Sex, Duft und Rock’n Roll

Mark Buxton im Gespräch mit Ronin und Louce

Nur einen halben Tag in Paris, nachdem Mark Buxton von der Esxence in Mailand zurückgekommen ist, trifft er uns in seinen Arbeitsräumen im 16. Arrondissement. Unsere erste Frage ist natürlich: Wie war die Messe?

„Sieht man das nicht?“

Doch, man sieht es. Ein wenig verknittert schaut er aus. Trotzdem bestens gelaunt und nach wenig Schlaf immer noch voll erstaunlicher Energie erzählt er uns vom Messebetrieb. Und den allabendlichen Afterparties, die offenbar dazu gehören.

Mark Buxton wirkt entspannt, sehr lässig. Ein Mix aus erwachsenem Vollprofi und jugendlich-coolem Rebell, was ziemlich gut zu seinen Düften, seiner Marke und seiner Position als Freelance-Parfumeur passt, wie wir finden. Er trägt einen weißen Kittel („Die Leute auf der Straße halten mich immer für einen Arzt und grüßen mich mit ‚Monsieur le Docteur.’“). In seinem Büro sind einige Blotter und Fläschchen, nebenan im Labor steht alles voller Duftölflaschen in Regalen. Hier sitzt er also und denkt sich Parfumformeln aus.

Wenn wir versuchen, seinen Stil, seine Art zu komponieren zu beschreiben, kommen wir immer dabei an, dass da so etwas wie bejahende Freude zu riechen ist. Nicht verbissen-ernstes intellektuelles Tüfteln, sondern eher Fröhlichkeit, egal wie profund es aus professioneller Perspektive sein mag. Deshalb stellen wir uns vor, dass er ganz viel lächelt und lacht, während er Parfums kreiert.

Er schaut kurz ertappt, dann schmunzelt er geschmeichelt.

„Ja. Stimmt. Gut gerochen.“

Und wie läuft das dann real ab? Unabhängig vom Kompositionsstil, wie sehen die konkreten Arbeitsschritte aus?

„Ich habe eine Idee und schreibe die Rezeptur auf. Wenn ich glaube, dass es passt, mische ich sie aus. Dann checke ich die Probe, verändere manchmal noch was, und als nächstes geht sie an den Kunden. Meistens schicke ich zwei, aber oft reicht ein einziger Entwurf. Es ist schon vorgekommen, dass der Kunde das Dilemma hatte, sich nicht zwischen zweien entscheiden zu können.“

Mark Buxton

Um so autonom und flott, gewissermaßen freihändig arbeiten zu können, ist es wichtig, mit einer guten Duftstofffirma assoziiert zu sein. Sie muss ihm alles, was er für seine Kreationen braucht, besorgen können. Zum einen die begehrten, wirklich guten Öle, zum anderen auch ausreichende Mengen davon und stabile Qualität.

„Bei mir ist das PCW, Perfume Cosmetic World. Der Betrieb wurde gegründet von Francis Camail. Ein großer Parfumeur, alter Grassois. Seit acht Jahren gehört PCW Patrice Blaizot, der seit 30 Jahren im Business ist, viel mit Chemicals und gleichermaßen Naturstoffen gemacht hat und sehr gute Connections hat. Er ist mein Mann. Patrice kann mir alles besorgen. Jetzt gerade wieder Red Champaca. Tolles Zeug! Hammer! Da arbeitet kaum noch jemand mit, weil man nicht rankommt.“

Er freut sich: „Und ich hab’s wieder!“

Ein gewichtiger Unterschied ist auch die Zeit. „Wenn man mit so einer kleinen Firma arbeitet, können die nicht nur so etwas Hervorragendes beschaffen, es geht auch noch schnell, viel schneller als bei den großen Firmen. In 24 Stunden habe ich Sachen in meinem Codebook und kann sofort damit arbeiten … nicht erst in sechs Monaten.“

Viel zu riechen



Die Unabhängigkeit, die er als freier Parfumeur hat, ist für ihn ein entscheidender Vorteil. „Freiheit bei den Duftstoffen und bei den Kosten – das macht mir natürlich viel mehr Spaß. Ich kann, wenn ich will, in eine Formel 5 oder 10 Prozent Jasmin Sambac reinpacken.

Das geht nicht, wenn Du in der Industrie eine Kostenvorgabe hast. Das ist teilweise so wenig … hehe, da kann man höchstens in die Flasche reinpinkeln, um es zu erfüllen.“

Bei allem Genuss der Vorzüge, die seine Arbeit heute bestimmen, schätzt Mark Buxton immer noch seine Zeit beim großen Konzern. Die Ausbildung bei Symrise und die lange Arbeit dort sind handwerklich ein stabiles Fundament. Mark Buxtons Kreativität, sein Arbeitsstil, seine Möglichkeiten gründen auf Erlerntem und Geübtem. Der geschulte Parfumeur ärgert sich über den willkürlichen Gebrauch des Titels „Parfumeur“:

„Heute nennen sich alle Parfumeur. Alle. Der und der und die und die … alle sind sie Parfumeure. Das sind Leute, die mal im Vorbeigehen an was gerochen haben und sich irgendwie für Parfum interessieren – wahrscheinlich nur, wie man damit Kohle machen kann. Vielleicht war mal jemand für ein Semester bei einer Parfumeursschule eingeschrieben, und zack, schon ist er Parfumeur. Aber das muss man richtig lernen, um es zu können. Das ist nicht nur ein fantasievoller Selbstentwurf. Es ist ein Beruf, ein Handwerk.“

Er ist den langen Weg gegangen: Erst seit wenigen Jahren arbeitet er kompromisslos in kreativer Selbständigkeit.

„Ich bin vor 4 Jahren weg von Symrise. Man muss ja irgendwann auch mal raus.“

Sein Freund Geza Schön wagte den Absprung früher, während für ihn die Lebensplanung mit Frau und Familie den Schritt ins Freelancing erst später möglich machte.

„Meine Frau ist übrigens auch Parfumeurin, Karoline Buxton. Sie ist immer noch bei Symrise, spezialisiert auf Personal Care, also Shampoo, Duschgel und so weiter. Die Namen dort sind natürlich nicht so bekannt. Wenn etwas in der Presse zu lesen ist, dann immer von der Prestigeseite, vom Parfum. Für die anderen interessiert man sich nicht, obwohl die sicher mehr können als wir, handwerklich gesehen. Man muss auf vieles Rücksicht nehmen, es gibt lauter Regeln, Überdeckungen, pH-Werte, spätere Verfärbungen … das muss uns von der alkoholischen Seite nicht so interessieren.“ Er grinst. „Und die Ausrede „Kunst“ gilt da nicht.“

„Die DNA von Comme des Garçons kommt von mir.“


Wir meinen, nur sehr wenige können das Kunstargument (ob als Ausrede oder als Messlatte) so gut beanspruchen wie er heute. Schon bereits als Symrise-Mitarbeiter hat er einen Maßstab gesetzt mit der Profilierung der Parfumlinie von Comme des Garçons.

Was denkt er, wenn er zurück schaut auf die Comme des Garçons-Arbeit?

„Da war ein roter Faden darin. Meine Handschrift. Die DNA von Comme des Garçons kommt von mir. Und die Linie war gut. Erst die Eins und das Cologne, dann die Zwei, White, Zwei Man und die Drei (Comme des Garçons Eau de Parfum“, „Eau de Cologne, Comme des Garçons 2, White, Comme des Garçons 2 Man, Comme 3“, Anmerk. des Autorenteams). Danach kamen die Serien, gegen die ich mich zuerst wehrte. Das wollte ich gar nicht machen. Wenn Ihr mich fragt, haben die sich total verfranst. Über 30 Parfums heute und jede Menge Flanker und Extras - zu viel und ohne Linie.“

Welches war sein bestes Parfum für Comme des Garçons?

„Die Drei, ein ziemlicher Hammer, weil 1,5 % pures Rosenoxid enthalten sind. Von der Serie ist das meiner Meinung nach das kreativste Parfum. Rock’n Roll. Sehr Mark Buxton. Der Duft ist leider ziemlich untergegangen. In dem Jahr wurde viel zu viel auf einmal lanciert.“

War das inflationäre Lancieren der Grund für die Trennung von Haus und Parfumeur?

„Ich habe keine Ahnung, warum wir uns trennten. Nach acht Jahren Zusammenarbeit wechselten sie von heute auf morgen von Symrise zu Givaudan und das war’s, ohne ein Wort. Wenn sie gesagt hätten, sie wollen die Linie weiter bewegen und dafür eben auch andere Handschriften darin, … OK, why not? Aber so? Das war ja auch persönlich, es war eine intensive gemeinsame Zeit. Eigentlich enttäuschend ... aber ich bin nicht der zurückblickende oder gar nachtragende Typ. Heute geht es bei mir um anderes.“

Hinter jedem Parfum gibt es eine Geschichte

Yep, reden wir über heute. Was macht er heute?

„Ein Teil meiner Arbeit ist natürlich meine Linie, ein weiterer sind meine Kunden. Ich arbeite nur noch für die Nische. Zum Beispiel für Rainer (Rainer Diersche von Linari, Anmerk. des Autorenteams) oder House of Sillage. Es sind viele verschiedene von überall her, teilweise auch ganz kleine Firmen. Seit kurzem arbeite ich noch für die englische EFF, European Flavours and Fragrances, ein Familienbetrieb in der Nähe von London. Sie wollen ihre Präsenz auf dem arabischen Markt ausbauen. Jetzt ist es meine Aufgabe, das als Parfumeur zu gestalten, also dort für die lokalen Marken zu arbeiten. Der Markt des Mittleren Ostens ist spannend – eine eigene Tradition mit vielem, was es hier nicht gibt, dabei aber eine hohe Aufmerksamkeit für Europäisches. Für die Mark Buxton-Linie ist der Mittlere Osten übrigens der beste Absatzmarkt.“

Hätten wir jetzt nicht gedacht, weil seine Marke so gar nicht orientalisch daher kommt und weil es darin kein Oud gibt.

„Nische läuft dort gut. Salopp könnte man sagen: die kaufen alles, sobald es aus Europa, am besten aus Frankreich, kommt und Nische ist. Auch wenn man nicht den zwanzigsten Oud-, Rose-Oud oder Sonstwas-Oud-Duft hat.“

Oud ist nicht sein Ding.

„Die Riechstofffirmen haben uns Parfumeuren Oud vor etwa 15 Jahren präsentiert und zuerst hat niemand damit etwas anfangen können. Alle meinten, das geht ja gar nicht, das stinkt ja, da kann man nicht mit arbeiten. Als dann die ersten Oud-Parfums rauskamen, fand ich das ganz interessant. Einige liefen im Mittleren Osten sehr gut und damit ging der Trend los. Es kamen immer mehr Oudsachen raus – und jetzt hat jede Prestigemarke ihre Ouds, ob Versace oder Yves Saint Laurent. Alle schwimmen mit. Damit kann man eben Geld machen. Bei mir, in meiner Serie, werdet Ihr nie Oud finden.“

Kreiert er für die eigene Linie gar nicht mit Blick auf Markt und Trends?

„Nein. Meine Serie ist eine ganz persönliche Sache. Die Düfte von mir kommen aus meinem Scrapbook, meinem Repertoire … aus meinem Leben. Hinter jedem Parfum gibt es eine Geschichte. Und das ist kein PR-Blödsinn. Es sind individuelle Momente und Situationen. Die versuche ich, in eine Flasche reinzupacken, sie olfaktorisch festzuhalten.“

Wie naheliegend: Ein Parfum als Message in a Bottle


Wie ist das bei dem zuletzt lancierten Message in a Bottle?

„Ich machte vor über 20 Jahren mit meiner damaligen Freundin Urlaub auf einer Malediven-Insel. Die war so klein, dass nur zwölf Leute drauf waren. Da kann man nicht wirklich viel machen auf so einer Insel: schnorcheln, schwimmen, essen, trinken und Liebe machen. Und dann noch mehr schnorcheln, schwimmen, essen, trinken und Liebe machen. Und dann noch mehr. Ich lag also in der Lagune, fühlte mich wunderbar und gleichzeitig ein wenig gestrandet, wie Robinson Crusoe. Der Himmel war blau, das Wasser türkis und alles sehr warm und dann kam mir die Idee: Eine Flaschenpost mit diesem Inselgefühl … ein Parfum! Und die Materialien waren alle schon da: das Buffet war überreichlich dekoriert mit Blumen. Und diese Blumen, Magnolie und Orangenblüte, verwendete ich, dazu Jasmin Sambac. Danach kommt eine salzige Holznote und später wird es ganz warm, wie warmer Sand, erotisch … weil es gehört auch ein bisschen Sex mit rein.“

Mit Magnolie arbeitet er eh gerne, oder? In Comme des Garçons 2 hat Magnolie eine sehr wichtige Position genau in der Mitte und auch in Devil in Disguise ist sie zentral.

„Den Geruch frischer Magnolienblüten liebe ich, aber das, was wir in der Parfumerie zur Verfügung haben, ist nicht genau dieser Eindruck, es ist verfälscht. Ich selbst arbeite oft mit Magnolan. Ich mag gern diese Noten wie Magnolie, Rhabarber, Basilikum oder Cassis, mit so einem ganz leichten Hint von Marihuana.“

Sein Devil in Disguise, mit massig Rhabarber und Magnolie passt da ja voll rein. Ein wenig verwirrend finden wir den Namen: Der Elvis-Song dreht sich um eine Frau, die engelhaft wirkt, aber dahinter ein eigentlicher Teufel ist. Nun finden wir, dass es bei seinem Parfum gerade umgekehrt ist: Zuerst gibt es einen höllischen Schock und erst danach entpuppt sich das Himmlische.

„Das mit den Songtiteln ist nicht 1:1 zu nehmen, denn um diese Lieder geht es ja nicht. Die sind nur griffige Namensformeln, die wieder aufnehmen, was mich zur Kreation bewegt hat. Bei „Devil in Disguise“ war der Inspirationsmoment, als ich einmal Rom saß, wartend in einem Cafe auf der Terrasse. Mir kam plötzlich ein Duft in die Nase. Ein Chypre, aber den kannte ich nicht, obwohl ich viele Chypres kenne und erkenne. Ich wurde ganz nervös und wollte unbedingt wissen, was da duftet. Es war wahrscheinlich auch gar kein Parfum, sondern irgendein Gemisch von Gerüchen, quasi ein natürlicher Zufallschypre. Alles, was da war, getragenes Parfum mit Sonne, Zitrone, Straße und im Kopf war da bei mir eine unsichtbare italienische Sexbombe. Eine verborgene junge Sophia Loren im Hintergrund, von der ich nur durch diesen Duft eine Ahnung bekomme. Eine ganz wunderbare, deutliche und charakteristische, aber eben nur in Nase und Kopf. Das war die Situation und daher dieser Name.“

Für Chypre muss man einfach der Typ sein.

Wir sind beide keine Chypre-Fans, weil diese Dauerirritation, die wir in seiner Geschichte sehr passend wieder finden, eher schwierig zu tragen ist. Chypre ist verlockend und verheißungsvoll, aber dabei gleichzeitig immer etwas eckig, ein wenig nervös machend und ständig kitzelnd, meinen wir. Ein Versprechen, aber ohne die Erfüllung.

„Für Chypre muss man einfach der Typ sein. Auch bei allen einzelnen typischen Chyprenoten ist es eine Typfrage, finde ich. Spätestens sobald in der Basis Patchouli aufschlägt. Chypre ist Chypre und „Devil in Disguise ist einer. Aber wiederum meiner: Es ist Leichtigkeit drin. Das fliegt so richtig!“

Auch bei Sexual Healing gibt es ein ganz konkretes, autobiographisches Gefühl, das Mark Buxton inspirierte, allerdings diesmal eines, das wohl ziemlich jede und jeder kennt: die Empfindung dabei, sich aneinander zu kuscheln nach dem Sex und zusammen einzuschlafen. „Absolute Nähe von Körpern, wie eine zweite Haut, komplett eins sein. Da habe ich sehr viel Moschus genommen, Muscenon, Muscon, Castoreum, Zibet … leicht animalisch. Aber nur leicht. Das ist kein dirty sex, das ist beautiful sex. Welcher mit Osmanthus.“

Auch zur Komposition von Emotional Rescue kam es aus einem ganz persönlichen Motiv:

„Meine eigene Lieblingsnote, mein Favoritenstoff ist Vetiver. Ich bin Vetiverträger. Vor 30 Jahren fing ich an mit Guerlains Vetiver. Dann hat Guerlain das Parfum geändert. Die haben damals behauptet, nur Flasche und Verpackung seien modernisiert worden, der Duft sei gleich geblieben. Stimmt aber nicht. Brauchen die mir nicht erzählen. Dann habe ich „Vettiveru gemacht für Comme des Garçons. Bis heute einer der besten Vetiver auf dem Markt, wie ich finde, mit einer Riesendosis Muscenon. Den habe ich als Signaturduft getragen. Letztes Jahr hat mich ein Freund gefragt, warum ich als Vetiver-Fan eigentlich keinen Vetiverduft in meiner Kollektion hätte.“ Mark Buxton lacht. „Da ist es mir dann auch aufgefallen. Ich habe mich also hingesetzt und einen gemacht. Und zwar so, wie ein Vetiver für mich ideal ist. Mit Rhabarber und Neroli und anderen Noten, die die leichte und helle Facette aufnehmen. Vetiver hat diese dunkle, die Kartoffelkellerseite und gleichzeitig eine helle, grapefruitmäßige, strahlende Seite. Die habe ich versucht hochzuziehen und zu betonen, den ganzen Duft zu heben. Seitdem trage ich jeden Tag Emotional Rescue“. Ich könnte drin baden!“

Kann man als Parfumeur bei der Arbeit selbst ein Parfum tragen? Und dann auch noch exzessiv? Das nimmt man doch dauernd bei sich selbst wahr.

„Klar geht das. „Emotional Rescue“ nehme ich nur noch kurz wirklich wahr. Adaption gibt es natürlich auch für mich. Ich rieche den nur noch in den allerersten Minuten morgens oder wenn ich mal zwischendurch einen schönen Moment brauche und konzentriert an der eigenen Haut inhaliere. Meine Umwelt aber riecht den ständig sehr stark an mir.“

In seiner neuen Linie sind auch zwei Parfums aus der ersten Mark Buxton-Reihe. Er erzählt uns, wie es zur alten Linie und dieser Überschneidung kam. Als er für Symrise eine Russlandreise machte, um dort Kunden zu besuchen, traf er Leute von United Europe, die unter anderem auch Distribution für Comme des Garçons machten und daher seine Arbeit kannten. Er hatte ein paar eigene, freie Kreationen dabei und stellte sie vor. Kurz darauf fragte man, ob er nicht Lust hätte, eine Serie unter eigenem Namen zu machen. „Zuerst lief das sehr gut an. Allerdings hatte ich nichts davon, keine Prozente und nix. Ich hatte meine Formeln und meinen Namen dafür gegeben, aber war nicht am Verdienst beteiligt. Da dachte ich seinerzeit gar nicht dran - froh, mich künstlerisch austoben zu können und eine Serie mit meinem Namen zu haben.“

Er schmunzelt über seine Naivität von damals.

„Als später der Zuständige weg ging, kümmerte man sich nicht mehr richtig darum und die Marke ging langsam unter. Als ich meinerseits weg ging von Symrise, habe ich als allererstes meinen Namen zurück gekauft.“

Wie schön, wenn man sich wieder zurück kaufen kann, nachdem man sich verkauft hatte.

„Ja! Zum Glück waren die ziemlich fair und das ging. Für die neue Linie fragte ich beim Vertrieb nach: Welche Parfums von der alten liefen gut? Und alle sagten, ganz klar: „Wood and Absinth und „Black Angel sind die Renner. Die zwei habe ich übernommen und sie laufen auch jetzt noch gut. „Wood and Absinth verkauft sich am besten, obwohl er meiner Meinung nach der einfachste der Serie ist.“

Mit Freiheit fängt die Kreativität an

Die neuen Parfums seiner Marke findet er „eine Stufe spannender“; sie sind Produkte seiner heutigen, selbst geschaffenen Arbeitssituation:

„Künstlerisch arbeiten, das ist „meins“. Ganz frei, ganz unbeschränkt. Keine Rücksicht auf irgendwas außerhalb, außer natürlich IFRA-Vorgaben. Sonst keine. Nicht auf Mode oder Trend.“

An so was wie Trends glaubt er sowieso nicht.

„Das, was als nächstes gut laufen wird, ist nicht vorher zu berechnen. Es ist oft Zufall. Einer lanciert einen neuen Duft, der ein Riesenerfolg wird. Alle anderen ziehen dann mit. Wie die Welle mit Calone … diese Mode mit Wässrigem, grün, klar und kalt … das geht ja gar nicht, meiner Meinung nach. Das hatten wir dann jahrelang, alle wollten ein Stück vom Kuchen. Oder zum Beispiel Chypre. Das war weg und plötzlich kommt es wieder, nachdem „For Her“ von Narciso Rodriguez so ein Bestseller war. Aber das muss mich nicht mehr interessieren. Was der nächste große Trend wird, kann mir beim Parfumschaffen egal sein.“

Gilt diese Unabhängigkeit von Mode und Trends auch für seine Auftragsarbeiten?

„Ja, weil ich nur noch für die Nische arbeite. Die, die mit mir arbeiten wollen, wollen ja genau das: keine einfachen Sachen, die in engen Grenzen und mit Rücksicht auf die gerade aktuelle Mode entstehen. Ich sage immer: Abstrakt bleiben beim Briefing! Dann geht das nicht zu früh in eine bestimmte Richtung. Der Duft wird einfach besser, wenn ich mit größtmöglicher Freiheit arbeiten kann. Mit Freiheit fängt die Kreativität an.“

Ist die größtmögliche Freiheit nicht auch gleichzeitig ein Fehlen von Ansporn? Ein gemeinsames Entwickeln von Ideen mit einem selbstbewussten Gegenüber bringt doch auch Herausforderung und die tut der Kreation gut.

„Ein Duft für Kunden muss natürlich auch im Dialog entstehen, klar. Aber das gehört ins Briefing. Wenn das gut gelaufen ist, kann ich die konkrete Umsetzung machen ohne viele Versuche zu brauchen. Generell. Der Briefingaustausch und danach das gemeinsame Weiterdenken und Ausfeilen können durchaus auch zeitlich und persönlich intensiv passieren. Wenn die Leute Erfahrung haben und ihre Marken ein gutes Standing, dann geht das. Mit Rainer beispielsweise arbeite ich sehr nah.“

In Sachen „Viele Versuche“ erzählt er uns von der Entstehung von La Vie est Belle:

„Ratet mal, wie vieler Versuche es bedurft hat, bis die Rezeptur von „La Vie est Belle“ fertig war?“ Wir tippen auf 3 bzw. 30 Versuche in Anbetracht dessen, was er uns vorher über sein eigenes Vorgehen erzählt hat.

„3428 Versuche. War in der Presse nachzulesen. Da ist Lancôme offenbar stolz drauf. Und, es reichte nicht ein Parfumeur, ganze fünf mussten ran. Letztendlich, was kam heraus? Eine 90 %ige Kopie von Flowerbomb.“

Mark Buxton muss solche Arbeitsverhältnisse und –ergebnisse nicht mehr befürchten.

„Ich bin in der großartigen Lage, mir Kunden auszusuchen, mit denen ich wirklich arbeiten will. Auch kleinere, nicht so finanzkräftige Projekte sind mal möglich, weil ich die Aufgabe attraktiv finde, weil mir die Firma sympathisch ist oder einfach, weil ich hinter etwas stehe und es gut finde, da meinen Namen mit drin zu haben. Elternhaus unter anderem oder Friendly Fur. Oder Folie à Plusieurs.“

Als wir beide großäugig unser Nichtkennen von Folie à Plusieurs offenbaren, ist Mark Buxton not amused.

„Das muss man doch kennen! Das ist große Klasse, was die da in Berlin machen.“

Er erklärt uns, was es damit auf sich hat.

„Die machen „Duft-Cinema“. Sie suchen sich Kultfilme aus, wie zum Beispiel The Virgin Suicides von Sofia Coppola, und ich kreiere dann zu Schlüsselszenen aus dem Film analog Duft, also olfaktorische Impressionen zum Film. Und das kann man dann nicht nur als Parfum kaufen … man kann auch in deren Kinos den Film sehen und dabei wird das Parfum parallel zu den wichtigen Szenen, vielleicht alle 15 bis 20 Minuten, im Saal diffundiert, so dass das sinnlich live zusammenkommt. Genial! Der nächste Filmduft, der rauskommt, wird Blowup sein. Ziemlich schriller Film. Und der Duft wird auch ziemlich schrill sein.“

Louce schielt beim Reden immer mehr auf das Päckchen Zigaretten, das auf Mark Buxtons Schreibtisch liegt, dann fragt sie danach. Ja, er raucht. Wir vermuten, dass das nur hin und wieder mal seltene Genusszigaretten sein können, immerhin ist er doch Parfumeur.

„Nö, Quatsch. Ich rauche gern. Sex, Drugs and Rock’n Roll … warum soll das für Parfumeure nicht gelten?“ Ja, aber die Beeinträchtigung dadurch? „Das wird überschätzt. Zwischendurch war ich mal zwei Jahre Nichtraucher, da habe ich keinen Unterschied bei der Arbeit gemerkt.“

Coole Akkorde

Hochdosierter Vetiver an der eigenen Haut und dazu Zigarettenqualm. Das scheint Mark Buxton nicht im Wege zu stehen beim professionellen Riechen und deshalb gibt es auch gleich eine Zigarettenpause für ihn und Louce vor dem Haus.

Dort fragen wir ihn nach seiner Meinung über andere Parfumeurinnen und Parfumeure. Wer ist seiner Ansicht nach richtig gut?

„Jean-Claude Ellena, ganz klar. Er ist ein ganz großer.“

Seine Mimik zeigt, dass es aber mehr kollegiale Hochachtung als Sympathie ist.

„Annick Ménardo hatte mal einen genialen Lauf. Jetzt kam aber lange nichts mehr. Die raucht übrigens auch; Kette. Jacques Cavallier mag ich auch gerne, der ist es jetzt bei LVMH. Oliver Cresp ist auch ein großer, „Light Blue,Noa“, „Angelund ein genialer Akkord in „Black XS“.

Wir blicken ihn entsetzt an. „Black XS“?!? Der ist doch schrecklich.

„Tragen würde ich das Zeug auch nicht. Aber der Akkord ist genial! Ich sehe es halt aus parfumistischer Perspektive. Vom Akkord her betrachtet ist es gekonnt, ist es was Neues. Und er hat schon einige wirklich coole Akkorde gemacht.“

Seine Augen beginnen zu leuchten und wir sehen tief empfundene Bewunderung, als er sagt:

„Und natürlich Michel Almairac. Michel Almairac ist DER große Jazzer! Der absolute Jazzer der Parfumerie. Originell, perfekt, kurze Formeln.“

Sind kurze Formeln ein Qualitätsmerkmal?

„Nur, wer keine Fehler macht, hat kurze Formeln. Lange Formeln mit vielen Inhaltsstoffen deuten darauf hin, dass Fehler gemacht wurden und gegengesteuert werden musste.“

Was ist der beste Duft?

„Das geilste Parfum überhaupt ist Shiseidos Féminité du Bois. Der Akkord ist so was von genial abgestimmt, die ganzen Rohstoffe stimmen, sehr viel Natur drin, viel Rose, Zeder, Kardamom, Zimt, Zibet, das ist alles extrem sexy. Und beim Tragen ist es so schön! Die Strahlung und Haftung! Féminité pure.“

Und die neue„Féminité du Bois“-Version von Serge Lutens?

„Die kenne ich gar nicht.“

Was ist der beste Mark-Buxton-Duft?

„Das ausgefallenste Parfum ist sicher „Comme 3. Das beste? Weiß nicht.Collection Extraordinaire - Cologne Noire hat mir sehr gut gefallen. Ich finde, das ist ein sehr schöner Akkord. Natürlich finde ich ziemlich viele Düfte von mir gut - logisch, ich stehe ja hinter meinen Sachen. Meine ganze Serie ist cool. „Dreckig bleiben“ ist cool.

Wir kommen in wunderbares Plaudern über Duft, Parfumerie und das Business und müssen uns immer häufiger entscheiden, das Tonbandgerät auszulassen, denn nicht alles ist Stoff für einen Interviewartikel.

Beim Essen: Infos, Spaß... und Austausch tiefer Erkenntnisse über Wein *g*


Wir beschließen, essen zu gehen und dabei bleibt das Gerät fast die ganze Zeit ausgeschaltet.

Einiges aber ist trotzdem noch Material:

Aus unserem Interview mit Geza Schön wissen wir, dass die beiden zusammen mit Bertrand Duchaufour an einer neuen Duftserie arbeiten, die schon längst veröffentlicht sein sollte.

„Ja, das kommt jetzt bald. Eigentlich wollten wir den Launch bereits im letzten Jahr schon, aber es dauert ein wenig länger. Geza trödelt. Die anderen zwei Parfums sind fertig.“

Kreiert jeder seine Düfte für sich oder sind es Kollaborationen?

„Wir riechen zwischendurch mal an den Proben der anderen und tauschen uns aus, aber im Prinzip macht jeder seinen Duft für sich. Bertrand hatte zwischendurch so eine komische Fruchtnote, aber er ist zum Glück selbst drauf gekommen, sie weg zu lassen.“

Und was gibt es Neues in seiner Kollektion? Da Mark Buxton Perfumes so erfolgreich ist; wird er mehr Parfums produzieren, als die zu Beginn angesagten acht (bislang sind sieben erschienen)?

„Nein. Genau wie angekündigt: Es bleibt eine Reihe von acht. Mit dem kommenden Duft wird die Serie abgeschlossen sein.“

Und dann?

„Dann wird es eine neue geben. Ich weiß bereits ziemlich genau, was ich will.“

Gibt es schon einen Namen? Und wenn – den verrät er uns aber bestimmt nicht. Das wäre ja was für Parfumo, als erste, ganz exklusiv den Namen der kommenden neuen Mark Buxton-Linie veröffentlichen zu können.

„Och. Warum eigentlich nicht? Sie wird God save perfume! heißen.“

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