27.10.2023 - 13:03 Uhr
Mairuwa
23 Rezensionen
Mairuwa
Hilfreiche Rezension
6
Der Lagavulin unter den Memos
Dieser Auftakt ist ein starkes Stück! Mit einem sehr kräftigen Lederakkord hatte ich nach den vorab gelesenen Beschreibungen und Einordnungen gerechnet; überrascht und überwältigt war ich von der phantastischen, dunklen Rauchigkeit, mit der das Leder daherkommt, und die vermutlich dem Oud geschuldet ist. Das beschwört bei mir sofort Assoziationen herauf von Winterabenden am Kamin, im Ledersessel, bei einem Schluck rauchigem und torfigem Lagavulin Single Malt. Damit hat mich „Iberian Leather“ sofort auf seiner Seite. Das ist alles andere als gefällig, eher schroff und kantig, rau. Aber doch gleichzeitig von einer balancierten Raffinesse, da sich die verschiedenen Noten zu einem doch sehr ausgewogenen Ganzen verbinden, das nach dem fulminanten Auftakt mit der Zeit sanfter wird, ohne seine Markigkeit einzubüßen.
Nach kurzer Zeit gesellt sich eine etwas frischere Würzigkeit (Koriander) zu dem weiterhin dominanten Leder-Rauch Akkord; ganz kurz machen sich sogar ein par zitrische Anklänge bemerkbar. Dann wird die holzige Basis präsenter, in der die Atlaszeder eine tragende Rolle spielt. Der Duft wird nun weicher; die floralen Noten mögen hier stärker zum Tragen kommen, Iris verleiht eine gewisse Pudrigkeit. Davon aber, dass die Rose besonders prominent oder gar dominant in den Vordergrund treten würde, wie in einigen Rezensionen erwähnt, kann bei mir keine Rede sein. Eher erscheinen die verschiedenen Aspekte des Dufts im Verlauf unterschiedlich wahrnehmbar, bleiben dabei aber im Hintergrund und tragen oder unterstützen so im Wechsel und auf ihre jeweilige Weise den dominanten Lederakkord. Dieser bleibt dadurch lebendig und abwechslungsreich, so dass der Duft nicht zu monolithisch wirkt.
Zum Ausklang (das heißt, viel, viel später) wird der Duft dann doch zunehmend sanfter: Sandelholz, Moschus, ein Hauch Vanille. Als Kontrapunkt nur noch eine Spur kratziges Oud. Die Rauchigkeit ist kaum mehr zu spüren, das Leder ist geschmeidig weich geworden, bleibt noch lange als Ahnung haften.
Die Haltbarkeit ist wie nicht anders zu erwarten hervorragend, die Ausstrahlung zu Beginn überwältigend und danach noch lange sehr stark. Allgemein könnte man die Performance mit dem gleichen Understatement, mit dem Rolls-Royce die Stärke seiner Motoren angibt, als „in jeder Situation völlig ausreichend“ charakterisieren. Dafür ist der Wappenlöwe von León auf dem Flakon kein schlecht gewähltes Symboltier, auch wenn ich finde, dass die Aufmachung hier nicht zu den gelungensten in der allgemein sehr stilvollen Reihe gehört – aber das ist natürlich Geschmackssache und darf jeder anders sehen. In jedem Fall ist die Verpackung so hochwertig wie der Duft. Billig ist er daher wahrlich nicht, aber da man ihn ohnehin nicht überdosieren sollte, kommt man auch mit einer bescheidenen Menge recht weit.
Laut Herstellerangaben unisex, ist „Iberian Leather“ für mich ein sehr männlicher Duft. Aber das dürfen die Damen natürlich gerne anders sehen. Auf Lagavulin wurde ich auch von einer Frau aufmerksam gemacht, die sogar ihre Katze nach ihrem Lieblingswhisky benannt hat.
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