Turbobean
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vor 2 Jahren - 27.10.2023
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Es geht auch anders.

Da ich soeben den Blog vom Kollegen @Nutmeg über die Abenteuer von Fufu dem Mietkamel gustierte, fiel mir ein, dass ich ja letzte Woche auch ein außergewöhnliches Erlebnis hatte.

In besagtem Blog wurde unter anderem beschrieben, dass die Parfumeriefachverkäuferinnen den Eingang zur Nischenabteilung bewachen „wie das Tor zur Hölle“. Diese Situationen kenne ich auch. Kaum nähert man sich den Schätzen, erscheint wie aus dem Nichts eine Dame, die wissen möchte, ob sie helfen könne. Dabei wird der Zugriff zu den Regalen geschickt versperrt, so dass man an ihr nur vorbei kommt, indem man für einen kurzen Moment die gute Kinderstube vergisst, einen Schritt nach rechts antäuscht, um der Blutgrätsche durch einen Sprung nach links zu entgehen. Und dann heißt es laufen, so schnell die Füße tragen, hin zu den Preziosen, so lange die Verteidigerin der Regale die Situation noch nicht wieder unter Kontrolle hat.

Aber es scheint ein Umdenken zu geben:
Los ging es mit der Feststellung, dass mein Erolfa zur Neige geht. Weniger als 20 ml befinden noch im Flakon und das macht mich irgendwie extrem nervös. Nicht grundsätzlich, aber bei Erolfa schon. Schließlich beabsichtige ich, demnächst in den Urlaub zu fahren und mich dann ausgiebig mit meinem Lieblingsduft zu umgeben.

Andererseits tut es mir weh, dafür um die 250 Euro zu bezahlen. Dann entdeckte ich die kleine Schachtel, die mir meine liebe Mama vor vielen Jahren als Geschenk in die Hand drückte. „Der Ring ist von Papa“ sagte sie damals.
Andenken meines lieben Vaters behandle ich mit großem Respekt. Andererseits musste ich mir eingestehen, dass ich diesen Ring niemals tragen würde. Also entschloss ich mich, mir von meinem Papa posthum einen Flakon Erolfa schenken zu lassen. Der Ring wog ca. 7 Gramm und bestand aus 585er Gold. Kurz nachgerechnet: Das müsste ungefähr hinkommen.

Also die Schuhe geschnürt und spontan ab zum Goldankäufer, der praktischerweise nur einen Katzensprung von der Parfumerie Kobberger entfernt lag. Beim Gold-Ankäufer nahm ich exakt 250,- Euro in Empfang und ab ging es in Richtung des Sehnsuchtsortes.

Dort angekommen staunte ich nicht schlecht, wie schön und kundenfreundlich der neue Laden eingerichtet war: Keine Verkaufstresen mehr, die vor den Regalen trutzten, sondern gut zugängliche Ansammlungen aller bekannten Marken, die in allerbester Zugriffshöhe bereit standen, getestet zu werden. Hinten links entdeckte ich das Creed-Regal und steuerte schnurstracks darauf zu.

Eine Verkäuferin hatte es sich auf einem Stühlchen bequem gemacht und machte keinerlei Anstalten, sich auf Grund meiner Anwesenheit zu erheben. „Sie wollen bestimmt erst probieren“ rief sie mir zu, und wir waren beide bass erstaunt. Ich, weil ich noch nie eine Parfumerie betreten hatte, ohne den Atem der Verkäuferin in meinem Genick zu spüren, die mir ihre Hilfe andient, und sie, weil ich nicht probieren, sondern kaufen wollte.

Es kam noch besser:
Ein junger Bursche betrat grußlos das Geschäft, ging schnurstrax auf das Creed Regal zu, besprühte sich mehrmals mit Aventus und verließ danach völlig unbehelligt wieder den Laden.

Ich hoffe erstens, dass diese Herangehensweise kein Zufall war, zweitens hoffe ich, dass sich das neue Konzept für den Betreiber auszahlt, und drittens wünsche ich mir, dass sich andere Betriebe daran ein Beispiel nehmen.

Allen ein schönes Wochenende wünscht
Turbo

36 Antworten
CatchmynoseCatchmynose vor 2 Jahren
Oh ja...Frankfurt besitzt meiner Ansicht nach die "unsympathischste Parfümerie" Deutschlands; inklusive Vuitton-artiger Eingangskontrolle und äußerst merkwürdigem Personal. Kein eigenes Sprühen erlaubt, keine Begutachtung der Verpackung erlaubt (bezügl. der Batchnummer), keine Fragen erlaubt, die einen Grundschüler überfordern würden.
Es ist schön, wenn es in FFM auch anders geht!
CryMeARiverCryMeARiver vor 2 Jahren
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Sehr lustig beschrieben, danke schön. Ich würde Dir eine Reise nach Wien raten, da kannst Du völlig ungeniert alles durchsprühen und in meiner Lieblingsparfumerie bekommst Du immer kostenlose Abfüllungen. Wien ist in dieser Hinsicht wirklich anders 😉
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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Die Österreicher haben einfach mehr Stil.
IndigoAlxIndigoAlx vor 2 Jahren
Hallo, klingt gut! Welche Parfümerie in Wien wäre das denn? Liebe Grüße
CardeaCardea vor 2 Jahren
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Bin ich eigentlich der einzige Mensch hier, dem beinahe Tränen in den Augen stehen bei dem Gedanken daran, dass hier ein Ring, welcher als Erinnerungsstück verschenkt wurde, gegen ein Verbrauchsgut wie Parfum getauscht wurde? 😳🥺
CardeaCardea vor 2 Jahren
Danke für deine Antwort und entschuldige, falls ich damit eine Rechtfertigung provoziert habe. Das war nicht meine Absicht.
Dass ich deine Beweggründe nicht kenne und nicht urteilen kann, war mir schon beim Schreiben bewusst. So haben manche Menschen auch schlimme Erfahrungen mit ihren Eltern gemacht und die Veräußerung von Erinnerungsstücken mag dann eher Befreiung sein. Es gibt wohl mehr als einen Grund, sich so zu entscheiden.
Irritiert hat mich dieser Kontrast zwischen Erinnerungsstück und lockerem Einkaufsbericht trotzdem. Und offenbar ist auch dir Symbolik nicht ganz unwichtig, wenn du an den Ehrenmedaillen hängst. Insofern sind wir uns dann in unserer Einstellung ja vielleicht doch näher als ursprünglich gedacht.
Viel Freude an deinem Duft.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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Hallo Cardea, tut mir leid, dass ich Dich mit meinem Blog so traurig mache. Manchen Menschen ist Symbolik wichtig, anderen nicht.
Ich denke, wenn man während Lebzeiten anständig miteinander umgegangen ist, ist Symbolik unnötig.
Wenn nicht, dann ist Symbolik unnütz.
Ich respektiere aber jeden, dem ein solches Andenken wichtig ist.
Meine wichtigsten Andenken sind übrigens die bronzenen, silbernen und goldenen Ehrenmedaillen, die meine Eltern für ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engament erhalten haben. Die sagen am besten aus, was sie für Menschen waren.
TivellonTivellon vor 2 Jahren
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Mit grosser Freude und 100% Zustimmung gelesen. Gut hat mir auch gefallen, dass du an das geschäftliche Wohlergehen des Inhabers gedacht hast. Sehr fair. (O:
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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Leben und leben lassen 😊 Danke Dir!
NuiWhakakoreNuiWhakakore vor 2 Jahren
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Schön, wenn es auch mal ohne Blutgrätsche am Zerberus vorbei geht ;-)
Solch unbedrängtes Testen gibt es zum Glück hier auch, zu viel ungewollte Nähe mag ich ja gar nicht...
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Aber man muss echt schnell sein ... 😄
MachicaMachica vor 2 Jahren
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Ich kenne das auch… Ich war mal in Bielefeld (ja das gibt es wirklich). In der Parfümerie dort durfte man nicht mal in die Zone, geschweige denn einen Flakon in die Hand nehmen. Da wurde man schon von weiten fast angeschrien „nichts anzufassen“. Als dann die Verkäuferin kam musste man nach jedem Duft, den man testen wollte fragen. Nur sie hat ihn dann auf den Teststreifen gesprüht. Das waren auch jetzt nicht exorbitant viele, die wir testen wollten. Als wir noch einen testen wollten, sagte sie dann „den noch und dann ist aber auch gut!!!!“
Ist ja klar, das ich in dem Laden nichts gekauft habe, obwohl ich gern den Einzelhandel unterstütze. Habe in anderen Ländern positivere Erfahrungen gemacht.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
🎹🎺🎸... und kurz vor Bielefeld haben wir Sekt bestellt ... "träller" 😄
ivkoivko vor 2 Jahren
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Die Frage ist doch: Welcher Bätsch? ;D
#AtemberaubendesFoto!
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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#Kollegeivkobestermann
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
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Oh wow, Parfumerie und Look deiner City 1a, ich zieh um 🤩
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
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Haha, ok ... aber nur mit Äppelwoi 😉
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
2
Dann bitte schon mal üben: "Es will mer net in de Kopp enei, wie kann en Mensch net aus Frankfort sei?" 😄 Danke Dir.
MadameLegrasMadameLegras vor 2 Jahren
1
Das wäre ja wunderbar, wenn man in dieser wirklich gut sortierten Parfümerie jetzt nach Herzenslust testen könnte! Danke für diese Info, hab ich sehr gerne gelesen.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Bin gespannt, ob das tatsächlich immer so ist. Lass doch nochmal hier von Dir hören, wenn Du da warst.
Essa1311Essa1311 vor 2 Jahren
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Spätestens bei der Blutgrätsche musste ich einmal laut auflachen :D
Danke dir für diesen wunderbaren Exkurs. Mir ist es am liebsten wenn ich den Atem der Damen in meinem Nacken zwar spüre, sie aber wirklich erst reagieren wenn ich sie anspreche.
In meiner Nähe falls ich Hilfe brauche aber ohne mir ein lästiges Gespräch ans Bein zu binden, dann kaufe ich auch gern stationär :)
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Das ist aber schon die ganz hohe Schule, die Du hier beschreibst 😊
GuerlinchenGuerlinchen vor 2 Jahren
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Ich hatte auch Spaß an der Geschichte :-).
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Nachschub. Den Flakon würde ich aber aufbewahren, wenn er leer ist - Andenken an Papa ;-).
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Jetzt genieße ich erstmal den vollen 😊 Danke Dir!
GreenGorillaGreenGorilla vor 2 Jahren
1
Gerne gelesen und wunderbare Bilder,
egal wo Du gekauft hast.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Firma dankt! Foto hat ein Kumpel gemacht.
PreciousPrecious vor 2 Jahren
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Interessanter Blog. Kobberger... Schön zu lesen, dass sie sich jetzt kundenfreundlicher umgestaltet haben. Ich war dort nie gerne.
Kompliment zum wunderschönen "Mainhattan"-Foto.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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Als ich einmal Beratung WOLLTE, waren die aber richtig gut damals. Danke Dir!
AmazonaAmazona vor 2 Jahren
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Interessant zu erfahren, ob die Parfümerie das Weihnachtsgeschäft 2023 länger überdauert.
Frage: Hättest Du gekauft, wenn der Nacken warm und schwer von der Kauffrau im Einzelhandel geworden wäre?
Ich unterstelle die primäre Kaufabsicht. Du hättest mit der nonchalanten Dame ein wenig handeln können und wärst mit den noch druckwarmen Scheinchen vielleicht hingekommen?
Ich frage daher, weil ich gestern in einer Fußgängerzone einer kleinen Stadt war. Ich sah die Veränderungen, Geschäfte, die seit vielen Jahren dort ansässig sind, schrieben von Geschäftsaufgabe. Ich kaufe gern im Geschäft, und kaufe immer etwas, wenn mich ein Mensch dort nett behandelt hat. Ich mag das Erlebnis und befürchte den Untergang des Einzelhandels über kurz oder kürzer. Und eine freundliche Frage, ob am Preis noch etwas zu machen ist, führt auch meistens zum Erfolg. Nicht in dieser Größenordnung, aber leben und leben lassen.
Ist keine Kritik an Dir, nur Gedanken zur Geschichte.
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Auch ich bin ein Freund des Einzelhandels und würde gerne dazu beitragen, Ladensterben zu verhindern. Aber lass mal schauen: Der Optiker wollte zu seinen Gunsten die Krankenkasse betrügen, der Italiener nimmt für ein und dasselbe Produkt das Doppelte wie außerhalb der Stadt, der Fischhändler mag mich nicht mehr, seit ich ihm seinen stinkerten Thunfisch zurück gebracht habe, der hippe Weinhändler hat keine Preisschilder an seinen völlig unbekannten Weinen, so dass man immer fragen muss, um dann belabert zu werden. Einzig der Blumenladen macht mir Freude. Die Betreiber sind 80 Jahre und helfen immer noch ihrem Sohn, der den Laden übernommen hat.
NininaNinina vor 2 Jahren
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Hab‘ ich sehr gerne gelesen und das Foto von der Skyline Frankfurt ist ein Traum 🤍
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
Kumpel von mir arbeitet in der EZB. Danke Dir.
GenovevaGenoveva vor 2 Jahren
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Musste sehr schmunzeln beim Lesen....
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
So wie ich beim Schreiben. Danke Dir.
PollitaPollita vor 2 Jahren
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Und der Erolfa? Hast Du den jetzt mitgenommen?
TurbobeanTurbobean vor 2 Jahren
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Voll den Finger in die Wunde, Polly 😂
270,- Euro wollten sie haben. Das war mir dann doch zu viel und ich habe für 204,- Euro bei easycosmetic bestellt. Der Flakon ist bereits eingetroffen und von bester Qualität. Danke Papa 😊

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