15.11.2018 - 14:44 Uhr
Meggi
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Pieroths Rückkehr
Im Jahr 1985 erfreute sich plötzlich eine Vokabel großer medialer Verbreitung, die sonst wohl eher in Chemie-Büchern oder in der Industrie ein stilles Dasein fristete: Die etwas Älteren unter uns erinnern sich bestimmt noch gut an den Skandal rund um mit dem Frostschutz-Mittel Diethylenglykol süßgepanschte Weine vornehmlich österreichischer Herkunft. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei das Handelshaus Pieroth, zu dessen familiärem Dunstkreis auch der damalige Berliner Wirtschafts-Senator Elmar Pieroth gehörte, der selbstredend von allem keine Ahnung gehabt haben will.
Die Eröffnung von ‚Ballena de la Pampa‘ nun ist Pieroths Rückkehr. Heute sparen wir beim Apfelwein. Statt das Obst mühselig zu keltern und zu vergären, werden die vollreifen Früchte einfach in ein alkoholhaltiges Lösungsmittel eingelegt. Verdorbener Weißwein (vermutlich Retsina; siehe unten) wäre eine Neben-Spur, aber ich denke tatsächlich an Apfel.
Vor dem Hintergrund der Herstellerangaben scheint mir das allenfalls mit Umweg erklärbar. Möglicherweise haben wir es – Stichwort „Heu“ – mit einem nennenswerten Beitrag von Cumarin zu tun, welcher maßgeblich für meinen Apfel-Eindruck verantwortlich zeichnet. Eine Erkenntnis, die im Laufe des späteren Nachmittags, als die Frucht ins Kirschige driftet, an Plausibilität gewinnt.
Ich bleibe allerdings, allemal einstweilen, bei meinem Apfel. Vielleicht haben wir es – wiederum Stichwort „Heu“ – mit einer Streuobst-Wiese zu tun. So schön wie Tiara im Vorgänger-Kommentar hätte ich die sonstige Zusammensetzung der Wiese nicht herleiten können, ich wollte ohnehin bloß darauf hinaus, dass man auf einer Streuobst-Wiese sicherlich aufpassen sollte, wo man sich hinpackt oder eben besser nicht. Der erste Versuch jedenfalls war an einer Gammelapfel-Stelle.
Doch es wird. Und wie! Bereits nach kaum einer Viertelstunde zeigt sich eine hintergründige, von bitterem, lösungsmittelhaftem Harzkram fast verborgene Süße. Im Fortgang erfährt der nunmehr in Würde gereifte und noch nicht überreife Apfel dann sozusagen eine behutsame Ambrierung: Eine herbe, unsüße Süße (sowas gibt’s!) legt sich wie eine Schicht drumherum und wird ganz sachte mit einem Stück intensiv gepflegten Leders blankpoliert. Klingt komisch, ist trotzdem klasse. Ich denke an den – freilich deutlich kernigeren, urwüchsigeren – ‚Equestrian‘ aus dem Hause Sonoma Scent Studio, den ich erst kürzlich testen durfte. Ohne diese Referenz wüsste ich jetzt überhaupt nicht, worauf ich vergleichend hätte zeigen sollen.
Nach zwei Stunden ist ein Nahezu-Amber-Duft entstanden, dem in Umkehrung der bisherigen Gewichtung einige Apfelschnitze beigefügt sind, die unverdrossen vom übereifrigen Leder bearbeitet werden. Eine Spur säuerlich-eingedickten und damit beinahe duro-haften Holzes erscheint im Untergrund und wird nach hinten raus heller und heller.
Nachmittags sorgt eine vanillige Aura für eine gewisse Nachspeisen-Anmutung (Vanille und Cumarin/Waldmeister – klar, Wackelpudding mit Soße), die allerdings wenig süß und schon gar nicht pampig daherkommt. Im Gegenteil: Mit nur ein bisschen Abstand von der Haut riecht der seltsame Wal fruchtig-süß, frei jeder Kleinemädchen-Obstplörre-Attitüde. Mild cremig eingerahmt. Karamellig, aber unsüß. Seufz… Karamellig, das nächste Stichwort, das diffus passen mag, indes den Eindruck unzureichend beschreibt.
Ich vermute, dass Herr Bedel in Nachahmung einer Moschus-Leitlinie diverse cremige Dinge zusammengerührt hat, die zwar zunehmend einen Gedanken an Moschus wecken, doch auch viele andere Assoziationen zulassen. Immerhin ist beim Anbieter von 13 Sorten Moschus die Rede („combination of 13 musks“). In Sachen Ambra schweigt der gute Mann sich übrigens aus.
Fazit: Gelungen. Hat den Was-riecht-denn-hier-so-toll?-Das-bin-ja-ich!-Effekt.
Ich bedanke mich bei Rotkehlchen für die Probe.
Die Eröffnung von ‚Ballena de la Pampa‘ nun ist Pieroths Rückkehr. Heute sparen wir beim Apfelwein. Statt das Obst mühselig zu keltern und zu vergären, werden die vollreifen Früchte einfach in ein alkoholhaltiges Lösungsmittel eingelegt. Verdorbener Weißwein (vermutlich Retsina; siehe unten) wäre eine Neben-Spur, aber ich denke tatsächlich an Apfel.
Vor dem Hintergrund der Herstellerangaben scheint mir das allenfalls mit Umweg erklärbar. Möglicherweise haben wir es – Stichwort „Heu“ – mit einem nennenswerten Beitrag von Cumarin zu tun, welcher maßgeblich für meinen Apfel-Eindruck verantwortlich zeichnet. Eine Erkenntnis, die im Laufe des späteren Nachmittags, als die Frucht ins Kirschige driftet, an Plausibilität gewinnt.
Ich bleibe allerdings, allemal einstweilen, bei meinem Apfel. Vielleicht haben wir es – wiederum Stichwort „Heu“ – mit einer Streuobst-Wiese zu tun. So schön wie Tiara im Vorgänger-Kommentar hätte ich die sonstige Zusammensetzung der Wiese nicht herleiten können, ich wollte ohnehin bloß darauf hinaus, dass man auf einer Streuobst-Wiese sicherlich aufpassen sollte, wo man sich hinpackt oder eben besser nicht. Der erste Versuch jedenfalls war an einer Gammelapfel-Stelle.
Doch es wird. Und wie! Bereits nach kaum einer Viertelstunde zeigt sich eine hintergründige, von bitterem, lösungsmittelhaftem Harzkram fast verborgene Süße. Im Fortgang erfährt der nunmehr in Würde gereifte und noch nicht überreife Apfel dann sozusagen eine behutsame Ambrierung: Eine herbe, unsüße Süße (sowas gibt’s!) legt sich wie eine Schicht drumherum und wird ganz sachte mit einem Stück intensiv gepflegten Leders blankpoliert. Klingt komisch, ist trotzdem klasse. Ich denke an den – freilich deutlich kernigeren, urwüchsigeren – ‚Equestrian‘ aus dem Hause Sonoma Scent Studio, den ich erst kürzlich testen durfte. Ohne diese Referenz wüsste ich jetzt überhaupt nicht, worauf ich vergleichend hätte zeigen sollen.
Nach zwei Stunden ist ein Nahezu-Amber-Duft entstanden, dem in Umkehrung der bisherigen Gewichtung einige Apfelschnitze beigefügt sind, die unverdrossen vom übereifrigen Leder bearbeitet werden. Eine Spur säuerlich-eingedickten und damit beinahe duro-haften Holzes erscheint im Untergrund und wird nach hinten raus heller und heller.
Nachmittags sorgt eine vanillige Aura für eine gewisse Nachspeisen-Anmutung (Vanille und Cumarin/Waldmeister – klar, Wackelpudding mit Soße), die allerdings wenig süß und schon gar nicht pampig daherkommt. Im Gegenteil: Mit nur ein bisschen Abstand von der Haut riecht der seltsame Wal fruchtig-süß, frei jeder Kleinemädchen-Obstplörre-Attitüde. Mild cremig eingerahmt. Karamellig, aber unsüß. Seufz… Karamellig, das nächste Stichwort, das diffus passen mag, indes den Eindruck unzureichend beschreibt.
Ich vermute, dass Herr Bedel in Nachahmung einer Moschus-Leitlinie diverse cremige Dinge zusammengerührt hat, die zwar zunehmend einen Gedanken an Moschus wecken, doch auch viele andere Assoziationen zulassen. Immerhin ist beim Anbieter von 13 Sorten Moschus die Rede („combination of 13 musks“). In Sachen Ambra schweigt der gute Mann sich übrigens aus.
Fazit: Gelungen. Hat den Was-riecht-denn-hier-so-toll?-Das-bin-ja-ich!-Effekt.
Ich bedanke mich bei Rotkehlchen für die Probe.
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