Nische vs. Designer
Nach längerer Pause mal was neues von mir. Dieses Mal mit einem Blog-Artikel. Ein Thema was mich schon lange beschäftigt. Fast so lange wie ich hier angemeldet bin. Nachdem ich dieses Jahr 10 Jahre Parfumo "gefeiert" habe und nun schon weit über 10 jahre Parfum-Erfahrung habe mit um die 1000 getesteten Düften aus allen Bereichen nehme ich mir mal dem Thema an. Mir geht es nicht darum, wer was favorisiert oder was generell besser ist sondern eher um dieses typische Schubladen-Denken, Vorurteilen, Bashing etc. Da hier auch viele Neue bzw. Laien mitlesen sollte man das Thema mal ansprechen. Ohnehin wird dieses Thema im Ticker, Statements, Kommentaren etc. öfter mal angeschnitten. Da ich mittlerweile komplett neutral bin was das Thema angeht gibt es einen Blog-Artikel von mir.
Kleiner Rückblick: Früher in meinen ersten Jahren in der Parfum-Welt war ich überzeugter Designer-Anhänger. Ich war absolut glücklich mit den Düften aus der Designer-Welt. Auch weil mir Nische in den jungen Jahren deutlich überteuert erschien, speziell bei dem Blick auf die UVPs. Zudem findet man in den früheren 20ern genug gutes was vom Konzept zusagt im Designer-Bereich. Vor 5-6 Jahren Jahren kam dann der erste Nischen-Duft. Lumière Noire Homme. Das Eis war gebrochen und es kamen langsam mehr Düfte aus diesem Segment dazu. Mittlerweile bin ich überzeugt dass die Mischung aus beidem mir besonders gut gefällt. Zum Teil ist Nische & Designer qualitativ auch sehr ähnlich und auch vom Duft-Typ. Natürlich muss man sagen: Sucht man etwas richtig extravagantes führt oft kein Weg an der Nische vorbei. Zum Teil tümmeln sich aber auch richtige Bretter in der Designer-Welt.
Auch wenn die meisten langjährigen Parfumos eher zur Nische wenden, springe ich zum Teil gerne für Designer in die Bresche welche oft kritischer bewertet werden als die Nischen-Kollegen. Zum Teil sind auch Sticheleien gegen den gesamten Designer-Markt zu lesen. Ich bin kein Fan von Vorurteilen und auch Schabladendenken wie diese Nischen-Designer-Diskussion ist ziemlich lästig. Bei vielen Düften ist das wirklich schwer zu kategorisieren. Ist dieser nun Nische oder Designer. Zum Teil wird die gleiche Marke unterschiedlich kategorisiert, da es bei manchen Marken ein teures Private Blend gibt wie bei Armani, Tom Ford und echt vielen anderen Designer-Marken. Ein ziemliches Wirwarr, auch bei Marken die nicht unbedingt für Mode bekannt sind. Manche Marken erhalten einfach mehr Anerkennung, nur weil sie sündhaft teuer sind bzw. zu erhöhten Preisen erhältlich sind, die ein "Otto-Normal-Verbraucher" nicht für ein Parfum bezahlen würde. Ich kann nur für mich sagen: Manchmal sagt mir ein Parfum zu das 10Euro/100ml kostet und dazu stehe ich auch noch jahrelanger Testerei.
Designer: Oftmals werden hier generell Designer in einen Topf geschmissen. Unter den Marken gibt es natürlich größere Unterschiede. Marken wie Paco Rabanne oder JPG kann man wirklich schwer vergleichen mit Marken wie Chanel, Dior, Prada oder Bottega Veneta. Auch wenn viele von Designern abspringen, für jeden ist etwas dabei: Klassische/Vintage-Düfte, verspielte Düfte, seriöse Düfte, Duschgeldüfte, Tagesdüfte... man wird fündig wenn man jedem Test eine faire Chance gibt. Unter den Designern liest man oft das (Vor-)Urteil, sie seien langweilig, lieblos, synthetisch. Zum Teil stimmt es wirklich. Oftmals verliert man auch den Überblick mit den vielen Flankern und viele Flanker sind wirklich nicht notwendig. Manchmal ist weniger mehr, dennoch findet man genug tolle Düfte die auf ganzer Linie überzeugen. Auf viele kann ich nicht mehr verzichten und viele trage ich öfter. Es gibt durchaus Düfte im Designer-Bereich, für die ich deutlich mehr zahlen würde. Speziell im Maßstab zu den Nischenpreisen. Zu vielen Nischendüften gibt es eine tolle preiswertere Alternative im Designer-Bereich. Der große Nachteil von Designern ist aus meiner Sicht dass diese oft eingestellt werden und einfach durch schlechte neue Releases ersetzt werden. Leider. Sogar Releases auf Bestseller-Niveau wie z.B. bei Mugler & Gaultier. Manchmal werden ältere Releases auch schlecht reformuliert. Würde es alle Düfte noch geben die es jemals gab wären Designer deutlich lukrativer. Dennoch ist das Angebot sehr gut. Viele Parfumeure aus der Nischenwelt machen auch Designer-Produkte, welche auch mit etwas kleinerem Budget tolle Meisterwerke zaubern können.
Nische: Ähnlich wie bei Designern kann man nicht alle Nischendüfte in einen Pott schmeißen. Bei vielen die sich nicht mit Nische beschäftigt haben haben das Vorurteil Nische kostet immer ein Vermögen. Dies stimmt so nicht. Es gibt auch Nischen-Marken welche günstiger sind als Designer, speziell mit Rabatt-Code. Marken wie Etat Libre D'Orange, Mancera, Montale etc. sind sehr erschwinglich. Auch viele richtig hochpreisige Düfte kann man zum Teil für -50% des UVPs kaufen, wenn man im richtigen Moment zuschlägt und schnell genug ist. Dieses ist für mich eine tolle Sache, da die meisten Nischendüfte oftmals teurer und edler riechen. Aber dieses ist wenig verwunderlich, da wenn man mehr Geld in die Hand nimmt oftmals bessere Ware bekommt. Nicht nur in der Parfum-Branche. Natürlich gibt es nach oben hin kaum Grenzen, wie z.B. Roja, Xerjoff oder einige Terenzis. Ob diese Marken immer den geforderten Preis wert sind muss jeder für sich entscheiden. Wohl schon, da es nicht nur um den Duft geht sondern auch ein Statussymbol des Luxus ist. Viele richtig teure Düfte sind schon ein Dufterlebnis, aber für mich auch eher für ein dekadenten Lebensstil.
Das Schöne an der Nische ist dass sie oft zeitlos ist und eher weniger einem Trend nachgehen. So hat man zumindest den Eindruck. Zudem bekommt man häufig Unisex-Düfte mit Stil, die nicht zu klischeehaft agieren. Ein Großteil der Düfte ist auch über mehrere Lebensabschnitte hinaus tragbar, da die viele einfach auch in dieser Sache sehr zeitlos und stilvoll sind. Oftmals sind Nische und Designer aber auch gar nicht so weit auseinander. Nische ist nicht immer extravagant. Manchmal bekommt man auch "Designer-Ware" (Wenn auch mit gehobener Qualität). Zum Teil ergaben meine Tests aber auch krass überteuerte und langweilige Düfte. Viele Düfte der Nischenwelt empfand ich auch als künstlerisch toll, als Parfum aber nicht mein Geschmack und schwer einsetzbar. Aufgrund des hohen Preises sollte man natürlich kritischer sein einen Flakon zu holen als bei Low-Budget-Düften. Bei den Preisen sollte es schon stimmen mit der Qualität, der Performance und ausreichenden Tragemöglichkeiten.
Diverse: Nicht jeden Duft kann man in diese typische Designer-Nisch-Schublade stecken. Es gibt "Drogerie-Düfte", welche man für einen sehr kleinen Preis bekommt. Auch "Celebrity-Düfte" trifft man öfter in der Drogerie und bekommt man auch meist für einen kleinen Preis. Zudem gibt es viele Marken wie Armaf, Al Haramain, Swiss Arabian, Rasasi etc. die man in gar keinen Topf schmeißen kann. Könnte man fast zur Nische zählen, aufgrund des niedrigen Preises zählen die wohl nicht dazu. Ich mag sehr gerne Düfte, die es fast ausschließlich im Internet gibt und nicht zu teuer sind. Auch unter den Low-Budget-Düften um die 20 Euro gibt es richtig tolle Düfte. Hinzu kommen noch Auto-Marken, Jeremy's Fragrance One und und und.
Preis: Der Aufpreis der Nische ist oftmals gerechtfertigt. Viele Nischen-Produkte haben dennoch kein gutes Preis-Leistungsverhältnis da der Preis zu teuer ist. Nischenprodukte haben oftmals natürlichere Duftnoten, wobei wenn man gut sucht diese auch in günstigen Rubriken findet. Zudem muss man sagen: Ist teuer riechen gleich gut riechen? Für mich nicht. Düfte leben von Emotionen und einer einprägsamen DNA die einfach im Kopf bleibt und überzeugt. Was noch zu dem höheren Nischenpreisen dazukommt: Oftmals teureres Packaging & Flakons, Marke als Statussymbol und natürlich die Exklusivität. Massenprodukte & weltweite Bestseller sind in der Produktion natürlich deutlich billiger als limitierte kleinere Produktionen in der Nische. Speziell mit Rabattcode finde ich Nischenprodukte aber in Ordnung vom Preis, da man schon oft viel Qualität bekommt. Aber nische ist auch nicht automatisch ein "Qualitätssiegel". Auch Leute mit kleinem Geldbeutel finden tolle hochwertige Artikel. Nicht jede(r) will viel Geld für Parfum ausgeben bzw. hat das Geld dafür über. Auch sich durch die Nischendüfte zu testen ist nicht billig, wenn man sich kleine Proben bestellt.
Flakon/Packaging: Natürlich muss man sagen dass zwischen diesen beiden oft Welten liegen. Designer ist viel Trash dabei, Nische ist natürlich das non-Plus-ultra was das angeht. Einen in Händen zu halten kann schon mal für Glücksgefühle sorgen in Kombi mit einem traumhaften Duft. Natürlich auch hier wieder das Statussymbol, aber das Auge isst halt mit. Dekadentes Packaging ist eher nicht mein Ding, da ich diese eher nicht brauche. Natürlich sind diese Verpackungen und Flakons auch im Preis einkalkuliert. Mir sind Flakons nicht so wichtig, auch wenn sie in einer Sammlung sich wirklich gut machen.
Performance: Im Vergleich würde ich mal sagen: Unentschieden. Bei natürlicheren Duftstoffen ist es deutlich schwerer viel rauszuholen. Synthetik verbessert dies meist deutlich. Bei Nische wurde ich schon oft enttäuscht, auch bei wirklich hochpreisigen Marken. Wenn man viel Geld in die Hand nimmt sollte man eine gute Performance erwarten. Nicht nur die Haltbarkeit. Düfte die schnell hautnah werden sind keine Düfte für die ich viel Geld ausgeben würde, egal wie schön sie sind.
Komplimente: Wer Düfte hauptsächlich für Komplimente trägt braucht definitiv nicht in die Nische gehen. Auch wenn es in der Nische viele Granaten in der Sache gibt: Designer sind die sicheren Compliment-Getter. Viele Nischen-Düfte sind zwar speziell, aber sie funktionieren bei vielen nicht. Auch wenn man in die Top100-Listen hier schaut tümmeln sich viele Designer, zurecht. Mega-Extravagante Düfte haben zwar hohen Wiedererkennungswert und Charakter, sind aber auch riskant. Meine Erfahrungen sind ausgeglichen. Bei manchen kommt halt ein Invictus besser an als ein wirklich künstlerischer Duft. That's Life. Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Auch in der Nische gibt es richtige Crowdpleaser, ohne komplett aus der Reihe zu tanzen. Oft gibt es auch gutgemachte Duftzwillinge oder Düfte die eine ähnliche Duft-DNA haben zu deutlich kleineren Preisen. Manchmal liegt der Unterschied im Detail, welches für Laien nicht leicht zu finden ist.
Gesamt: Ich kann Düfte aller Preisklassen empfehlen. Meine Lieblingsdüfte finde ich in beiden Bereichen. Ich bin eh kein Typ der Düfte in Schubladen steckt. Auch in anderen Bereichen des Lebens ist solch ein Denken nicht mein Ding. Dennoch kann ich aus Erfahrung vielen testens sagen: Nische ist etwas tolles. Speziell bei Leuten die Duft als Hobby haben und viel testen und neues kennenlernen wollen: Künstlerisch wird oft viel geboten und man bekommt viele Düfte mit Charakter. Häufig bekommt man in der Nische hohe Qualität.
Designer=Mainstream? Häufig zu lesen hier dass Designer automatisch als Mainstream bezeichnet werden. Klingt oft etwas abwertend und negativ. Sind Designer Mainstream? Für mich nur zum Teil. Woran will man Mainstream festmachen? Am Preis? An der gefälligen Duft-DNA? An der Verfügbarkeit in Kaufhäusern und berühmten Duftketten? Am Bekanntheitsgrad? All das trifft nicht immer auf Designer zu. Es gibt viele Designer die mutig und kreativ sind. Zudem hat der Bekanntheitsgrad von Nischen-Düften speziell durch Social Media extrem zugenommen. Leute wie Jeremy haben marken wie Creed, MFK, Parfums de Marly ordentlich gepusht und nicht nur Insider kennen nun diese Marken. Speziell in den letzten Jahren haben die Nischendüfte ordentlich Popularität gewonnen. Auch viele Läden haben nun eine Nischenabteilung, speziell online.
Dennoch ist es für viele nicht so toll, wenn sich jeder den Duft zu einem erschwinglichen Preis kaufen kann. Zudem hat Mainstream halt sein "Mitläufer-Image" durch die Massenware. Die typischen Besteller haben definitiv wenig Invidualität, ansonsten gibt es auch coolen kreativen Stuff der nicht unbedingt ins typische Mainstream-Bild passt. Es gibt auch Designer die echt schwer zu bekommen sind.
Einsteiger-Duft? Ich weiteres Wort was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Natürlich kann man sich unter dem Wort eine grobe Richtung vorstellen. Ein gefälliger Duft der leicht zu tragen ist und wenig aneckt. Muss man als "Profi" etwas richtig teures, herausforderndes und extravagantes tragen? Finde ich nicht. Ich habe zwar viel kreatives Zeug gefunden, aber nur weil man sich lange mit Duft beschäftigt muss man nicht zwingend auffallen wie ein bunter Elefant. Man sollte das tragen was gefällt, glücklich macht und einigermaßen zum Typ passt. Manchmal hat man hier den Eindruck als wenn man als "Endgegner" bestimmte Düfte und Marken tragen sollte. Ich trage nur das womit ich mich wohlfühle.
In meinem Schluss-Absatz kann ich nur sagen: Man sollte Duft Duft sein lassen und nicht zu viel nachdenken. Man sollte Freude dran haben und das tragen womit man sich wohlfühlt. Es gibt etwas für jeden: Den Perfektionist, den Sparfuchs, den Extravaganten, den Crowdpleaser... Egal wie viel Budget man zur Verfügung hat: Man kann immer schöne Sachen finden. Zumal jeder schöne Duft ohne eine(n) charismatischen Träger(in) wertlos ist.
Bei diesem Blog ging es mir nicht um das was besser ist oder besser gefällt. Um Schubladen-Denken und zum Teil auch um Arroganz. Egal für welche Preisklasse man sich entscheidet: Man sollte den Duft mit Selbstbewusstsein tragen.
Eine tolle Mischung finde ich am schönsten. Speziell bei emotionalen besonderen Momenten sollte man nicht zu geizig sein und das kaufen was flasht.