Wabi-sabi - die Schönheit des Vergänglichen und Unvollkommenen
Kürzlich habe ich Cierge de Lune als vollendet bezeichnet, aber „nur“ eine 9 gegeben. Hm. Wieso kriegt ein vollendeter Duft nicht die Traumnote 10? Weil perfekte Schönheit in meinen Augen langweilig ist. Wenn der Durchschnitt Hunderter von Porträtfotos berechnet wird, sieht das Resultat wunderschön aus – aber auch austauschbar, banal.
In Japan wird das Unvollkommene, Unvollendete, Vergängliche, vordergründig Schlichte oder ein Objekt mit Gebrauchsspuren weit mehr geschätzt als offenkundige, makellose Schönheit. Eine handgemachte, ungleichmässige Keramik (besonders wenn ein Sprung mit Goldlack repariert wurde – Kintsugi), ein bemoostes Strohdach, eine Holzskulptur mit Patina oder die flüchtige Schönheit der Kirschblüte verkörpern das ästhetische Prinzip des Wabi-sabi.
Zentrales Element von Wabi-sabi ist Zurückhaltung. Die Reduktion auf das Wesentliche, alles überflüssige weglassend, bis zur poetischen Essenz.
Ein Parfüm, was für meine Nase Wabi-sabi entspricht, ist Passage d'Enfer Extrême. Gerade mal fünf Noten ergeben eine schlichte, aber prägnante Harmonie, mit einem hohen Wiedererkennungswert.
Opulenz und Perfektion haben bestimmt ihren Reiz, aber die Reduktion auf das Wesentliche, eine herbe Schlichtheit ebenso.

Kaputt und wieder geleimt heißt, man mag das Teil und hat sich damit die Mühe gemacht, es wird bei mir also 10 kriegen.
Schönheit mit "Makeln" erzählt ja nicht nur viel mehr Geschichte(n), sondern fordert die rezipierende Person auch deutlich mehr. Alles glatte, "perfekte" rutscht einem dieser Tage ja komplett vorgekaut die Sinneskanäle hinunter, hinterlässt keine Spuren und wird sogleich in den Äther ausgeschieden. Da reibt sich Kunst und Handwerk Kante mehr, bzw. das Schlichte, reduzierte kann bewusster aufgenommen werden.
Liebe Grüße!
Ich gebe mich gerne der mangelnden Perfektion der Opulenz hin ;)