Precious
Precious’ Blog
vor 10 Jahren - 25.05.2014
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Die Unbeschreiblichkeit der Düfte

Vor langer Zeit, als ich Düfte nur für mich selber testete und es noch keine Internet-Foren gab, war ich mir mit Düften und schönen Gerüchen vollkommen sicher. Ich traute meiner Nase und meiner Einschätzung absolut. Das musste ich auch: Das Internet gab es ja noch nicht, deshalb gab es keinerlei Anhaltspunkte zu einem Duft (es sei denn, die Werbetexter hatten vollmundige, verführerische Worte gefunden), so musste ich mich völlig auf meine eigene, subjektive Wahrnehmung verlassen können. Das tat ich in jungen Jahren auch sehr selbstsicher und unbeirrt. Heute beim Lesen so vieler Kommentare, die zum Teil gegensätzlicher nicht ausfallen könnten, fühle ich mich gelegentlich verunsichert in meiner Duftwahrnehmung. So viele Meinungen zu einem Duft. Der eine liebt ihn, der andere hasst ihn. Jeder riecht etwas anderes, so scheint es mir. Das verwirrt mich inzwischen und ich hinterfrage meine Nase nun häufiger, was ich ohne alle diese Informationen nie tat. Es freut und beruhigt mich geradezu, wenn ich Duftkommentaren zustimmen kann und denke: "Genau, so nehme ich diesen Duft auch wahr."

In den 80er Jahren brachte Douglas zur Vorweihnachtszeit einen wunderschönen, dicken Katalog heraus. Den erhielt man kostenlos. Für einen Duftliebhaber wie mich war dieser Katalog eine große Freude. Hochglanzpapier, großformatig, wunderschön fotografierte Flakons und traumhaft verführerische Texte zu den jeweiligen Parfums. An diesem Katalog konnte ich mich gar nicht satt sehen. Ich las auf diesen herrlichen Seiten alles über jedes neue Parfum und ergötzte mich an den tollen Duftbeschreibungen u. spektakulären Flakonfotos. Jedes Jahr wartete ich auf diesen Katalog und wenn ich ihn dann endlich in den Händen hielt, freute ich mich wie ein Kind. Jedes Jahr wurde dieser Katalog anders aufgemacht, und ich war immer gespannt, wie der neue wohl aussehen mag. Über die Jahre sammelten sich eine Menge Douglas-Kataloge an und ich hütete sie wie etwas ganz Kostbares.

Die reizvollen Worte über die einzelnen Düfte las ich so aufmerksam, als seien sie Gedichte. Sie machten mir solch eine Neugier auf einen Duft und ich schrieb Listen, welche Parfums ich unbedingt testen wollte. Diese Kataloge waren wertvolle Unterlagen und halfen mir, mich im Parfum-Dschungel immer besser auszukennen. So schnüffelte ich mich viele Jahre meines Lebens durch die Welt und nur, wenn ich an jedem für mich interessanten Fläschchen gerochen hatte, war ich zufrieden. In den 80er Jahren glaubte ich, fast jeden Duft zu kennen, jedenfalls jeden halbwegs bekannten Duft. Der Parfummarkt war noch recht übersichtlich und es gab nicht eine solche Flut von Parfums.

1990 schenkte mir mein Mann den großartigen Haarmann & Reimer Duftatlas, von dessen Existenz ich davor gar nichts wusste. Er war für mich eine solche Überraschung und eine große Freude. In ihm waren alle berühmten Düfte aufgeführt, die Flakons abgebildet und man erfuhr, zu welcher Duftfamilie ein bestimmtes Parfum gehörte. Auch las sich die Duftpyramide spannend wie ein Krimi. Ich las in diesem attraktiven, großen Buch mit großer Wissbegier u. hatte viele unterhaltsame Stunden mit ihm verbracht. Ganz besonders half es mir, die Düfte die ich kannte, den richtigen Duftfamilien zuzuordnen u. ich war hoch erfreut, wenn mir das ganz wunderbar gelang. Manchmal waren sich auch die Macher dieses Buches uneinig, in welche Familie ein Duft einzuordnen war u. gelegentlich konnte ich der Duftfamilie nicht zustimmen, die Haarmann & Reimer für einen Duft entschieden hatte. Aber Haarmann & Reimer maßten sich nicht an, dass ihre Meinung die einzig richtige sei.

Bald erkannte ich meine Duftvorlieben und mein Wunsch bestand darin, alle orientalischen Düfte, die dort abgebildet waren, kennen zu lernen. Ohne Internet war es nicht so leicht, an einen exotischen Duft zu gelangen. TABU, ein Duft den heute jede Parfuma zumindest vom Namen her kennt, war damals völlig unbekannt. Es war abenteuerlich, an diesen betörenden Duft zu gelangen. Man musste Menschen kennen, die bereit waren solche außergewöhnlichen Düfte von Urlaubs- oder Geschäftsreisen mitzubringen. Manchmal mussten auch sie lange danach suchen. In Duty Free Shops war Tabu nicht zu finden. Viel zu abfällig guckte man auf diesen "unbekannten" Duft mit seinem zwilichtigen Namen. Als mir ein Kollege von einer Spanienreise mein erstes Tabu-Fläschchen mitbrachte und es mir in die Hand drückte, freute ich mich riesig. Tabu war damals ganz preiswert und ich verriet es nie, wenn ich nach dem Namen meines schönen Parfums gefragt wurde. Der Duft bedeutete mir sehr viel und ich wollte ihn ganz für mich allein.

Heute bei Parfumo ist das anders, ich teile meine Dufterfahrungen mit anderen Duftliebhabern liebend gern und erhalte auch ganz wundervolle Dufttipps u. auch Pröbchen. Es ist sehr schön in einer solch freundlichen Gemeinschaft über Düfte zu schreiben und sich auszutauschen. Hier habe ich keine Duftgeheimnisse. Ganz im Gegenteil, ich freue mich, meine Erfahrungen mitzuteilen. Es herrscht auf diesem Forum ein großzügiges Geben und Nehmen, das ich sehr zu schätzen weiß.

Schon seit Jahren lese ich im Netz sehr viele Kommentare über Düfte. Unzählige Meinungen zu einem einzelnen Parfum habe ich mir durchgelesen und so gern ich diese amüsanten u. gefühlvollen Texte lese, um so mehr irritieren mich manchmal die unterschiedlichen Meinungen. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass keine zwei Nasen einen Duft auf dieselbe Art und Weise wahrnehmen. Jede Nase riecht Gerüche anders und jedes Gehirn "wertet" die Duftwahrnehmungen anders. Es ist alles relativ. Kommentare können nur ein Anhaltspunkt sein.

Wie will man einem Menschen, der z.B. Coca Cola nicht kennt, erklären wie sie schmeckt? Wie erklärt man, wie ein Wein oder eine Birne schmeckt? Es können immer nur Erklärungsversuche bleiben. Unsere Worte reichen einfach nicht aus, um einen Duft oder ein Gefühl exakt zu beschreiben. Spricht ein Mensch von Rosenduft, so haben alle Lesenden eine unterschiedliche Rose im Kopf. Jede Rosensorte duftet anders. Ich stelle mehr und mehr fest, dass ein Duftkommentar sehr unterhaltsam sein und Neugier wecken kann, um den Duft auszuprobieren oder kaufen zu wollen. Und dennoch wird unser Dufterlebnis wieder ein ganz anderes sein, als das des Kommentarschreibers. Selbst wenn wir dem Kommentar zustimmen werden, besagt das noch lange nicht, dass wir wirklich denselben Eindruck vom Duft haben. Wie will man das denn "messen"? Wenn jemand sagt: Heute ist ein schöner Tag. Dann versteht unter "schön" auch jeder etwas anderes. Eben genau das, was er persönlich unter einem "schönen Tag" verstehen möchte.

Wenn ich schreibe, der Duft ist warm, schmusig, erotisch, delikat u. verführerisch, dann hört sich das recht nett an, aber keiner weiß Genaues. Jeder Lesende stellt sich etwas anderes vor. Und auch "erotisch" ist ein weiter Begriff. Ein leichter, kühler Frühlingsduft kann erotisch sein, wenn er von der richtigen Frau getragen wird. Und ein schwerer Orientale kann unerotisch wirken, wenn die Frau die ihn trägt, nicht gefällt. Es kommt überhaupt darauf an, WER einen Duft trägt. Ähnlich wie bei einem Kleidungsstück wirken auch Düfte an den Menschen sehr unterschiedlich. Unser Aussehen, unsere Kleidung, Frisur, Charme uvm tragen zum Gesamteindruck eines Duftes bei. Wir urteilen niemals objektiv über einen Duft, den ein Mensch trägt. Dazu sind wir viel zu abgelenkt und voreingenommen von der Gesamterscheinung u. der Stimmung, in der wir uns selbst gerade befinden. Halbwegs objektiv können wir einen Duft nur auf unserem Handrücken beurteilen. Aber auch da werden wir nicht frei sein von Flakon u. Image. Am neutralsten wäre ein einfacher Glaszerstäuber, der nicht verrät, um welchen Duft es sich handelt.

Trotzdem ist und bleibt es mir eine Freude, Kommentare zu lesen u. dadurch auf einen mir unbekannten Duft aufmerksam gemacht zu werden. Wundervolle Düfte, die uns zu Herzen gehen, betören und Glücksgefühle auslösen, sind einfach so unbeschreiblich wie die Musik, die wir lieben.

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