Vintages – (relativ) kurz und bündig
Um ehrlich zu sein, ich habe keine praktische Erfahrung mit Vintage Parfüms. Der älteste Duft, den ich habe, ist Féminité du Bois von 1992 (ja, im sinnlich geschwungenen Flacon). Und der Grund, weshalb ich ihn noch habe, ist leicht absurd: ich habe während mehrerer Jahre den Deckel nicht aufgekriegt.
Der Begriff Vintage ist in der Welt der Düfte nicht eindeutig definiert. Viele Sammler interessieren sich für Parfüms, die vor dem Millennium hergestellt worden sind, weil dann die EU Richtlinien strenger wurden, was zu einer Welle neuer Formulierungen führte.
Das ehrfürchtige Raunen, wenn jemand erzählt, dass sie einen Flacon Shalimar oder No. 5 aus den sechziger Jahren besitzt, hat mich neugierig gemacht. Wie riecht ein Vintage? Was genau macht den Reiz aus?
Es gibt gute Gründe, Vintage Parfüms zu sammeln:
- der Flacon (nicht wenige sammeln leere Flaschen! Besonders gesucht sind jene von Parfüms, welche umbenannt wurden – zum Beispiel hiess Yvresse anfangs Champagne, was die Champagner-Produzenten wenig überraschend nicht so amüsant fanden…)
- das Parfüm wird nicht mehr produziert
- der Duft wurde neu formuliert
Die Gründe für Neuformulierungen sind vielfältig: finanziell, weil Rohstoffe rar oder verboten sind (jemenitischer Weihrauch aufgrund des Bürgerkriegs, oder Moschus vom Moschustier wegen Tier- und Artenschutz), weil der Besitzer gewechselt hat, oder weil Duftstoffe verboten wurden (die Moleküle Atronol und Chloroatronol im Eichenmoos (oak moss) beispielsweise sind allergen und deswegen von der International Fragrance Association IFRA verboten, was Chanel No. 5 deutlich verändert hat; hingegen hat Guerlain eine Variante von Eichenmoos züchten und patentieren lassen, welche IFRA-konform ist, so dass Mitsouko weitgehend originalgetreu ist).
Neue Formulierungen müssen nicht unbedingt schlechter sein. Einige Kenner gestehen verschämt, dass ihnen die neuste Version von Addict, Rive Gauche, Habit Rouge oder Chanel No. 5 besser gefällt...
Wie ein Wein ändert sich auch ein Parfüm mit der Zeit, selbst bei optimaler Lagerung. Die Kopfnoten verflüchtigen sich, und direkt nach dem Auftragen sind manche Vintages etwas säuerlich oder stechend. Ausserdem verdunsten Alkohol und Öle (die Winzer nennen das charmant la part des anges (etwa „der Schluck der Engel“). Ein randvoller Vintage muss einen deswegen stutzig machen.
Gewisse Komponenten oxidieren leichter als andere, vor allem Citrus, Grasnoten, Lavendel und Aldehyde.
Parfüms mit Jasmin oder Orangenblüten werden recht schnell orange, und können mit den Jahren karamellfarben werden. Generell ist eine dunkle Farbe oder eine Trübung aber ein schlechtes Zeichen. Insbesondere wenn der Duft mit einem Roller oder durch Auftupfen aufgetragen wurde, wird er verunreinigt und verdirbt.
Licht, Hitze, Temperaturschwankungen, Sauerstoff und Verunreinigungen lassen einen Duft schnell altern oder sogar kippen. Optimal ist deswegen, wenn der Duft in einer lichtdichten Originalverpackung oder intransparenten Flasche kühl gelagert wurde, ungeöffnet oder in einer Sprühflasche ist (aber nicht mit den nostalgischen Zerstäubern mit Gummiball, daraus verdunstet sehr viel).
John Brodie hat knackig formuliert: “Science says you can’t age fragrances like wine, and no amount of money will reverse their natural decline. The best you can hope for is a beautiful fall; as they grow fainter over time, they will change in unpredictable ways.“ (Wissenschaftlich gesehen altern Düfte nicht wie Wein, und kein Geld dieser Welt wird deren natürlichen Zerfall umkehren. Das beste, was du erhoffen kannst, ist ein schöner Untergang; während Düfte schwächer werden, verändern sie sich in unvorhersehbarer Weise.)
David Apel, Parfümeur beim deutschen Chemieunternehmen Symrise, erklärt, dass die meisten Luxus-Parfüms sich 18-24 Monate aufbewahren lassen – länger in einer Sprühflasche, und Düfte mit synthetischen Komponenten länger als solche aus rein natürlichen Inhaltsstoffen. Parfüms mit dominanten, reichen Basisnoten wie Vanille, Holznoten, Amber altern am besten.
Vor dem zweiten Weltkrieg wurde Parfüm gewöhnlich als Extrait (höchste Konzentration) verkauft. Wenn es explizit als „Parfum“ bezeichnet ist, wurde es nach dem zweiten Weltkrieg produziert. Interessant ist auch, dass von den Fünfzigern bis zu den siebziger Jahren Eau de Cologne konzentrierter waren als das, was wir heute so bezeichnen. Auch Parfums de Toilette sind stärker als ein heutiges Eau de Toilette. Eau de Parfum gibt es erst seit den achtziger Jahren. Grundsätzlich waren die Konzentrationen früher weniger standardisiert.
Sammelt ihr Vintages? Welche guten oder auch schlechten Erfahrungen habt ihr gemacht?
Hilfreiche Links:
http://www.scentgourmand.com/guide-to-buying-vintage-perfume/
https://www.townandcountrymag.com/style/beauty-products/a19811346/vintage-aged-perfumes/
https://www.theguardian.com/money/2013/may/03/vintage-perfumes-hold-allure
https://www.bunchauctions.com/post/2017/12/28/collecting-vintage-perfume-and-classic-fragrances
https://www.fragrancex.com/blog/does-perfume-expire/
Für Chemie Nerds:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1467-2494.1987.tb00475.x
Enzyklopädie mit 80,000 Parfüms und 13,000 Fotos
https://www.perfumeintelligence.co.uk/library/
Ich bin derzeit persönlich ein wenig auf der Suche nach "alten Schätzen", wenngleich auch keine 60er oder 70er Jahre Vintage-Parfüms. Eher Parfüms, die ich aus meiner frühen Jugend kenne, die heute nicht mehr produziert werden. Habe heute ein Paket mit einem Lolita Lempicka Eau de Minuit aus 2009 erhalten und es riecht wirklich noch genau so, wie es damals gerochen hat. Hatte mich sehr darüber gefreut.
Bisher hat mich das Vintage-Sammelfieber nicht gepackt. Aber durch eine gute Zusammenstellung von reiferen Düften würde ich mich schon mal riechen wollen.
Ich liebe meine alten Schätzchen und trage sie gern und mit Leidenschaft.
Nicht alles, was Vintage ist, muss unmodern sein, im Gegenteil.
Das ist natürlich enttäuschend, wenn ein eben erst erschienener Duft säuerlich ist...
Ich hab z.B. noch eine ältere Version von Poison und auch mein geliebtes Fendi EDT, das es schon einige Zeit nicht mehr gibt, konnte ich noch hier im Souk erwischen. Beide duften noch einwandfrei und wunderbar. Außerdem hab ich im Laufe der Jahre hier schon etliche Pröbchen von Vintages bekommen, von denen die meisten noch in völlig in Ordnung waren.
Fleury: schau, ich bin diesbezüglich ganz transparent. Ich denke aber, dass ich einige interessante Informationen kompakt zusammengestellt habe. Tut mir leid, wenn der Artikel deinen Ansprüchen nicht genügt. Und ja, wäre super, wenn ein Vintage-Kenner aus dem Nähkästchen plaudern würde.
Ich besitze einen einzigen Vintageflakon (Tabac Blond) - und auch das war eher ein meiner Unwissenheit geschuldeter Zufall als eine bewusste Anschaffung.
Wobei ich gerne das Ur-Rush besäße, das mich 1999 so nachhaltig beeindruckt hat, dass es zum Duft meiner bewegten Jugend avancierte. Die aktuelle Version ist leider nur ein seichtes Wässerchen.
vernünftige Lagerung recht sinnvoll ;-)
Erinnere ich mich richtig?: Die Farben habe ich so schon ähnlich bei Dir gesehen, oder?
Gschpusi: Danke für die Komplimente :-)
Parfum ist wesentlich langlebiger, als meist vermutet. Wissenschaftlich gesehen, mag es nicht wie Wein altern - empirisch gerochen tut es nicht selten doch. Die fortschreitenden chemischen Reaktionen 'sättigen' manchen Duft - nicht immer zu seinem Nachteil.
DieLora: Boah, Chanel No 5 aus den 20ern? Krass.
Morpheus1: RL von 1973 ist auch cool.
Rebirth2014: Interessant, dass sich auch die zitrische Duftnote 20 J gehalten hat.
Fresh21: soso ;-) hoffentlich ist der Heiligenschein beim heftigen Nicken nicht verrutscht
Ich liebe und Vintagedüfte und nenne auch einige Schätze mein eigen. So zum Beispiel Chanel No 5 in Parfumversion aus den 20er Jahren. Dieses und nahezu alle anderen duften einwandfrei.
Ich sammel Vintages und alle sind gut, kein einziges gekippt. Trotz unbekannter Lagerung von den Vorbesitzern.
Fresh, du sprichst ja offenbar aus Erfahrung…
Serafina: Ich denke auch, dass FdB Eau Timide einwandfrei ist. Mein wenig geschultes Näschen bemerkt jedenfalls keine Änderung - aber das ist bei der Art von Duft auch nicht unbedingt zu erwarten.
Und ich habe sogar auch noch manches dazu gelernt... Ich wusste unter anderem nicht dass Jasmin und Orangenblüten Düfte mit der Zeit karamellfarben werden. Jetzt verstehe ich auch wieso mein "Love Don't Be Shy" eben genau diesen Prozess mal durchgemacht hat. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass der Duft intensiver wurde :)