25.05.2021 - 12:50 Uhr
NuiWhakakore
101 Rezensionen
NuiWhakakore
Kritik Top Rezension
77
The Eye of the Tiger
Er hatte das Dorf schon seit Wochen in Angst und Schrecken versetzt. Kaum eine Nacht, in der er nicht gekommen wäre, lautlos aus dem Dschungel. Dann das schrille Blöken eines Schafs oder einer Ziege, das Quieken eines Schweins im Todeskampf und dann wieder Stille. Am nächsten Morgen dann nur noch die blutigen Spuren.
Er war Dawon, der heilige Tiger, aber alle Heiligkeit hat ein Ende, wenn es ums eigene Leben geht. Und so wurden Wachen mit Gewehren aufgestellt, nachdem der Tiger Bao angegriffen hatte. Dabei hatte Bao noch Glück gehabt und den Angriff überlebt, wenn auch sein rechter Arm wohl nicht mehr so werden würde wie zuvor.
Da stand ich nun jedenfalls in der Dunkelheit, das Dorf im Rücken, den Dschungel vor mir. In der verschwitzten Hand den alten, schweren Karabiner, viel älter als ich, leicht rostig am Lauf, aber gut geölt und unbestreitbar tödlich. Der Mond brachte nur wenig Licht und so lauschte ich und roch alles um mich herum. Die Gewürze des Abendessens aus dem Dorf lagen noch in der Luft. Das Holz war noch nass nach dem letzten Regenschauer und die Erde dampfte. Der dichte Dschungel vor mir war wie eine schwarze Wand in der ohnehin bereits schwarzen Nacht.
Ich hörte ihn nicht kommen, so leise schlich er heran. Aber ich roch ihn. Süß und warm, mit der unbeschreiblichen Intensität, die nur ein wildes Tier hat. Es roch anziehend und furchteinflößend zugleich. Unter seinen mächtigen Pranken zermatschte er die Wildblumen, so dass etwas fast liebliches ebenfalls in der Luft lag.
Dann stand er plötzlich vor mir. Ein Schatten, nur die beiden Augen glühten golden. Sie betrachteten mich und ich verlor mich in ihrer unergründlichen Tiefe. Etwas vollkommen fremdes blickte mich da an: eine Gleichgültigkeit, kein Mitleid oder Erbarmen, das sind menschliche Konzepte, nur die Notwendigkeit zu Überleben. Das Gewehr zitterte in meiner Hand. Ich wusste, ich würde nicht abdrücken können. Eine Ewigkeit starrten wir uns an, so schien es mir. Aber es war wohl nur ein Augenblick. Dann kam er auf mich zu, sein animalischer Geruch hüllte mich vollkommen ein. Ich Schloss die Augen und erwartete mein Ende. Ich spürte sein Fell an meinem Bein, eine raue Zunge strich kurz über meine Hand und ebenso lautlos wie er gekommen war, war er wieder verschwunden.
Das Gewehr ließ ich an Ort und Stelle zurück. Er war Dawon, der heilige Tiger, ich würde nicht auf ihn schießen können. Er hatte mich berührt und am Leben gelassen. Das Auge des Tigers hatte mich erblickt und nun ist es mir unmöglich, zu vergessen, dass dieses Auge mich sieht.*
Nie wieder will ich ihm gegenüber stehen.
-------------
Ob sich im Lui ein Tiger versteckt weiß ich nicht, aber ein großen Tier ist es auf jeden Fall. Und wild ist es auch, zumindest zu Beginn.
Er startet mit süßlichen Gewürzen, Nelke erkenne ich, etwas Cumarin und Zimt vermute ich. Das ganze ist warm und durchaus angenehm. Dann kommt die Animalik, wohl aus Moschus und Ambra gespeist, wobei ich beides nicht explizit raus riechen kann. Sie trifft mich wie ein Hammer, das ist schon heftig. Darunter ist Leder und dunkles, feuchtes Holz. Auch das Patchouli ist erdig und dunkel. Einziger Lichtblick in diesem dunkel-dampfenden Gebräu sind die Blumen, die zu Beginn aber auch noch sehr würzig rüber kommen. Die Silage ist zu diesem Zeitpunkt auch raumgreifend, es gibt also kein entkommen. Zitrische Noten konnte ich keine finden.
Mit der Zeit (so nach ca. 2 Stunden) wird der Duft ruhiger und sanfter. Die Blumen sind jetzt deutlicher und nicht mehr so würzig. Die Animalik ist aber immer tonangebend und bleibt im Vordergrund. Leicht süße Harze mischen sich noch dazu und so könnte er langsam ausklingen.
Tut er aber bei mir nicht. In der Basis (so nach 6-7 Stunden) wird der Duft noch mal richtig derbe. Das Leder, das zuvor nur unterschwellig wahrnehmbar war, tritt hervor, sehr animalisch und roh. Mit den holzigen Noten könnte ich schwören, da ist Oud mit drin, aber das ist wohl nur die Kombination der verschiedenen Noten.
Ich mag dezente animalische Noten in Düften durchaus mal ganz gerne. Hier ist allerdings nichts dezent, das ist Hardcore-Animalik und für Fans sicherlich ein Genuss. Meine Grenze ist allerdings lange schon überschritten, ich laufe lieber weg (auch wenn das bei einem Tiger wohl nicht die beste Überlebensstrategie ist).
Ist er zu stark, bist du zu schwach...
* frei nach Sören Kierkegaard
Er war Dawon, der heilige Tiger, aber alle Heiligkeit hat ein Ende, wenn es ums eigene Leben geht. Und so wurden Wachen mit Gewehren aufgestellt, nachdem der Tiger Bao angegriffen hatte. Dabei hatte Bao noch Glück gehabt und den Angriff überlebt, wenn auch sein rechter Arm wohl nicht mehr so werden würde wie zuvor.
Da stand ich nun jedenfalls in der Dunkelheit, das Dorf im Rücken, den Dschungel vor mir. In der verschwitzten Hand den alten, schweren Karabiner, viel älter als ich, leicht rostig am Lauf, aber gut geölt und unbestreitbar tödlich. Der Mond brachte nur wenig Licht und so lauschte ich und roch alles um mich herum. Die Gewürze des Abendessens aus dem Dorf lagen noch in der Luft. Das Holz war noch nass nach dem letzten Regenschauer und die Erde dampfte. Der dichte Dschungel vor mir war wie eine schwarze Wand in der ohnehin bereits schwarzen Nacht.
Ich hörte ihn nicht kommen, so leise schlich er heran. Aber ich roch ihn. Süß und warm, mit der unbeschreiblichen Intensität, die nur ein wildes Tier hat. Es roch anziehend und furchteinflößend zugleich. Unter seinen mächtigen Pranken zermatschte er die Wildblumen, so dass etwas fast liebliches ebenfalls in der Luft lag.
Dann stand er plötzlich vor mir. Ein Schatten, nur die beiden Augen glühten golden. Sie betrachteten mich und ich verlor mich in ihrer unergründlichen Tiefe. Etwas vollkommen fremdes blickte mich da an: eine Gleichgültigkeit, kein Mitleid oder Erbarmen, das sind menschliche Konzepte, nur die Notwendigkeit zu Überleben. Das Gewehr zitterte in meiner Hand. Ich wusste, ich würde nicht abdrücken können. Eine Ewigkeit starrten wir uns an, so schien es mir. Aber es war wohl nur ein Augenblick. Dann kam er auf mich zu, sein animalischer Geruch hüllte mich vollkommen ein. Ich Schloss die Augen und erwartete mein Ende. Ich spürte sein Fell an meinem Bein, eine raue Zunge strich kurz über meine Hand und ebenso lautlos wie er gekommen war, war er wieder verschwunden.
Das Gewehr ließ ich an Ort und Stelle zurück. Er war Dawon, der heilige Tiger, ich würde nicht auf ihn schießen können. Er hatte mich berührt und am Leben gelassen. Das Auge des Tigers hatte mich erblickt und nun ist es mir unmöglich, zu vergessen, dass dieses Auge mich sieht.*
Nie wieder will ich ihm gegenüber stehen.
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Ob sich im Lui ein Tiger versteckt weiß ich nicht, aber ein großen Tier ist es auf jeden Fall. Und wild ist es auch, zumindest zu Beginn.
Er startet mit süßlichen Gewürzen, Nelke erkenne ich, etwas Cumarin und Zimt vermute ich. Das ganze ist warm und durchaus angenehm. Dann kommt die Animalik, wohl aus Moschus und Ambra gespeist, wobei ich beides nicht explizit raus riechen kann. Sie trifft mich wie ein Hammer, das ist schon heftig. Darunter ist Leder und dunkles, feuchtes Holz. Auch das Patchouli ist erdig und dunkel. Einziger Lichtblick in diesem dunkel-dampfenden Gebräu sind die Blumen, die zu Beginn aber auch noch sehr würzig rüber kommen. Die Silage ist zu diesem Zeitpunkt auch raumgreifend, es gibt also kein entkommen. Zitrische Noten konnte ich keine finden.
Mit der Zeit (so nach ca. 2 Stunden) wird der Duft ruhiger und sanfter. Die Blumen sind jetzt deutlicher und nicht mehr so würzig. Die Animalik ist aber immer tonangebend und bleibt im Vordergrund. Leicht süße Harze mischen sich noch dazu und so könnte er langsam ausklingen.
Tut er aber bei mir nicht. In der Basis (so nach 6-7 Stunden) wird der Duft noch mal richtig derbe. Das Leder, das zuvor nur unterschwellig wahrnehmbar war, tritt hervor, sehr animalisch und roh. Mit den holzigen Noten könnte ich schwören, da ist Oud mit drin, aber das ist wohl nur die Kombination der verschiedenen Noten.
Ich mag dezente animalische Noten in Düften durchaus mal ganz gerne. Hier ist allerdings nichts dezent, das ist Hardcore-Animalik und für Fans sicherlich ein Genuss. Meine Grenze ist allerdings lange schon überschritten, ich laufe lieber weg (auch wenn das bei einem Tiger wohl nicht die beste Überlebensstrategie ist).
Ist er zu stark, bist du zu schwach...
* frei nach Sören Kierkegaard
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