wird;
c) das mit 8,0 bewertete Konkurrenzprodukt von Maravilla eben doch einen Tick schöner finde.
Nun möchte ich die Gelegenheit nutzen, um einige andere Lehmänner kurz vorzustellen, die in diese Reihe passen würden (sie nennen sich "Cologne", weisen eine zitrische oder andere Frische auf, sind eher flüchtig und nicht allzu komplex), die aber hier nicht mehr behandelt werden können, weil ich sie schon kommentiert habe.
5a) Harry Lehmanns Wasch-Eau-de-Cologne: Dieses hübsche Wässerchen ist ebenfalls sehr hellgelb-zitronig und weist anders als das heute besprochene Cologne (86% Alkohol) nur 50% Alkohol auf. Dies scheint ein Charakteristikum der als "Wasch-Cologne" bezeichneten Düfte zu sein, vielleicht damit die Haut nicht vom vielen Alkohol zu sehr austrocknet, wenn man sich wirklich mangels Seife und frischem Wasser mit so einem Cologne wäscht. Im Übrigen kommt mir der Duft sehr ähnlich wie der heute besprochene vor; noch ein bisschen weicher und fluffiger vielleicht. Ich könnte mir denken, dass es derselbe Duft mit mehr Wasser und weniger Alkohol ist: Mein alter Kommentar ist hier erreichbar: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/Wasch_Eau_de_Cologne
5b) Laguna: Ein hier auf Parfumo für meine Begriffe deutlich unterbewertetes, hochoriginelles Cologne, das ich unter Hunderten herausriechen würde. Es ist zweifellos zitrisch, hat aber eine außerordentlich witzige, von mir als mineralisch-seifig wahrgenommene Note, die ich sehr mag und fast genauso stimulierend und erfrischend finde wie den 4711-Akkord. Hier mein alter Kommentar: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/Laguna_Eau_de_Cologne
5c) Cologne New York: Für mich ein Ausnahme-Cologne, das ich im langjährigen Gebrauch immer mehr lieben gelernt habe und daher in der Bewertung soeben von 8,5 auf 9,0 gesetzt habe (ich mag es normalerweise nicht, Noten hier nachträglich zu verändern). Es ist sehr fein und zart, hält aber, (wenn man es gesprüht einsetzt) stundenlang durch. Und es hat bei aller zitrischen Leichtigkeit eine Komplexität und Reichhaltigkeit, die ganz bemerkenswert ist. Für mich ein absoluter Geheimtipp, sozusagen der "Springfield unter den Colognes" bei Lehmann. Hier mein sehr alter Kommentar, den ich vielleicht heute noch differenzierter und begeisterter schreiben würde: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/New_York
Die anderen Colognes von Lehmann habe ich bisher noch nicht kommentiert und werde dies vielleicht noch in dieser Reihe nachholen.
Was mache ich mit meinem 100-ml-Schüttflakon "Reines"? Dies ist ein schöner Duft, aber auch in einem warmen Frühling/Sommer kann man nicht 10 verschiedene leichte Zitrus-Colognes benutzen, und auch mein Schrank wird nicht größer. Da ich gelesen habe, dass eine 70-%-ige Ethanollösung als Hände-Desinfektionsmittel gegen Coronaviren absolut ausreichend sei, werde ich diesen "86-er" in meinen Akten-Rucksack packen und als mobiles Hygiene-Fläschchen nach dem Anpatschen von Einkaufswagen in Supermärkten benutzen. Damit will ich diesen Duft aber beileibe nicht abwerten. Ich werde dann jedenfalls immer erfrischt und wohlbeduftet vom Einkauf nachhause kommen.
P.S.: Für den Namen gibt es ebenfalls 7,5 Punkte. Feines Cologne, Reines Cologne, meine Güte, was kommt als Nächstes? Kleines Cologne?
Glücklicherweise habe ich das Grund-Cologne von Harry Lehmann bisher noch nicht kommentiert, sodass es seinen Platz in dieser Reihe finden kann. Lehmann geizt ja mit nachvollziehbaren Informationen zum Alter und zur Zusammensetzung seiner Düfte, das "Reine Kölnisch Wasser" mit seiner Ordnungsnummer "2" in der nicht immer logisch aufgebauten Nomenklatur der Firma dürfte aber noch aus ihrem Gründungsjahr 1926 stammen (oder jedenfalls nahe daran liegen), was gelegentliche Reformulierungen nicht ausschließt.
Wie begegnet uns dieses preiswerte (4 Euro je 100 ml, zuzüglich Flakon, wenn man nichts zum Abfüllen mitbringt, abzüglich der gegenwärtig gewährten Corona-Rabatte) Cologne? Blenden wir von den vier bisher getesteten Düften dieser Kommentar-Reihe das Colonia von Acqua di Parma als fast schon echtes Parfüm und das Cologne Classique von Alpa wegen der untypischen, recht süßen Basis vorübergehend aus und fokussieren uns auf die sehr flüchtigen ultra-klassischen deutschen Kölnischwässer. Dann können wir eine Linie ziehen vom sehr harten, ein wenig schrillen 4711 mit seinem extrem charakteristischen Bergamotte-Rosmarin-Neroli-Sound zum "Feinen Kölnischwasser" von Maravilla, das an dieses Muster anklingt, aber diesen Akkord zurücknimmt und zitroniger und damit auch heller und etwas harmloser daherkommt (was mir ja sehr gut gefällt).
Wenn wir diese Linie noch verlängern, erreichen wir das "Reine Kölnischwasser" von Harry Lehmann. Ich würde sagen, es ist garantiert 100% oma-akkord-frei und damit das optimale Gebrauchscologne für Personen, die mit 4711 unangenehme Erinnerungen verbinden. Keine Bergamotte, kein Rosmarin, dafür würde ich mich verbürgen wollen, und Neroli und Lavendel wenn überhaupt in homöopathischen Dosen. Stattdessen eine sehr schöne, streckenweise hyperrealistisch authentisch saftig gelbe Zitrone (etwas schärfer als in der Kopfnote des Parma-Colonias), die allenfalls von einem zarten Hauch milder, frischer, nicht allzu bitterer Orange umweht wird. Daneben meine ich recht deutlich frische Minzblättchen wahrzunehmen, die auf dieser kühlen, frischen hausgemachten Zitronenlimonade schwimmen. Es ist ein weiß-gelber Duft, fast kein Grün (außer etwas Minze), fast nichts Bitteres, sehr, sehr wenig Süße, fast reine fruchtige Zitrone. Die aber gar nicht unangenehm ist, man muss also keine beißende Säure oder Schärfe fürchten.
Wie bewerte ich diesen - nach wenigen Minuten, ähnlich wie 4711 und Maravilla, verflogenen - Duft? Ich hatte bei mehreren Tests Gedanken, die von 7,0 bis 8,5 reichten. Ich gebe schließlich 7,5, weil ich
a) schon vor 2 Jahren spontan 7,5 gab, als ich diesen Duft bei Lehmann im Laden testete;
b) zwar die unverwechselbaren Charakteristika der 4711-Frische vermisse, dies aber durch die eben auch fehlende Härte dieses Klassikers ausgeglichen wird;
c) das mit 8,0 bewertete Konkurrenzprodukt von Maravilla eben doch einen Tick schöner finde.
Nun möchte ich die Gelegenheit nutzen, um einige andere Lehmänner kurz vorzustellen, die in diese Reihe passen würden (sie nennen sich "Cologne", weisen eine zitrische oder andere Frische auf, sind eher flüchtig und nicht allzu komplex), die aber hier nicht mehr behandelt werden können, weil ich sie schon kommentiert habe.
5a) Harry Lehmanns Wasch-Eau-de-Cologne: Dieses hübsche Wässerchen ist ebenfalls sehr hellgelb-zitronig und weist anders als das heute besprochene Cologne (86% Alkohol) nur 50% Alkohol auf. Dies scheint ein Charakteristikum der als "Wasch-Cologne" bezeichneten Düfte zu sein, vielleicht damit die Haut nicht vom vielen Alkohol zu sehr austrocknet, wenn man sich wirklich mangels Seife und frischem Wasser mit so einem Cologne wäscht. Im Übrigen kommt mir der Duft sehr ähnlich wie der heute besprochene vor; noch ein bisschen weicher und fluffiger vielleicht. Ich könnte mir denken, dass es derselbe Duft mit mehr Wasser und weniger Alkohol ist: Mein alter Kommentar ist hier erreichbar: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/Wasch_Eau_de_Cologne
5b) Laguna: Ein hier auf Parfumo für meine Begriffe deutlich unterbewertetes, hochoriginelles Cologne, das ich unter Hunderten herausriechen würde. Es ist zweifellos zitrisch, hat aber eine außerordentlich witzige, von mir als mineralisch-seifig wahrgenommene Note, die ich sehr mag und fast genauso stimulierend und erfrischend finde wie den 4711-Akkord. Hier mein alter Kommentar: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/Laguna_Eau_de_Cologne
5c) Cologne New York: Für mich ein Ausnahme-Cologne, das ich im langjährigen Gebrauch immer mehr lieben gelernt habe und daher in der Bewertung soeben von 8,5 auf 9,0 gesetzt habe (ich mag es normalerweise nicht, Noten hier nachträglich zu verändern). Es ist sehr fein und zart, hält aber, (wenn man es gesprüht einsetzt) stundenlang durch. Und es hat bei aller zitrischen Leichtigkeit eine Komplexität und Reichhaltigkeit, die ganz bemerkenswert ist. Für mich ein absoluter Geheimtipp, sozusagen der "Springfield unter den Colognes" bei Lehmann. Hier mein sehr alter Kommentar, den ich vielleicht heute noch differenzierter und begeisterter schreiben würde: https://www.parfumo.de/Parfums/ParfumIndividual_Harry_Lehmann/New_York
Die anderen Colognes von Lehmann habe ich bisher noch nicht kommentiert und werde dies vielleicht noch in dieser Reihe nachholen.
Was mache ich mit meinem 100-ml-Schüttflakon "Reines"? Dies ist ein schöner Duft, aber auch in einem warmen Frühling/Sommer kann man nicht 10 verschiedene leichte Zitrus-Colognes benutzen, und auch mein Schrank wird nicht größer. Da ich gelesen habe, dass eine 70-%-ige Ethanollösung als Hände-Desinfektionsmittel gegen Coronaviren absolut ausreichend sei, werde ich diesen "86-er" in meinen Akten-Rucksack packen und als mobiles Hygiene-Fläschchen nach dem Anpatschen von Einkaufswagen in Supermärkten benutzen. Damit will ich diesen Duft aber beileibe nicht abwerten. Ich werde dann jedenfalls immer erfrischt und wohlbeduftet vom Einkauf nachhause kommen.
P.S.: Für den Namen gibt es ebenfalls 7,5 Punkte. Feines Cologne, Reines Cologne, meine Güte, was kommt als Nächstes? Kleines Cologne?
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