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Top Rezension
Schön auch ohne -wasweißich
Eine harzig-rauchige Süße mit einem konzentriert holzigen, dabei säuerlichen Würz-Dreh eröffnet. Ich denke an Chips. Aha, die Kopfnote geht hier durch den Magen? Ein Duft mit Glutamat? Womöglich ist das ein erster Verweis auf Cashmeran - sozusagen ein Glutamat unter den Duft-Stoffen. Das wird indes rasch zugedeckt, ätherische Öle entfalten sich, Zypresse und Piment werden plausibel.
Doch bereits nach wenigen Minuten wird aus dem Bitteren ein Stich im Hintergrund, während sich süßliches Harz breitmacht, das in der Tat an Miller Harris‘ La Fumée inklusive seines Geschwists mit „Arabie“ hintendran erinnert. Sogar Parallelen zum (allerdings insgesamt ungleich heißeren) Interlude Man lassen sich ziehen. Anständige Referenzen! Besonders hervorhebenswert und besagter Miller-Harris-Ähnlichkeit enorm förderlich ist eine feine, cremige Aura, mit der die harzigen Noten zusammengefasst sind. Die schmeichelnde Süße gibt das Ihre hinzu.
Im Fortgang bemerke ich einen Schwenk in Richtung Holz. Dessen Auftritt zitiert zunächst Duro und dürfte mithin endgültig auf Cashmeran verweisen. Die dadurch im Laufe der zweiten Stunde induzierte dunkle Holznote gefällt vorzüglich. Sie verfinstert den Duft im Vergleich zum Engländer zwar deutlich und die Nähe schwindet, dennoch: Abgründe tun sich zumindest keine auf.
Nach fünf, sechs Stunden lässt sich vereinzelt auch über helleres Gehölz nachdenken. Der Schwerpunkt liegt – Pyramide hin oder her - in Psychotrope bislang also definitiv auf Harz und Holz statt auf Rauch. Sollte ich mich zwischen den ersten beiden entscheiden müssen, fiele meine Wahl auf Holz; allemal in der Projektion, die von einer dunklen, eingedickt-säuerlichen, regelrecht antiken Holz-Note regiert wird, für die das Harz, pointiert gesprochen, als charakterstärkende Hilfskraft fungiert.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags nehme ich angeriechts von irgendwas Süß-Säuerlichem amüsiert meinen Chips-Gedanken erneut auf. Diesmal mit Honig verfeinert? Ansonsten ist die Cremigkeit aber im Wesentlichen verschwunden. Das Holz ist vielleicht nicht gerade schroff geworden, doch wirkt es kantiger als zuvor. Überdies wird der harzige Part wieder kräftiger. Wenn der Duft noch cremig genannt werden soll, dann wäre er das nunmehr auf eine eher harzige und dickflüssige Weise.
Es wird später Nachmittag, ehe als hell-rauchiger, grün-säuerlicher Einwechselspieler erstmals Weihrauch aufläuft. Und der wird tatsächlich auf die alten Duft-Tage zum klaren Protagonisten, lässt sich zum Ende hin womöglich insgeheim gar von einer stil-nahen Grün-Vetiver-Beigabe helfen. Das lange regierende Holz ist abgesetzt. Trotzdem changieren und wabern – bloß halt mit stark verschobenen Gewichten – immer wieder Aromen „von weiter vorne“ herum. Ermüdungserscheinungen oder Qualitätseinbußen? Fehlanzeige.
Fazit: Obwohl die Ähnlichkeit von Psychotrope zu Miller Harris sukzessive vergeht, eint die beiden eine gewisse – jawoll! – Eleganz. Der heutige Kandidat darf als anzug-tauglich gelten. „Psycho“ fühle ich mich damit jedenfalls überhaupt nicht. Investment-Banker- oder Psychopathen-im-Chef-Kostüm-Witze haben an dieser Stelle bitte zu unterbleiben, das würde die Aussage untergraben.
Wir sollten das LSD-Gesabbele im Begleit-Text einfach ignorieren und uns darauf besinnen, dass psychotrope Substanzen nicht mit Drogen gleichzusetzen sind, sondern dass der Begriff eine breite Palette von Stoffen umfasst, zu denen relativ harmlose Grundnahrungsmittel wie Koffein zählen.
Das scheint mir ein vernünftiger Ansatz: Betrachten wir Psychotrope als einen in seinem Aromen-Reichtum spannenden und anregenden, prima gelungenen Duft. Den müssen wir uns nun wirklich nicht schön-schnupfen, -rauchen, -schlucken, -spritzen oder -wasweißich.
Ich bedanke mich bei Yatagan für die Probe.
Doch bereits nach wenigen Minuten wird aus dem Bitteren ein Stich im Hintergrund, während sich süßliches Harz breitmacht, das in der Tat an Miller Harris‘ La Fumée inklusive seines Geschwists mit „Arabie“ hintendran erinnert. Sogar Parallelen zum (allerdings insgesamt ungleich heißeren) Interlude Man lassen sich ziehen. Anständige Referenzen! Besonders hervorhebenswert und besagter Miller-Harris-Ähnlichkeit enorm förderlich ist eine feine, cremige Aura, mit der die harzigen Noten zusammengefasst sind. Die schmeichelnde Süße gibt das Ihre hinzu.
Im Fortgang bemerke ich einen Schwenk in Richtung Holz. Dessen Auftritt zitiert zunächst Duro und dürfte mithin endgültig auf Cashmeran verweisen. Die dadurch im Laufe der zweiten Stunde induzierte dunkle Holznote gefällt vorzüglich. Sie verfinstert den Duft im Vergleich zum Engländer zwar deutlich und die Nähe schwindet, dennoch: Abgründe tun sich zumindest keine auf.
Nach fünf, sechs Stunden lässt sich vereinzelt auch über helleres Gehölz nachdenken. Der Schwerpunkt liegt – Pyramide hin oder her - in Psychotrope bislang also definitiv auf Harz und Holz statt auf Rauch. Sollte ich mich zwischen den ersten beiden entscheiden müssen, fiele meine Wahl auf Holz; allemal in der Projektion, die von einer dunklen, eingedickt-säuerlichen, regelrecht antiken Holz-Note regiert wird, für die das Harz, pointiert gesprochen, als charakterstärkende Hilfskraft fungiert.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags nehme ich angeriechts von irgendwas Süß-Säuerlichem amüsiert meinen Chips-Gedanken erneut auf. Diesmal mit Honig verfeinert? Ansonsten ist die Cremigkeit aber im Wesentlichen verschwunden. Das Holz ist vielleicht nicht gerade schroff geworden, doch wirkt es kantiger als zuvor. Überdies wird der harzige Part wieder kräftiger. Wenn der Duft noch cremig genannt werden soll, dann wäre er das nunmehr auf eine eher harzige und dickflüssige Weise.
Es wird später Nachmittag, ehe als hell-rauchiger, grün-säuerlicher Einwechselspieler erstmals Weihrauch aufläuft. Und der wird tatsächlich auf die alten Duft-Tage zum klaren Protagonisten, lässt sich zum Ende hin womöglich insgeheim gar von einer stil-nahen Grün-Vetiver-Beigabe helfen. Das lange regierende Holz ist abgesetzt. Trotzdem changieren und wabern – bloß halt mit stark verschobenen Gewichten – immer wieder Aromen „von weiter vorne“ herum. Ermüdungserscheinungen oder Qualitätseinbußen? Fehlanzeige.
Fazit: Obwohl die Ähnlichkeit von Psychotrope zu Miller Harris sukzessive vergeht, eint die beiden eine gewisse – jawoll! – Eleganz. Der heutige Kandidat darf als anzug-tauglich gelten. „Psycho“ fühle ich mich damit jedenfalls überhaupt nicht. Investment-Banker- oder Psychopathen-im-Chef-Kostüm-Witze haben an dieser Stelle bitte zu unterbleiben, das würde die Aussage untergraben.
Wir sollten das LSD-Gesabbele im Begleit-Text einfach ignorieren und uns darauf besinnen, dass psychotrope Substanzen nicht mit Drogen gleichzusetzen sind, sondern dass der Begriff eine breite Palette von Stoffen umfasst, zu denen relativ harmlose Grundnahrungsmittel wie Koffein zählen.
Das scheint mir ein vernünftiger Ansatz: Betrachten wir Psychotrope als einen in seinem Aromen-Reichtum spannenden und anregenden, prima gelungenen Duft. Den müssen wir uns nun wirklich nicht schön-schnupfen, -rauchen, -schlucken, -spritzen oder -wasweißich.
Ich bedanke mich bei Yatagan für die Probe.
21 Antworten
Lakritzi vor 2 Jahren
Wow! Das ist irgendwie Weltliteratur!
Misca vor 4 Jahren
Super Beschreibung! Ich finde den Duft in deinen Worten wieder!
Polyantha vor 4 Jahren
1
Gerne gelesen und wie immer eine genaue Beschreibung, die bei der Entscheidung hilft!
Floyd vor 6 Jahren
Das kommt sehr gut hin!
Hektor vor 6 Jahren
1
Danke für den Kommi. Die angegebenen Referenzen gefallen mir gar nicht oder nicht mehr... damit kann auch dieser Duft in aller Ruhe von der Merkliste verschwinden. :)
Serenissima vor 8 Jahren
Das, was ich hier bei Dir lese, gefällt mir ausgesprochen gut: ein Mix interessanter Aromen, der wohl auch alltagstauglich ist, ohne überall anzuecken.
MisterE vor 8 Jahren
Na der Miller Harris ist ja nicht die schlechteste Referenz....
Kovex vor 8 Jahren
Der scheint ja wirklich alles zu haben, wonach ich lechze. Habbe wolle!!! ;)
Pluto vor 8 Jahren
Also der Chipsduft lässt mich zweifeln. Am Duft, nicht am Kommi
Jumi vor 8 Jahren
Klingt solide. Von dieser Marke war einer ein Volltreffer, der andere dagegen eine Niete. Bin gespannt :)
Torfdoen vor 8 Jahren
Gschpusi sagt "nicht greifbar", ich schließe mich dem an, habe aber noch etwas für einen zweiten/dritten Durchlauf (danke, liebe Kylesa!) und werde mit einer Miniaturraumkapsel die-Reise-ins-Ich-mäßig alle hier genannten Geruchseindrücke überprüfen. Deine präzise Beschreibung ist dafür ein hervorragender Wegweiser.
Palonera vor 8 Jahren
Das liest sich sehr "Au ja!" - nicht nur des vor mir stehenden Kaffees wegen, ;-).
MarWic vor 8 Jahren
Der muss wirklich sehr einnehmend sein.....
First vor 8 Jahren
Hilfe! Duro! Hilfe! Cashmeran! Schnell weg....
Can777 vor 8 Jahren
Ich bevorzuge bei dem auch die äußerlich Anwendung,als die innerlich Anwendung. Macht schöne Gedanken,mag den!
Yatagan vor 8 Jahren
Ich jag ja Cashmeran gar nicht, aber ich rieche das hier nicht so sehr, bis auf die Holzigkeit (müsste m.E. noch eine Fruchtigkeit hinzu treten). Gut finde ich hier die Safran-Komoponente, die gar nicht so viele zu riechen scheinen. Irgendwie ein toller Duft und er war mir auch die 9.0 wert.
Seerose vor 8 Jahren
Und kantige Holzscheite ohne Baumarkt-Kunstholz gibt auch? Die zeitweilige Nähe zu den beiden genannten Miller Harris Düften erinnert mich an erste Parfümbegeisterungen, die ich fast schon vergessen habe, man müsste noch mal testen...auch dieses
Kylesa vor 8 Jahren
Der Duft ist toll! Und dein Kommentar sehr informativ und super geschrieben....sehr gerne gelesen :-)
Gschpusi vor 8 Jahren
Für mich war der nicht greifbar. Fangnetz hätte evtl geholfen
Taurus vor 8 Jahren
Auch dieser Ballon-Zerstäuber gefällt mir ordentlich gut ...
Ergoproxy vor 8 Jahren
Und keine Aromatherapie. :P:D

