
Axiomatic
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Axiomatic
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Es durch die Blume sagen
Das Magische der Sprache ist, dass ein geschriebenes Wort sonderbaren Freiraum der Interpretation bei ausgelassenen Adjektiven, fehlendem Kontext und freier Aussprache - Sport / Sport… / Sport! / Sport? - zulässt.
Lange hat mich vorliegende geheime Formel des Jahres 2016 grübeln lassen.
Mein erster Kommentar im Forum galt diesem Dufträtsel.
Tja, gut Ding will Weile haben.
Zunächst möchte ich das Können jener Tüftlerseele loben.
Diese Zweideutigkeit des Duftes, die Ausweitung des Floralen, eine verkappte Ironie und das saubere Kodieren gewisser unreiner Gedanken bedarf schon einer geschulten Nase, welche leider nicht erwähnt wird.
Ich bitte daher der Groupe Bogart, den Schöpfer preiszugeben, welcher Applaus verdient.
In der Duftgeschichte gab es so manche Vertreter männlicher Blumen, die das Spielchen des „erhasche mich“ haarscharf an der Grenze des noch Tragbaren erkundeten.
Die Kunst besteht darin, stets selbstsicher, gefasst, nonchalant und spielerisch werbend diese Blüten wehen zu lassen.
Keine einfache Aufgabe, eine Geste zu viel und schon verpufft die Magie und bemitleidenswerter Pastiche sorgt dann für verdrehte Augen.
Der vorliegende Flakon evoziert die gestalterisch minimalistische Farbgestaltung der Zeitspanne 1980-1981, eine der spannendsten Weichenstellungen mutiger Aufbrüche der Popgeschichte.
Der Überdruss der Discozeit, das Verlangen nach Klarheit und der Durchbruch elektronischer Kühle spiegeln das Aufwachen nach einer übertriebenen Party analogen Ausmaßes wider.
Doch sollte dafür die hedonistische Feier nunmehr synthetischer und irgendwie fies eitel weiterlaufen.
Zum ersten Mal erlaubt Lapidus in das Innere des kultigen Flakons zu blicken.
1987 entworfen lässt man ihn nun etwa sieben Jahre rückwärts springen.
Wie ein Prequel zum Hauptfilm.
Farblos und glasklar der gerillte Korpus.
„Schließlich erweckst Du allein den Flaschengeist, mein Sportler. Keine falschen Tricks hier!“
Die Kanüle grundfarben-rot, so wie der Schriftzug, der Sprühkopf und die Rippen des sonst weißen Abschlusses.
Erinnerungen an enganliegende, gerade geschnittene Anzüge oder entsprechend puristische Sportbekleidung lassen hoffen, dass Zeitloses wieder Einzug hält.
Genial die Werbung.
Wieder der sportliche Rücken.
Nun aber eine Stange in den Händen, der Hochsprung über konventionelle Schranken.
Sonderbar der Lichteinfall und die Schattierung auf der Haut des Sportlers, sie geben die Grundessenz des Duftes wieder: kühl, vermeintlich hell mit schattigen Unklarheiten.
Na dann, auf die Plätze, fertig…
Zisch!
Ein Wachrütteln.
Hier ist nichts, wie es scheint!
Zwar täuschen Hesperiden und grüner Basilikum die übliche Apertura vor, der mächtige Rosmarin überdeckt augenblicklich die naiv mediterrane Frische.
Gleichzeitig schwingt schon schüchtern Florales mit.
Welche Sportart ist denn hier gemeint?
Sogleich betritt die so typische Lapidus-Orangenblüte die Bühne. Extrem hell und lichtdurchflutet.
Salzige Ambra, ein großes Lob hier, würzt genau richtig. Kein plattes Ruinieren des Duftes mit brachialer Chemie.
Eine ausgeklügelte Partie, um die geforderte Frische sportlicher Düfte zu verbreiten.
Und schon wieder weit gefehlt!
Etwa Don Juan im erotischen Hürdenparcours?
Ein blumiges Potpourri mischt nun kräftig mit.
Nicht gelisteter, burschikoser Jasmin, äußerst helle, fast schon gefrorene Rose, abwehrende Rosengeranie mit grünen Blättern.
Etwas dumpf der florale Anteil eines mysteriösen Moschus, welcher immer körperlicher wird nach Art der 1970er.
Die Blicke im Sportstudio lassen die Reaktionen erahnen.
Dem langanhaltenden Rosmarin und der 1980er Muskatnuss sei Dank, es sind wohlgesinnte und zustimmende Blicke.
Diese bräunliche Würze unterstreicht die grünliche Seite der Herznote und gleicht prima das Liebliche der Blumen aus.
Und nun tritt etwas Großartiges ein, die schattige Seite des hellen Bouquets.
Leise und flüchtig der Weihrauch, welcher nicht besser hätte dosiert werden können.
Somit wirkt die Basis zwar holzig und erdig, bleibt aber nebelartig und verleiht der blumigen Grundtendenz des Duftes den nötigen Halt, um nicht völlig in der Blumenvase stecken zu bleiben.
Ein schöner Labdanum liefert noch den ledrigen Schubser, ein kleiner Kick mit Augenzwinkern.
Aber alles in allem bleibt das Florale tonangebend.
Gegen Ende macht sich das leicht Salzige der Ambra bemerkbar, je weiter sich die Blüten verabschieden.
Zusammen mit dem Labdanum verlassen die beiden Komponenten die Umkleide des Sportstudios.
Die blumige Mosch-Visitenkarte wird ganz diskret in Erinnerung bleiben.
Wow, sportlich, so einen Duft als „Sport“ zu betiteln!
Bisher konnte ich mich nicht beklagen beim Tragen dieser Herausforderung.
Der Duft begleitet mich sehr lebensfroh und sympathisch.
Und hat mir sogar nette Kommentare verschafft.
Ich kann diese hell grünliche Flüssigkeit bestens außerhalb des Sports tragen.
Selten habe ich so einen legeren Duft mit Charakter in letzter Zeit genießen können.
Vom Grundton her erinnert mich der Duft an Nino Cerruti pour Homme Eau de Toilette, welcher auch mit einer nicht ganz eindeutigen Blümelei spielte, dazu noch die Unartigkeit meines hoch geschätzten Kouros Eau de Toilette .
Streuner mit Blumenstrauß auf lieb?
Genau für dieses Verwischen der Intentionen bin ich Lapidus stets dankbar, mal mehr, mal weniger je nach Kreation.
Und hier ist es mehr als gelungen.
Zum Schluss noch etwas Historisches.
Hatte ich zunächst das jähe Ende der Discozeit mit der poppigen Disco Demolition Night im Comiskey Park von Chicago am 12 Juli 1979 als Kind fassungslos im Fernsehen verfolgt, wurde ich nur ein Jahr später mit dem Gegenangriff aus Spanien beglückt.
Mir ging es nicht in den Kopf, dass erwachsene Menschen, welche im freisten Land der Welt eine dumpfe Verachtung gegenüber einer tanzbaren Musikrichtung hegten, die so viele Menschen jeglicher Couleur friedlich und freiwillig vereint hatte, sich eines so gruseligen Vernichtungsmittels bedienen mussten, um ihrem Groll einen Ausdruck zu verleihen.
Warum nicht einfach diese Schallplatten ignorieren und im Laden Staub fangen lassen?
Nein, hier musste etwas in Brand gesteckt werden, was an den Grundfesten ihrer Welt rüttelte.
Die Hits der analogen Disco-Richtung stürzten danach in den Charts in den Keller.
Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten…
1980 knallte ein noch junger Pedro Marín aus Barcelona mit seinem gleichnamigen Album dieser üblen Bande ein „bis hier und nicht weiter“ entgegen.
Disco wurde nun kühler, synthetischer, poppiger, bekam neue Bezeichnungen. Aber es blieb das, was es schon immer war, eine lockere Tanzrichtung für etliche. Nichts Hochtrabendes, eben konsumfertiger Spaß für ein paar Momente.
Wie das alles zum vorliegenden Duft passt?
Nun, das eine Video zum Lied „Aire“ hat als Kulisse eine Bühnendekoration, die wie angegossen zum Flakon passt.
Weisse und rote Streifen, dazu Pedros Garderobe - weiße Hose samt Hemd, rote Krawatte.
Und im Hintergrund tanzen Aerobics-Sportlerinnen.
Über die Ambiguität des Sängers scheiden sich bis heute die Geister.
Aber das dürfte ihm, einem nun respektablen Künstler toller Bilder, ziemlich schnuppe sein.
Und genau diese Haltung verlangt Lapidus pour Homme Sport von einem.
Bist du stark genug, es mit dem Blumen aufzunehmen?
Ich zumindest habe die Herausforderung gemeistert.
Sollen sich doch andere den Kopf über blumige Unschärfe zerbrechen!
Lange hat mich vorliegende geheime Formel des Jahres 2016 grübeln lassen.
Mein erster Kommentar im Forum galt diesem Dufträtsel.
Tja, gut Ding will Weile haben.
Zunächst möchte ich das Können jener Tüftlerseele loben.
Diese Zweideutigkeit des Duftes, die Ausweitung des Floralen, eine verkappte Ironie und das saubere Kodieren gewisser unreiner Gedanken bedarf schon einer geschulten Nase, welche leider nicht erwähnt wird.
Ich bitte daher der Groupe Bogart, den Schöpfer preiszugeben, welcher Applaus verdient.
In der Duftgeschichte gab es so manche Vertreter männlicher Blumen, die das Spielchen des „erhasche mich“ haarscharf an der Grenze des noch Tragbaren erkundeten.
Die Kunst besteht darin, stets selbstsicher, gefasst, nonchalant und spielerisch werbend diese Blüten wehen zu lassen.
Keine einfache Aufgabe, eine Geste zu viel und schon verpufft die Magie und bemitleidenswerter Pastiche sorgt dann für verdrehte Augen.
Der vorliegende Flakon evoziert die gestalterisch minimalistische Farbgestaltung der Zeitspanne 1980-1981, eine der spannendsten Weichenstellungen mutiger Aufbrüche der Popgeschichte.
Der Überdruss der Discozeit, das Verlangen nach Klarheit und der Durchbruch elektronischer Kühle spiegeln das Aufwachen nach einer übertriebenen Party analogen Ausmaßes wider.
Doch sollte dafür die hedonistische Feier nunmehr synthetischer und irgendwie fies eitel weiterlaufen.
Zum ersten Mal erlaubt Lapidus in das Innere des kultigen Flakons zu blicken.
1987 entworfen lässt man ihn nun etwa sieben Jahre rückwärts springen.
Wie ein Prequel zum Hauptfilm.
Farblos und glasklar der gerillte Korpus.
„Schließlich erweckst Du allein den Flaschengeist, mein Sportler. Keine falschen Tricks hier!“
Die Kanüle grundfarben-rot, so wie der Schriftzug, der Sprühkopf und die Rippen des sonst weißen Abschlusses.
Erinnerungen an enganliegende, gerade geschnittene Anzüge oder entsprechend puristische Sportbekleidung lassen hoffen, dass Zeitloses wieder Einzug hält.
Genial die Werbung.
Wieder der sportliche Rücken.
Nun aber eine Stange in den Händen, der Hochsprung über konventionelle Schranken.
Sonderbar der Lichteinfall und die Schattierung auf der Haut des Sportlers, sie geben die Grundessenz des Duftes wieder: kühl, vermeintlich hell mit schattigen Unklarheiten.
Na dann, auf die Plätze, fertig…
Zisch!
Ein Wachrütteln.
Hier ist nichts, wie es scheint!
Zwar täuschen Hesperiden und grüner Basilikum die übliche Apertura vor, der mächtige Rosmarin überdeckt augenblicklich die naiv mediterrane Frische.
Gleichzeitig schwingt schon schüchtern Florales mit.
Welche Sportart ist denn hier gemeint?
Sogleich betritt die so typische Lapidus-Orangenblüte die Bühne. Extrem hell und lichtdurchflutet.
Salzige Ambra, ein großes Lob hier, würzt genau richtig. Kein plattes Ruinieren des Duftes mit brachialer Chemie.
Eine ausgeklügelte Partie, um die geforderte Frische sportlicher Düfte zu verbreiten.
Und schon wieder weit gefehlt!
Etwa Don Juan im erotischen Hürdenparcours?
Ein blumiges Potpourri mischt nun kräftig mit.
Nicht gelisteter, burschikoser Jasmin, äußerst helle, fast schon gefrorene Rose, abwehrende Rosengeranie mit grünen Blättern.
Etwas dumpf der florale Anteil eines mysteriösen Moschus, welcher immer körperlicher wird nach Art der 1970er.
Die Blicke im Sportstudio lassen die Reaktionen erahnen.
Dem langanhaltenden Rosmarin und der 1980er Muskatnuss sei Dank, es sind wohlgesinnte und zustimmende Blicke.
Diese bräunliche Würze unterstreicht die grünliche Seite der Herznote und gleicht prima das Liebliche der Blumen aus.
Und nun tritt etwas Großartiges ein, die schattige Seite des hellen Bouquets.
Leise und flüchtig der Weihrauch, welcher nicht besser hätte dosiert werden können.
Somit wirkt die Basis zwar holzig und erdig, bleibt aber nebelartig und verleiht der blumigen Grundtendenz des Duftes den nötigen Halt, um nicht völlig in der Blumenvase stecken zu bleiben.
Ein schöner Labdanum liefert noch den ledrigen Schubser, ein kleiner Kick mit Augenzwinkern.
Aber alles in allem bleibt das Florale tonangebend.
Gegen Ende macht sich das leicht Salzige der Ambra bemerkbar, je weiter sich die Blüten verabschieden.
Zusammen mit dem Labdanum verlassen die beiden Komponenten die Umkleide des Sportstudios.
Die blumige Mosch-Visitenkarte wird ganz diskret in Erinnerung bleiben.
Wow, sportlich, so einen Duft als „Sport“ zu betiteln!
Bisher konnte ich mich nicht beklagen beim Tragen dieser Herausforderung.
Der Duft begleitet mich sehr lebensfroh und sympathisch.
Und hat mir sogar nette Kommentare verschafft.
Ich kann diese hell grünliche Flüssigkeit bestens außerhalb des Sports tragen.
Selten habe ich so einen legeren Duft mit Charakter in letzter Zeit genießen können.
Vom Grundton her erinnert mich der Duft an Nino Cerruti pour Homme Eau de Toilette, welcher auch mit einer nicht ganz eindeutigen Blümelei spielte, dazu noch die Unartigkeit meines hoch geschätzten Kouros Eau de Toilette .
Streuner mit Blumenstrauß auf lieb?
Genau für dieses Verwischen der Intentionen bin ich Lapidus stets dankbar, mal mehr, mal weniger je nach Kreation.
Und hier ist es mehr als gelungen.
Zum Schluss noch etwas Historisches.
Hatte ich zunächst das jähe Ende der Discozeit mit der poppigen Disco Demolition Night im Comiskey Park von Chicago am 12 Juli 1979 als Kind fassungslos im Fernsehen verfolgt, wurde ich nur ein Jahr später mit dem Gegenangriff aus Spanien beglückt.
Mir ging es nicht in den Kopf, dass erwachsene Menschen, welche im freisten Land der Welt eine dumpfe Verachtung gegenüber einer tanzbaren Musikrichtung hegten, die so viele Menschen jeglicher Couleur friedlich und freiwillig vereint hatte, sich eines so gruseligen Vernichtungsmittels bedienen mussten, um ihrem Groll einen Ausdruck zu verleihen.
Warum nicht einfach diese Schallplatten ignorieren und im Laden Staub fangen lassen?
Nein, hier musste etwas in Brand gesteckt werden, was an den Grundfesten ihrer Welt rüttelte.
Die Hits der analogen Disco-Richtung stürzten danach in den Charts in den Keller.
Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten…
1980 knallte ein noch junger Pedro Marín aus Barcelona mit seinem gleichnamigen Album dieser üblen Bande ein „bis hier und nicht weiter“ entgegen.
Disco wurde nun kühler, synthetischer, poppiger, bekam neue Bezeichnungen. Aber es blieb das, was es schon immer war, eine lockere Tanzrichtung für etliche. Nichts Hochtrabendes, eben konsumfertiger Spaß für ein paar Momente.
Wie das alles zum vorliegenden Duft passt?
Nun, das eine Video zum Lied „Aire“ hat als Kulisse eine Bühnendekoration, die wie angegossen zum Flakon passt.
Weisse und rote Streifen, dazu Pedros Garderobe - weiße Hose samt Hemd, rote Krawatte.
Und im Hintergrund tanzen Aerobics-Sportlerinnen.
Über die Ambiguität des Sängers scheiden sich bis heute die Geister.
Aber das dürfte ihm, einem nun respektablen Künstler toller Bilder, ziemlich schnuppe sein.
Und genau diese Haltung verlangt Lapidus pour Homme Sport von einem.
Bist du stark genug, es mit dem Blumen aufzunehmen?
Ich zumindest habe die Herausforderung gemeistert.
Sollen sich doch andere den Kopf über blumige Unschärfe zerbrechen!
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