MCPS
MCPSs Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 23.11.2020
95 89

Vintages – (relativ) kurz und bündig

Um ehrlich zu sein, ich habe keine praktische Erfahrung mit Vintage Parfüms. Der älteste Duft, den ich habe, ist Féminité du Bois von 1992 (ja, im sinnlich geschwungenen Flacon). Und der Grund, weshalb ich ihn noch habe, ist leicht absurd: ich habe während mehrerer Jahre den Deckel nicht aufgekriegt.

Der Begriff Vintage ist in der Welt der Düfte nicht eindeutig definiert. Viele Sammler interessieren sich für Parfüms, die vor dem Millennium hergestellt worden sind, weil dann die EU Richtlinien strenger wurden, was zu einer Welle neuer Formulierungen führte.

Das ehrfürchtige Raunen, wenn jemand erzählt, dass sie einen Flacon Shalimar oder No. 5 aus den sechziger Jahren besitzt, hat mich neugierig gemacht. Wie riecht ein Vintage? Was genau macht den Reiz aus?

Es gibt gute Gründe, Vintage Parfüms zu sammeln:

  • der Flacon (nicht wenige sammeln leere Flaschen! Besonders gesucht sind jene von Parfüms, welche umbenannt wurden – zum Beispiel hiess Yvresse anfangs Champagne, was die Champagner-Produzenten wenig überraschend nicht so amüsant fanden…)
  • das Parfüm wird nicht mehr produziert
  • der Duft wurde neu formuliert

Die Gründe für Neuformulierungen sind vielfältig: finanziell, weil Rohstoffe rar oder verboten sind (jemenitischer Weihrauch aufgrund des Bürgerkriegs, oder Moschus vom Moschustier wegen Tier- und Artenschutz), weil der Besitzer gewechselt hat, oder weil Duftstoffe verboten wurden (die Moleküle Atronol und Chloroatronol im Eichenmoos (oak moss) beispielsweise sind allergen und deswegen von der International Fragrance Association IFRA verboten, was Chanel No. 5 deutlich verändert hat; hingegen hat Guerlain eine Variante von Eichenmoos züchten und patentieren lassen, welche IFRA-konform ist, so dass Mitsouko weitgehend originalgetreu ist).

Neue Formulierungen müssen nicht unbedingt schlechter sein. Einige Kenner gestehen verschämt, dass ihnen die neuste Version von Addict, Rive Gauche, Habit Rouge oder Chanel No. 5 besser gefällt...

Wie ein Wein ändert sich auch ein Parfüm mit der Zeit, selbst bei optimaler Lagerung. Die Kopfnoten verflüchtigen sich, und direkt nach dem Auftragen sind manche Vintages etwas säuerlich oder stechend. Ausserdem verdunsten Alkohol und Öle (die Winzer nennen das charmant la part des anges (etwa „der Schluck der Engel“). Ein randvoller Vintage muss einen deswegen stutzig machen.

Gewisse Komponenten oxidieren leichter als andere, vor allem Citrus, Grasnoten, Lavendel und Aldehyde.

Parfüms mit Jasmin oder Orangenblüten werden recht schnell orange, und können mit den Jahren karamellfarben werden. Generell ist eine dunkle Farbe oder eine Trübung aber ein schlechtes Zeichen. Insbesondere wenn der Duft mit einem Roller oder durch Auftupfen aufgetragen wurde, wird er verunreinigt und verdirbt.

Licht, Hitze, Temperaturschwankungen, Sauerstoff und Verunreinigungen lassen einen Duft schnell altern oder sogar kippen. Optimal ist deswegen, wenn der Duft in einer lichtdichten Originalverpackung oder intransparenten Flasche kühl gelagert wurde, ungeöffnet oder in einer Sprühflasche ist (aber nicht mit den nostalgischen Zerstäubern mit Gummiball, daraus verdunstet sehr viel).

John Brodie hat knackig formuliert: “Science says you can’t age fragrances like wine, and no amount of money will reverse their natural decline. The best you can hope for is a beautiful fall; as they grow fainter over time, they will change in unpredictable ways.“ (Wissenschaftlich gesehen altern Düfte nicht wie Wein, und kein Geld dieser Welt wird deren natürlichen Zerfall umkehren. Das beste, was du erhoffen kannst, ist ein schöner Untergang; während Düfte schwächer werden, verändern sie sich in unvorhersehbarer Weise.)

David Apel, Parfümeur beim deutschen Chemieunternehmen Symrise, erklärt, dass die meisten Luxus-Parfüms sich 18-24 Monate aufbewahren lassen – länger in einer Sprühflasche, und Düfte mit synthetischen Komponenten länger als solche aus rein natürlichen Inhaltsstoffen. Parfüms mit dominanten, reichen Basisnoten wie Vanille, Holznoten, Amber altern am besten.

Vor dem zweiten Weltkrieg wurde Parfüm gewöhnlich als Extrait (höchste Konzentration) verkauft. Wenn es explizit als „Parfum“ bezeichnet ist, wurde es nach dem zweiten Weltkrieg produziert. Interessant ist auch, dass von den Fünfzigern bis zu den siebziger Jahren Eau de Cologne konzentrierter waren als das, was wir heute so bezeichnen. Auch Parfums de Toilette sind stärker als ein heutiges Eau de Toilette. Eau de Parfum gibt es erst seit den achtziger Jahren. Grundsätzlich waren die Konzentrationen früher weniger standardisiert.

Sammelt ihr Vintages? Welche guten oder auch schlechten Erfahrungen habt ihr gemacht?

Hilfreiche Links:

http://www.scentgourmand.com/guide-to-buying-vintage-perfume/

https://www.townandcountrymag.com/style/beauty-products/a19811346/vintage-aged-perfumes/

https://www.theguardian.com/money/2013/may/03/vintage-perfumes-hold-allure

https://www.bunchauctions.com/post/2017/12/28/collecting-vintage-perfume-and-classic-fragrances

https://www.fragrancex.com/blog/does-perfume-expire/

Für Chemie Nerds:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1467-2494.1987.tb00475.x

Enzyklopädie mit 80,000 Parfüms und 13,000 Fotos

https://www.perfumeintelligence.co.uk/library/



95 Antworten

Weitere Artikel von MCPS