31.10.2022 - 12:19 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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36
Der Grenzgänger
Hier ist er, mein Duft für Allerheiligen und Walpurgisnacht!
Gruselig gut und mächtig, extrem bis auf die Krallen!
Mit ihm durchlaufe ich eine wahre Verwandlung, da er olfaktorisch eine unerwartete Wendung einschlägt.
Pechschwarz und glänzend mit einem silbernen Streifen kommt der Flakon daher, die Form des ursprünglichen Lapidus pour Homme wahrend. Die Schwärze ist schon ein wenig unheimlich, zusammen mit dem silbernen Schriftzug erinnert sie an okkulte Utensilien.
Mit dem Sprühkopf sollte man sparsam umgehen, die Duftexplosion ist gewaltig. Daher werde ich es im Freien versuchen.
In meinem romantischen Leichtsinn wandere ich entlang des Nordfriedhofs, bis ich am Grab von Edgar Auer von Herrenkirchen innehalte. Seine neugotische Ruhestätte gleicht dem Eingang einer Burg. Ritterlich und gespenstisch zugleich blickt sein Standbild auf mich herab. Und zu seiner linken ragt ein weiteres Grab empor mit schwarzer Marmorplatte. Welch eine Fügung!
Die Stille der Nacht läßt auch das kleinste Blätterrasseln mir ins Mark fahren, mein Herz pocht schneller.
Ich warte, bis der helle Mond hinter den Wolken verschwindet. Aus der Ferne vernehme ich noch den sanften und melancholischen Tastenschlag der Mondscheinsonate von Beethoven.
Zisch!
Jetzt wird es furchteinflößend!
Mein treuer Begleiter Lapidus pour Homme Eau de Toilette starrt mich sonderbar mit weit geöffneten Augen an. Nebenher streift er wie fremdbestimmt seine sportliche Frische ab. Weg mit den balsamischen und hellen Noten, seine Rose ist verwelkt und tot!
Dafür aber wird sein Blick finster, seine Bewegungen grobmotorischer. Er trägt nun einen schwarzen Frack mit passender Schärpe. Doch zeigt diese elegante Aufmachung etwas Verwegenes, mit halb offenem Hemd und zerknittertem Revers kann er unmöglich bei der Soirée erscheinen.
Ich erkenne noch sein Antlitz, dieses wirkt aber hart und lauernd.
Zwar begegnen mir die gewohnten zitrischen Noten, sein Atem haucht mir eine gepfefferte, metallische Schärfe entgegen. Und langsam fährt er mit seiner Zunge über seine spitzen Eckzähne. Das angeritzte Geschmacksorgan hinterläßt leichte Blutspuren auf seinen Lippen, die er mit dem Veilchenblättern abtupft.
Das Lebenselixier duftet stärker, es wird der pochende Safran sein.
Aus dem fernen Andalusien weht er hierher, warm und kräftig rundet er das Blutige ab. So wie den Biß, den ich nur kurz und dumpf am Hals spüre. Ich streife mit meinen Fingern über die Wunde und möchte vor Angst schreien, doch werden meine Laute mit den Orangenblüten Sevillas und Córdobas erstickt. Dieser Grenzgänger überhäuft mich regelrecht damit, auf dass ich fast ohnmächtig werde. Jeglicher Schmerz verschwindet, ich nehme meine düstere Umgebung langsamer wahr.
Und dann dröhnt es in meinen Ohren!
Dieses nach Leben lechzende Ungeheuer läßt mit Gedankenübertragung die Maskerade von Aram Chatschaturjan in meinem Kopf hallen!
Dann packt er meine Hände und wir tanzen den schaurigsten Walzer inmitten der silberbeschienen Gräber. Wild und immer schneller drehend, erblicke ich meine Augen in seine. Wir gleichen uns an, sein Gesicht ist nun mein Spiegelbild!
Oh weh, wie wird mir?
Allmählich wird mir bewußt, dass ich mich ganz alleine im Kreise drehe.
Ich fasse mit beiden Händen über den schwarzen Frack, das Hemd erstickt mich fast, ich reiße dran.
Die Luft in meinen Lungen ist geschwängert von einer animalischen Süße. Tonkabohnen und die Harze des Labdanums lassen jeden einzelnen Zacken des Sechsecks sticheln. Etwas vulgär Leidenschaftliches ergreift mich und regt meinen Speichelfluss an. Ich schäume geradezu aus dem Mund.
Rasend und beinah tobend verlasse ich den Nordfriedhof und fliege förmlich nach Hause.
Vom Fenster aus blickend werde ich erwartet.
„Nimm Dich in Acht, laufe davon!“ möchte ich noch warnend rufen, doch mein Verstand weicht einer irrationalen Triebhaftigkeit. Und fremdes Blut läßt mich aufheulen!
Ein Fluch lastet auf mir!
Und so flehe ich das noch verbliebene Menschliche in mir an, das erlösende Silber inmitten der alles verschlingenden Schwärze zu ergreifen und mich zu erlösen.
Was habe ich bloß getan?
Gruselig gut und mächtig, extrem bis auf die Krallen!
Mit ihm durchlaufe ich eine wahre Verwandlung, da er olfaktorisch eine unerwartete Wendung einschlägt.
Pechschwarz und glänzend mit einem silbernen Streifen kommt der Flakon daher, die Form des ursprünglichen Lapidus pour Homme wahrend. Die Schwärze ist schon ein wenig unheimlich, zusammen mit dem silbernen Schriftzug erinnert sie an okkulte Utensilien.
Mit dem Sprühkopf sollte man sparsam umgehen, die Duftexplosion ist gewaltig. Daher werde ich es im Freien versuchen.
In meinem romantischen Leichtsinn wandere ich entlang des Nordfriedhofs, bis ich am Grab von Edgar Auer von Herrenkirchen innehalte. Seine neugotische Ruhestätte gleicht dem Eingang einer Burg. Ritterlich und gespenstisch zugleich blickt sein Standbild auf mich herab. Und zu seiner linken ragt ein weiteres Grab empor mit schwarzer Marmorplatte. Welch eine Fügung!
Die Stille der Nacht läßt auch das kleinste Blätterrasseln mir ins Mark fahren, mein Herz pocht schneller.
Ich warte, bis der helle Mond hinter den Wolken verschwindet. Aus der Ferne vernehme ich noch den sanften und melancholischen Tastenschlag der Mondscheinsonate von Beethoven.
Zisch!
Jetzt wird es furchteinflößend!
Mein treuer Begleiter Lapidus pour Homme Eau de Toilette starrt mich sonderbar mit weit geöffneten Augen an. Nebenher streift er wie fremdbestimmt seine sportliche Frische ab. Weg mit den balsamischen und hellen Noten, seine Rose ist verwelkt und tot!
Dafür aber wird sein Blick finster, seine Bewegungen grobmotorischer. Er trägt nun einen schwarzen Frack mit passender Schärpe. Doch zeigt diese elegante Aufmachung etwas Verwegenes, mit halb offenem Hemd und zerknittertem Revers kann er unmöglich bei der Soirée erscheinen.
Ich erkenne noch sein Antlitz, dieses wirkt aber hart und lauernd.
Zwar begegnen mir die gewohnten zitrischen Noten, sein Atem haucht mir eine gepfefferte, metallische Schärfe entgegen. Und langsam fährt er mit seiner Zunge über seine spitzen Eckzähne. Das angeritzte Geschmacksorgan hinterläßt leichte Blutspuren auf seinen Lippen, die er mit dem Veilchenblättern abtupft.
Das Lebenselixier duftet stärker, es wird der pochende Safran sein.
Aus dem fernen Andalusien weht er hierher, warm und kräftig rundet er das Blutige ab. So wie den Biß, den ich nur kurz und dumpf am Hals spüre. Ich streife mit meinen Fingern über die Wunde und möchte vor Angst schreien, doch werden meine Laute mit den Orangenblüten Sevillas und Córdobas erstickt. Dieser Grenzgänger überhäuft mich regelrecht damit, auf dass ich fast ohnmächtig werde. Jeglicher Schmerz verschwindet, ich nehme meine düstere Umgebung langsamer wahr.
Und dann dröhnt es in meinen Ohren!
Dieses nach Leben lechzende Ungeheuer läßt mit Gedankenübertragung die Maskerade von Aram Chatschaturjan in meinem Kopf hallen!
Dann packt er meine Hände und wir tanzen den schaurigsten Walzer inmitten der silberbeschienen Gräber. Wild und immer schneller drehend, erblicke ich meine Augen in seine. Wir gleichen uns an, sein Gesicht ist nun mein Spiegelbild!
Oh weh, wie wird mir?
Allmählich wird mir bewußt, dass ich mich ganz alleine im Kreise drehe.
Ich fasse mit beiden Händen über den schwarzen Frack, das Hemd erstickt mich fast, ich reiße dran.
Die Luft in meinen Lungen ist geschwängert von einer animalischen Süße. Tonkabohnen und die Harze des Labdanums lassen jeden einzelnen Zacken des Sechsecks sticheln. Etwas vulgär Leidenschaftliches ergreift mich und regt meinen Speichelfluss an. Ich schäume geradezu aus dem Mund.
Rasend und beinah tobend verlasse ich den Nordfriedhof und fliege förmlich nach Hause.
Vom Fenster aus blickend werde ich erwartet.
„Nimm Dich in Acht, laufe davon!“ möchte ich noch warnend rufen, doch mein Verstand weicht einer irrationalen Triebhaftigkeit. Und fremdes Blut läßt mich aufheulen!
Ein Fluch lastet auf mir!
Und so flehe ich das noch verbliebene Menschliche in mir an, das erlösende Silber inmitten der alles verschlingenden Schwärze zu ergreifen und mich zu erlösen.
Was habe ich bloß getan?
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