Die Traumsequenz des Videos zu "My Pearls" ist unterlegt von Maria Callas' Stimme; sie singt "Casta Diva": d i e Arie aus Vincenzo Bellinis Oper "Norma".
Wir träumen uns zu diesem göttlichen Tönen durch hohe geschmackvolle Räume und Salons des Gran Teatro La Fenice, bis an den Rand der Bühne. Der Blick fällt von dort aus auf das rotsamtig bestuhlte Oval, abgeschlossen durch mehrere Reihen rot-goldenen Prunklogen - welch ein Blick!
Gänsehaut pur!
Der weiße Flacon der Glasbläser aus Murano ist ein stiller Begleiter, der immer wieder zum verwöhnenden Einsatz kommt; das raffinierte edle Nachtgewand unterstreicht das Gefühl des Schwebens.
Zu dieser duftende Hommage, gewidmet dem "Gran Teatro La Fenice" und "La Divina", wählte "The Merchant of Venice" den Luxus weißer Blüten.
Das tugendhafte Weiß - die keusche Göttin, die regelmäßig in ihrem Tempel betet und angebetet wird.
"Casta Diva", diese Arie gehört Maria Callas; nur sie hat diesen Glanz und diese leichte Schärfe in der Stimme; jeder Ton rauht mit dieser besondere Nuance die Haut auf, treibt Schauer der Ergriffenheit über den Körper.
Aber wie verträgt sich das?
"Casta Diva" die keusche Göttin: sollte sie nicht eher zart, rein und lieblich klingen?
Das kann "La Divina" nicht: Und - eine keusche, jungfäuliche Frau ist spröde, wenig schmiegsam; sie wird erst, wenn sie durch die Liebe diese keusche Hülle verliert, warm und leidenschaftlich: sie erblüht!
Auch Perlen müssen bei all ihrer Schönheit erst hautwarm werden, ehe sie ihren unvergleichlichen Lüster erreichen, der sie so einzigartig macht
Schauen wir einmal, wie sich dieses Zusammenspiel der Eindrücke auf dieser Duft-Theaterbühne darstellt, die wir einfach Haut nennen. ("Pelle", die italienische Entsprechung wäre zu prosaisch!)
Aber als erstes begegnen wir hier - und wir sind schließlich immer noch im Grand Teatro La Fenice - "La Traviata": Violetta, das Veilchen, das sich verirrt hat.
Aber es wirkt ganz munter und so linst es auch gleich unter gesenkten Wimpern nach dem geheimisvollen Aroma der Knospen der schwarzen Johannisbeeren, die hier ein interessanter Ersatz für schwarzen Pfeffer sind und deshalb auch von rosa Pfefferkörner begleitet werden.
Und schon beginn das Wechselspiel verschiedener Duftnoten, die das selbe Aromaziel erreichen. Warum schwarzen Pfeffer, wenn es Johannisbeerknospen auch tun?
Der Farbton des Rosa Pfeffers erinnert leicht an die Farbe das Nachtgewandes, das vor kurzem noch in der Traumsequenz über die Bühne schwebte.
(Ich gestehe: als noch nicht alles dem Gesetz der Schwerkraft und des Alters Folge leistete, liebte ich diese luxuriöse Gewänder, die den Schlaf zelebrierten. - Tempi passati!)
Eine gewürzte "Violetta" eröffnet also diesen Duft, der so gar nicht vom rechten Wege abkommt.
Ein gewaltiges Bouquet weißer Blüten wird jetzt überreicht; zum Großteil wohl die wunderschönen Duftlilien, die Blütenblätter weit zurückgebogen, so dass die leise vibrierenden Staubgefäße zusätzlichen Reiz erzeugen und so ihren Duft in reichen Schwaden verschwenderisch verströmen.
Entfernt wird auch ein synthetisches Maiglöckchen gesichtet: es stört nicht sehr.
Aber meinen Gefühl nach mischt sich hier in die weiße Blumenblütenpracht noch etwas anderes:
Ich verspüre einen Hauch Gewürznelke, eine Prise schwarzen Pfeffer und sogar einen Moment lang die kräftige krautige Schärfe von Basilikum. Nette erotische Küchenkräuter, die die Sinnlichkeit zum Leben erwecken.
So ist dieser Duftkreation für eine Göttin schon jetzt offensichtlich blumig, aber auch leicht würzig mit einem zartgrünen wässerigen Touch. (Und nicht mehr so ganz unschuldig!)
Diese perlweiße Blütenduftschönheit bekommt jetzt Süße: die Tonkabohne mit ihrem exotischem Aroma überpudert die bisherige Blütenpracht großzügig und verleiht ihr Romantik und perlmuttfarbenen Schmelz; den Schimmer der Verliebtheit!
Wie die Perlen auf der Haut, hat sich nun der Duft erwärmt und präsentiert seine irisierende Schönheit.
Ein weißes gleichmäßiges Perlenband bietet sich dar, ist aber immer noch ein bisschen zu farblos, zu brav.
Würziges Zedernholz bringt letztlich Tiefe, das Öl des Sandelholzes erotische Wärme und die beiden synthetischen Gesellen sollen wohl ihre Entsprechung in Moschus, Ambra und animalische Düften finden.
Das Ergebnis überrascht, der Duft verliert nicht.
Diese weißen Perlen umschließen mit reichem Lüster einen schlanken Frauenhals, der betörend und sinnlich duftet.
"My Pearls" erstrahlt erst einmal in jungfräulichem Glanz, schmiegt sich zärtlich und luxuriös an die Haut und bleibt auch einige Stunden dort, ohne sich erst einmal groß zu verändern.
Die wirkliche Veränderung dieses Duftes vollzieht sich ganz leise im Geheimen, während der Zeit des Tragens: jungfräuliche Keuschheit und Weiß werden abgelöst durch das Erwachen zärtlicher Liebe.
Und diese duftet nun mal, selbst in ihrer ersten Entdeckung, würzig und geheimnisvoll.
Diese sich entwickelte Sinnlichkeit trägt "My Pearls" zur Hochzeit des Duftes.
Für mich sind die meisten Düfte der Murano-Collection von "The Merchant of Venice" reines, unverdorbenes Entzücken.
Ich weiß, sie sind nicht spektakulär, haben sicher auch mehrere Geschwister im Duft.
Ihre Flacons sind Schmuckstücke, die ich am liebsten gar nicht loslassen möchte.
Die mir bekannten Düfte erweckten in mir Sehnsucht nach Licht und dem unwiderstehlichen Zauber der Lagunenstadt.
"Casta Diva - Keusche Göttin", diese Bellini-Arie erhöht "My Pearls".
Hoffen wir nur, dass dieser göttliche Duft nicht allzu schnell aus seinenm Traum erwachen muss.
Denn schließlich ist die "Keusche Göttin" Norma, Oberpriesterin der Druiden die Geliebte des römischen Statthalters Pollione und natürlich wird sie von ihm betrogen.
Sie, die ihm ihre so "göttlich" angesehene Keuschheit opferte, will Rache nehmen.
Es endet grausam: Liebestod auf dem Scheiterhaufen!
Wahnsinn, Ekstase und Schönheit des Belcanto total!
So sprühen wir zum Abschluss noch einmal "My Pearls", ehe wir uns vor "La Divina - Maria Callas" tief verbeugen.
Brava, bravissima und da capo: "Casta Diva"!
Da Capo "My Pearls"!