Turbobean
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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 5 Jahren - 29.09.2019
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Wenn einer eine Reise tut, dann findet er auch manchmal Oud.

Der geschätzte Forums-Kollege JoHannes hatte es mir prophezeit: "In Kuwait gibt es gute Düfte!", behauptete er. Ich antwortete: "Aber leider nicht um ein Uhr in der Früh." Mein Zwischenstopp im Nahen Osten fand nämlich zwischen ein und sechs Uhr morgens statt und meine Hoffnung, zu dieser Uhrzeit auf eine reiche Auswahl an Düften zu treffen, ging gegen Null. Ich sollte mich getäuscht haben. Aber dazu später.

Mein Hinflug mit einer arabischen Airline war zunächst von irritierenden Erlebnissen geprägt. Nie hatte ich so viele voll verschleierte Frauen gesehen. Ich respektiere diese muslimische Tradition, schaudere aber immer ein wenig, bei deren Anblick. Zumindest gibt es auch Burkas von Chanel, wie ich feststellen konnte, so dass die Damen auch etwas französischen Chic genießen.

Die Herren tragen ebenfalls lange Gewänder, allerdings in angenehmem Weiß. Und im Gegenteil zu den zurückhaltenden Damen, neigen sie auch eher zu Meinungsäußerungen. Während des Fluges flammte ein Streit zwischen zwei Männern auf, der zunächst mit Beschimpfungen begann, dann in beträchtliche Handgreiflichkeiten überging, und nachdem das Flugpersonal mit Unterstützung anderer Fluggäste die Streithähne trennen konnte, flogen Schuhe in vollem Karacho durch die Kabine, begleitet von wüsten Beschimpfungen (sogenannten Wüstenbeschimpfungen).

Neben mir und hinter mir saß eine sechsköpfige Familie. Kurz vor der Landung holte Mama einen großen Flakon aus den Tiefen ihrer Burka und reichte ihn unter ihren Lieben herum. Alle Familienmitglieder besprühten sich mit diesem Duft. Und ich fand das einfach nur klasse! Ein wunderschöner Oud-Duft durchzog die Kabine. Nicht schwer, sogar etwas frisch, mit hellem Holz. Ja, dachte ich mir, so etwas würde ich auch tragen. Ich war kurz davor, die Familie auf den Duft anzusprechen, traute mich aber nicht. Die Herrschaften machten auf mich nicht den Eindruck, als wären sie an einem Fachgespräch interessiert. Vielleicht hätte ich nur etwas mehr Mut haben müssen. Gewiss hätte man freundlich reagiert.

Dann packten weitere Anwesende ihre Flakons aus und als nächstes nahm ich einen Schoko-Vanille-Duft wahr, der auch etwas Frische zeigt. Danach kam noch ein recht moderner Oud-Duft zum Zuge. Jedenfalls scheint es in Fliegern aus dem arabischen Raum vor der Landung olfaktorisch hoch her zu gehen.

Zurück am Boden verzauberte mich dann zunächst ein anderer Duft: Bei einem gemeinsamen Essen mit thailändischen Freunden, wurde ich auf eine Pflanze aufmerksam, die einen sehr feinen Duft verströmte.

Zur Verwunderung meiner Tischnachbarn beschäftigte ich mich ausgiebig mit dem Gewächs im Blumentopf, zupfte eine Blüte ab, reichte sie herum, und alle Anwesenden stimmten mir zu, dass dies ein sehr schöner Duft sei. Bis plötzlich eine junge Dame einen Schrei ausstieß und einen Warnruf auf thailändisch verlauten ließ. Sofort waren alle Damen am Tisch in heller Aufregung und sorgten für weitest möglichen Abstand zwischen ihnen und der Pflanze. Die Reaktionen glichen denen des westlichen Pendants, wenn plötzlich eine Maus auf der Bildfläche erscheint: Es herrschte blanke Panik.

Grund für diesen Aufruhr war eine große Raupe, die sich genüsslich über die jungen Blüten her machte. Nicht für Geld und gute Worte war man bereit, sich der Pflanze wieder zu nähern und es musste der Tisch gewechselt werden. Ich weiß bis heute nicht, was an diesem possierlichen Tierchen so schrecklich sein soll. Meine Nachfrage ergab lediglich, dass man die "Augen" nicht sonderlich schätzte.

Als mein Aufenthalt in Thailand dem Ende zuging, hatte ich weder einen Oud-Duft entdeckt, noch konnten mich andere duftende Produkte (Salben, Cremes, Sprays, Gewürzmischungen, Hölzer, etc.) überzeugen, so dass ich den Rückflug ohne solcherlei Souvenirs antrat. Wenig Hoffnung setzte ich auf den Zwischenstopp in Kuwait, da in den Stunden nach Mitternacht im Allgemeinen kein nennenswertes Angebot auf Flughäfen herrscht.

Als ich gegen 2:30 Uhr alle Formalitäten hinter mich gebracht hatte, betrat ich den Duty Free Bereich und staunte nicht schlecht darüber, dass sämtliche Shops geöffnet, und mit reichlich Personal ausgestattet waren. Die Dame, die sich im Parfumshop an meine Fersen heftete, betrachtete es offenbar als ihre Pflicht, mich möglichst bald und ausgiebig mit diversen Essenzen zu besprühen. Immer wieder hob sie den einen oder anderen Flakon empor, beschrieb ihn als "very good" und zielte in meine Richtung. Ich konnte sie nur mit Mühe davon abhalten, den Abzug zu drücken.

Stattdessen versuchte ich, meinen neu gewonnenen Schatten zu ignorieren und umrundete die Regale, auf der Suche nach einem Schätzchen. Hierzu genügt mir in der Regel ein kurzer Schnupperer am Sprayer und ich weiß ungefähr, was Sache ist. Unter misstrauischen Blicken der ambitionierten Verkäuferin drehte ich also meine Runden und gelangte irgendwann zum Regal von "Atyab al Marshoud", einem kuwaitischen Hersteller mit langer Tradition. Ich schnupperte hier, ich schnupperte dort und ebenfalls an einem weißen Flakon mit der Aufschrift "marshoud 4".

Klingelingeling! Kennt ihr das? Man schnuppert so vor sich hin und plötzlich macht es klick. Wow! Was war denn das??? Ich nahm einen wunderschönen hellen orientalischen Duft mit modernen, eleganten Anklängen wahr. Nun durfte meine Begleitung sprühen. Auf das Kärtchen bitte. Nein, nicht auf den Arm! Mit dem Kärtchen in der Hand schlenderte ich durch die Hallen und konnte meine Nase nicht davon lassen. Also gut: Zurück zum Regal und zwei Sprüher auf den Hals. Schade, dass meine neue Freundin inzwischen offenbar Feierabend hatte, das hätte ihr Spaß gemacht.

Ab in ein Cafe, wo ich für zehn Euro eine Tasse Tee und einen (hervorragenden) Zitronenmuffin erwarb. So saß ich nun da, genoss meinen Tee, und eine Welle von Glück überkam mich, ausgelöst von dem, was da vom Hals nach oben strömte. Und auch noch viele Stunden später im Flieger versiegte diese Quelle nicht. Es duftete erstens ausgiebig und zweitens wunderschön.

Keine Frage, dass ich einen Flakon von "marshoud 4" erworben habe. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es sich um echtes Oud handelt, eingewoben in helles Holz und ein paar moderne Noten von Moschus und ISO-E-Super. Der Duft hält sehr lange an und entwickelt sich mit der Zeit immer mehr in Richtung blumiges, natürliches Oud. Was für eine Entdeckung!

Der Kollege JoHannes hatte Recht: In Kuwait gibt es gute Düfte. Und ich bin am Ende meiner Reise doch noch zu einem duftenden Souvenir gekommen. Und was für einem!

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