
Es ist ein Wort der Warnung angebracht - Teil 4 - Die Flakons liegen auf der Strasse
Eine paar Lebensweisheiten, die mir meine Mutter mitgegeben hat, haben sich mir jahrelang nicht erschlossen und manche tun es auch bis heute nicht vollständig. So etwa "Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters", "Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde" oder "Das Geld liegt auf der Strasse". Manche wildfremden Menschen lassen sich nicht sonderlich gerne unvermittelt tief in die Augen blicken, ich leide seit Jahren unter einer Tierhaarallergie und Geld habe ich bislang auch nur einzeln in meist sehr kleinen Münzen gefunden. Dies meine bisherigen Erfahrungen dazu.
Nun ist es aber auch so, dass ich neben meinem Job als Buchhalter auch eine mehr als undankbare Tätigkeit im Gebäudemanagement innehabe. Dummerweise ist am anderen Ende des Firmengeländes unser nicht eingezäunte Parkplatz, daneben eine Grossbaustelle eines Surfparks. Entweder parken übers Wochenende auf dem Parkplatz Trucker, die hier mittelgrosse BBQs veranstalten oder die Dorfjugend hinterlässt hier auf der Suche nach einem ruhigen Ort für ein Schäferstündchen neben zerschellten Bierkrügen, zerquetschten Energy-Drink-Dosen und hastig ausgezogenen Büstenhalter auch mal benutzte Kondome oder eine abgerissene Heckstossstange. Nicht, dass ich das alles wegräumen würde, aber ich schaue mir das Elend gerne mal an, bevor der Hausmeister jeden Montagmorgen mit einem grossen Müllsack anrücken darf. Oder aber ich staune nicht schlecht, wenn hier von jetzt auf gleich ein Zehnachskran aufgebaut wird und sperrige Trümmer auf die Baustelle gehievt werden.
Neulich wandere ich also unbedarft im Morgengrauen über den Parkplatz, ein Feldhase schreckt auf, die Amseln zanken mit ein paar Spatzen, ein Eichhörnchen knabbert an einer ausgelegten Walnuss. Ein A380 der Lufthansa im finalen Landeanflug macht mächtig Getöse. Doch es riecht nicht nach Kerosin, sondern eher blumig, fruchtig, künstlich. Als Parfumo denke ich natürlich an eine olfaktorische Fata Morgana, also gehe ich dem Geruch nach. Hier ein paar LKW, da ein paar Bäume und Sträucher, dort ein paar Müllcontainer. Und dann blitzt da auf einem leeren Stellplatz ein Lichteffekt, eine kleine Glasflasche glitzert in der Morgensonne. Liegt doch da allen Ernstes auf unserem Parkplatz ein Flakon.

Daher dieser fruchtig-blumige Geruch, dabei ist der Flakon noch komplett intakt. Wo kommt der denn her? Ist der einer Kollegin aus der Handtasche gefallen, hat den ein Mädel nach der Restauration nach wildem Parkplatzsex verloren? Will man das immer so genau wissen? Doch dann sehe ich ein paar Meter weiter auf dem Nachbarparkplatz zwei grosse grüne Müllcontainer, beide weit offen. Und da riecht es richtig wild raus. Nicht nach Müll und Verwesung, sondern chemisch, kosmetisch, parfumiert. Daneben liegen noch ein paar eingerissene Pappkartons, Lieferscheine und Retourenzettel.
Zwei Grundstücke weiter hat eine Günstig-Kosmetik-Firma ihren Firmensitz und in der Lagerhalle nebenan werden scheinbar die Retouren bearbeitet, die Päckchen geöffnet, die beigelegte Ware mit den Retourenscheinen verglichen, die Erstattungen gebucht und die retournierten Waren grösstenteils noch foliert und in OVP in die Tonne gekloppt. Ein Teil davon hat seinen Weg auf unseren Parkplatz gefunden.
Nun, mit diesem gefundenen Damenduft konnte ich nicht wirklich was anfangen. Also linse ich mal vorsichtig in den Müllcontainer. Tonnenweise Kosmetika, Haarbürsten, Handtücher, elektrische Massagegeräte, Badebekleidung und dem Geruch nach wohl auch einige Parfums, obwohl ich die aus der Entfernung nicht wahrnehmen kann. Scheinbar werden hier alle Retouren direkt und ohne Selektion entsorgt. Mir fällt da ein Zeitungsartikel ein, dass amazon einen Grossteil ihrer Retouren ohne Durchsicht vernichten würde. Also scheinbar kein Einzelfall im Versandgeschäft.

Ich bin nicht der Typ, der jetzt das Containern anfangen möchte, dazu fehlt mir neben der spritzigen Sportlichkeit auch ein stückweit die Gelenkigkeit. Statt dessen besitze ich hin und wieder noch ein Rest an Scham und Selbstwertgefühl. Obwohl, wenn da die Mülleimer von Douglas oder ALzD stünden, würde ich es mir vielleicht nochmal überlegen.
Das Geld liegt vielleicht nicht auf der Strasse, aber hin und wieder wohl scheinbar doch ein Flakon. Watch your steps ...
Zweiter Gedanke: Wenn jemals im Müll baden, dann in solchem.
Dritter Gedanke: Wie entlarvend.
Vierter Gedanke: Eigentlich ein alter Hut in unserer postmodernen Konsumwelt.
Fünfter Gedanke: Könnte samt sogenannter Rückläufer auch eine Lagerräumung sein.
Sechster Gedanke: ... (den habe ich gleich wieder vergessen, aber hatte mit dem lässig drapierten BH zu tun.)
Siebter Gedanke: Und anderswo stehen sie nach Pflegeartikeln Schlange – besonders an der einzigen geöffneten Kasse, wenn ich auch gerade davor stehe.
Nun genug der Gedanken. 🤯 Aber der Artikel lädt schon dazu ein. 👍
*scnr*
Was würde wohl passieren, wenn ein paar Parfumos sich da etliche Flakons holen würden? Wäre das dann Diebstahl?
Also, Augen auf, lieber Chnokfir - manchmal liegt "es" wirklich auf der Straße. Ist wohl jemanden auf seiner Wühltour verloren gegangen. Da fällt mir noch ein: Morgenstund hat Gold im Mund.