Hier riecht es ja wie im dreistöckigen Freudenhaus….wie oft hörte ich diese Redewendung und stellte mir insgeheim die Frage, wie es denn dort riechen würde.
Das Leben hält viele Dinge parat, so kam ich dann mit Anfang zwanzig im Rahmen meiner Ausbildung in die Wohnung eines ganz normalen Wohnviertels.
Auf mein Klingeln öffnete mir eine außergewöhnlich hübsche Frau, die naturroten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und sie zeigte mir bei einem Lächeln ihre wunderschön weißen Zähne. Frisch gegurgelt mit Odol, das konnte ich wahrnehmen.
Sie führte mich durch die Wohnung, in der zu diesem Zeitpunkt einige Frauen waren; von blond bis brünett, von schlank bis üppig proportioniert.
Alle sehr nett, bodenständig und äußerst kommunikativ. Ich erfuhr, dass die meisten Männer gerne zu den eher etwas rundlicheren Damen wollten und dass gerade die als außergewöhnlich Erscheinenden weniger Geld verdienen, als Ottilie Normalo.
War für mich damals ein Widerspruch.
Bei einem Rundgang durch die Wohnung erfuhr ich, dass sie hier alle, bis auf eine, die für die Hygiene und Sauberkeit zuständig war, anschaffen würden, heute nennt man das wohl Sexarbeitende.
Vorbei an einer sehr funktionell eingerichteten Küche, zwei Zimmern, die Raum für Phantasie in Bezug auf sexuelle Vorlieben ließen. Ein Badezimmer mit zwei Duschkabinen und einer Badewanne. Das war etwas, was mir sehr imponierte, ich hatte zu der Zeit nur eine Dusche und ein WC.
An der Wand stand ein Ikearegal, 4x4 Fächer, am oberen Rand der einzelnen Fächer klebte Washitape mit den Namen wie Karolin, Mandy, Jenny, Lena, Cortney…also nix Chantal, Angelique, Vanessa, Gloria oder ähnliche dem Milieu zuzuordnende Vornamen, was einem bestimmte Fernsehsendungen Glauben machen möchten.
In jedem Fach dieses Regals standen Flakons, die in etwa der damaligen Bestenliste der bekannten Parfumerien entsprach.
Juliane, wohl die Älteste, trug als einzige der Damen einen Duft, der mir bekannt war, Privat Collection. Traumhaft schön an ihr, nicht verrucht, sondern edel und elegant.
Bei meiner Führung durch die Zimmer und durch die angeregten Gespräche mit den Damen stiegen mir noch andere Gerüche in die Nase.
Duftschwaden gerade lackierter Fingernägel waberten durch die Räumlichkeiten.
Frisch bezogene Betten, ein Lederpuschel, diverse Utensilien, die zwar diskret, aber für neugierig suchende Blicke dennoch zu sehen waren. Das sensationell saubere WC, die gefalteten Papierhandtücher im Spender an der Wand und auch die XXL Verpackung Kondome bildeten eine wahre Geruchsexplosion. Dazu der Duft frisch aufgebrühten Kaffees, der auf der Wärmplatte der Kaffeemaschine stand und der obligatorische Zigarettenrauch.
Es läutete das Telefon und die mit Gesundheitslatschen beschuhte Karolin flötete in den Hörer, sie erwarte ihn in einer halben Stunde. Flott die Schlappen in die Ecke hinter den Vorhang, nein, kein Leoprint, und rein in die Stöckelschuhe. Jogginghose aus, Stretchrock an, dazu ein knappes Oberteil. Drei Sprüher Sun von Jil Sander und mir wurde etwas mulmig.
Eine CD mit dem Boléro von Maurice Ravel wurde in den Spieler gesteckt und ich wurde angewiesen, in der Küche bei den anderen Frauen zu warten, habe ich gemacht.
Bei meinen unzähligen Besuchen dort, habe ich viel von den Damen gelernt; worauf es ankommt und nichts ist, wie es scheint. Meine Vorurteile in Bezug auf diese Tätigkeit habe ich größtenteils revidiert, einige wurden bekräftigt.
Manche Damen gehen mittlerweile ganz anderen Jobs nach, haben Kinder und/ oder sind zum Teil in gehobenen Stellungen tätig und nichts lässt vermuten, dass sie in ihrer Jugendzeit, aus welchen Beweggründen auch immer, ihr Geld mit Arbeit am Kunden verdient haben.
Dieser Duft verspricht etwas, was er überhaupt nicht halten kann.
Wer hier etwas Obszönes, Verruchtes oder gar eine Sexualstimulanz vermutet hat, liegt völlig falsch und könnte enttäuscht werden. Das einzig Provokante ist der Name. Wem das reicht, ist damit gut bedient. Nur bitte nicht aufsprühen. Was einem entgegen kommt, erinnert mich eher an den wieder hervorgebrachten, schon leicht anverdauten Speisebrei nach einer durchfeierten Nacht.
Warum man dieses Parfum nun Nuttendiesel genannt hat, bleibt mir schleierhaft. In meiner Tätigkeit bin ich vielen in der Sexarbeit tätigen Frauen begegnet, keine hat jemals so gerochen.
Vielleicht soll er nur Assoziationen wecken.
Dieses Duftes hätte es meines Erachtens nicht bedurft.
Klaus, ich danke Dir für diese olfaktorische Erfahrung.
Eine Bewertung von mir erfolgt nicht, da sich der Parfumeur bei der Kreation sicher etwas gedacht hat, was sich mir allerdings nicht erschließt.