loewenherz
loewenherz’ Blog
vor 8 Jahren - 18.05.2017
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Der ultimative Guide zum Thema Parfum im Vorstellungsgespräch...

...ist das natürlich nicht. Wer immer einen solchen zu haben behauptet, erzählt Blödsinn. Aber weil das Thema 'Hilfe! Morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch. Welchen Duft aus meiner Sammlung würdet Ihr mir empfehlen?' hier ja immer mal wieder auftaucht und die/den jeweilige(n) FragestellerIn in dem Moment ja aufrichtig bewegt, möchte ich meine - ebenfalls immer wiederkehrenden - Gedanken dazu gerne mit Euch teilen - ganz ohne irgendeinen Anspruch auf deren universelle Anwendbarkeit oder gar Richtigkeit.

Ich bin kein Personaler, aber ich sitze ab und zu mal 'auf der anderen Tischseite'. Ich arbeite in einer hinsichtlich der Umgangsformen und ihres Dress Codes bzw. des erwarteten Outfits eher konservativen Branche in einer Großstadt und sitze i.d.R. (ambitionierten Jung-)AkademikerInnen gegenüber, die sich für Anzugjobs bewerben. In anderen Branchen mag die Antwort auf die Frage natürlich anders ausfallen, aber bei Anzug- bzw. KostümträgerInnen gibt es im Grunde nur zwei Antworten darauf - eine kurze und eine etwas längere.

Die kurze lautet: nimm einen Duft, mit dem Du dich wohl fühlst - und davon nicht zu viel. Oder gar keinen.

Das, was die meisten gerne hören wollen, wenn sie diese Frage stellen, ist aber wohl die längere Antwort - also los. Wenn Ihr Euch ohne Parfum unvollständig und nicht richtig angezogen fühlt, dann solltet Ihr eins tragen - denn sich im Interview einigermaßen wohl zu fühlen ist das Wichtigste für ein erfolgreiches Gespräch - aber in Maßen und auf keinen Fall frisch aufgetragen. Ich war vor einem Gespräch neulich noch kurz im Waschraum und habe den zu interviewenden Kandidaten zufällig schon dort getroffen. Er hatte offenbar geschwitzt (völlig okay, er hatte eine längere Anreise gehabt und das Gebäude dann auch nicht gleich gefunden) und wohl aus Sorge, er könnte vielleicht unangenehm riechen, noch mal frisch nachgelegt. Frischer Schweiß riecht nach gar nichts, aber ein ganz frisch aufgetragener Duft - also die sehr präsente Kopfnote, die man kaum ignorieren kann - ist noch riskanter als die sanfte Basisnote eines vor Stunden aufgetragenen. Es war natürlich auch noch ein typisch 'dynamisch erfolgreicher' Jungmannenduft - ich tippe auf "Bleu de Chanel (Eau de Toilette)". Jeder andere - "Terre d'Hermès (Eau de Toilette)" oder "Aventus (Eau de Parfum)" etwa - wäre aber ebenso schlimm gewesen - der Frische und damit einhergehenden (Über-)Präsenz wegen, gar nicht mal wegen des Duftes selbst. Bei Frauen bzw. Frauendüften gilt grundsätzlich genau dasselbe.

Die andere Person weiß, dass Ihr ein bisschen nervös seid - sie macht das nicht zum ersten Mal (und hat selber auch schon auf der anderen Tischseite gesessen) - das ist okay, oft viel sympathischer als allzu glatte Perfektion. Und wenn Ihr zum Interview eingeladen worden seid, bestehen an Eurer fachlichen Eignung zumindest keine grundsätzlichen Zweifel. Sicher werden die eine oder andere berufliche Station und/oder Fähigkeit noch einmal hinterfragt - aber es gibt keinen Grund, sich hinter einem vermeintlich erfolgreich duftenden Parfum verstecken zu wollen.

Der einzige Sinn eines Parfums im Vorstellungsgespräch sollte sein, dass Ihr euch selber wohl und gepflegt und souverän und 'gut angezogen' fühlt - Ihr tragt den Duft nur für Euch selbst. Tragt einen, der das bei euch auslöst. Wenn Ihr keinen solchen Duft habt, tragt lieber gar keinen. Die andere(n) Person(en) sollte(n) das Parfum nicht riechen. Niemand wird euch den Job anbieten, weil Ihr so toll gerochen habt. Aber nach einem Parfum zu riechen, das dem anderen möglicherweise - ganz subjektiv - missfällt, ist das Risiko einfach nicht wert.

Und jetzt: viel Glück!

Aktualisiert am 29.12.2023 - 15:56 Uhr
19 Antworten
Tawida5Tawida5 vor 7 Jahren
Vielen Dank für so einen tollen Ratgeber!
Hab alles mit großem Interesse gelesen und werde die Tipps befolgen! Ist wirklich sehr hilfreich:)
PowershotPowershot vor 8 Jahren
Dezent ist das Stichwort, gewaschene frische passende Klamotten haben schon genug Duft, besser als ungewaschen und alter Schweiß. Wenn der Duft im Raum das Einzige war, was (unangenehm) den Personalern in Erinnerung blieb, dann ist es schlecht gelaufen...
FlohFloh vor 8 Jahren
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Ganz toller Artikel. Sollte ich einmal eine neue Stelle suchen und ein Vorstellungsgespräch haben, ich werde den Text zuvor lesen. Nicht nur wegen der Parfümfrage, sondern auch, weil es so beruhigend wirkt was du schreibst bezügl. Ehrlichkeit, Nervosität, etc. beim Gespräch.
RoninRonin vor 8 Jahren
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Danke. Das ist auch genau meine Erfahrung. Ich merke mir den Blog mal und werde ihn in Zukunft immer in den entsprechenden Threads verlinken. ;-)
PassionezPassionez vor 8 Jahren
Kann ich alles gut nachvollziehen, ebenfalls auf beiden Seiten auch aus Erfahrung. Als Kandidatin allerdings und einfach als Mensch :-) muss ich dazusagen dass Duft für mich weit mehr als ein Accessoire ist. Da es zu meiner Persönlichkeit und Identität gehört, würde ich unvollständig sein ohne Duft. Allerdings gebe ich dir Recht, dass wenn man eher potente Düfte mag, sie möglichst dezent einsetzen sollte um sein Gegenüber nicht unangenehm zu berühren.
NochoiNochoi vor 8 Jahren
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Stimmt alles. Ich möchte auch noch zu denken geben, dass man ja im Voraus nicht weiss, wie groß, warm, belüftet und angefüllt mit Menschen der Raum sein wird. Schon deshalb ist auch die wirklich dezente Dosierung schwierig.
SabceSabce vor 8 Jahren
Das ist eine tolle Idee und ich würde gern noch was ergänzen.
In einer Arztpraxis las ich neulich den Aushang bzw. die Bitte, Patienten mögen auf Parfum verzichten, da der Arzt gegen vieles allergisch sei. Es geht um den Geschmack, das Risiko, einen negativ verknüpften Duft zu erwischen und wenn einer in der Runde einen Duftstoff nicht verträgt, hat man ebenfalls unnötige Minus Punkte. Mir ist auch schonmal von Angel übel geworden, obwohl die Trägerin selbst den als total dezent einstufte :-)
KleineHexeKleineHexe vor 8 Jahren
Ein guter Ratgeber! Jetzt warte ich noch auf den Blog "Wie halte ich meine Gesichtszüge unter Kontrolle, wenn der Bekleidungsstil beim Vorstellungsgespräch - ähm sagen wir mal - etwas ausgefallen ist?" Dieses Problem habe ich auf beiden Seiten des Tisches erlebt. Daraufhin kam ich nicht mehr dazu, über das verwendete Parfüm zu grübeln. ;-)
CouchlockCouchlock vor 8 Jahren
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für mich ist bleu de chanel ein duft für vorstellungsgespräche. also nicht für mich persönlich, aber der duft scheint mir aufgrund seiner beliebigkeit und unauffälligkeit, gepaart mit einer gewissen aber nicht zu ausgeprägten noblesse dafür kreiert worden zu sein.
natürlich kommt es auch auf den job an, für den man sich bewirbt....
klar: weniger ist mehr, im zweifelsfall gar kein parfum. dusche, deo, frische kleidung.
BeatriceABeatriceA vor 8 Jahren
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"... nach einem Parfum zu riechen, das dem anderen möglicherweise - ganz subjektiv - missfällt, ist das Risiko einfach nicht wert". Das sage ich die ganze Zeit. Habe aber den Eindruck, es fällt manchen wirklich schwer, mal auf den Duft zu verzichten.
FirstFirst vor 8 Jahren
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Meine Horrorvorstellungen sind: Bestimmte, offenbar sehr verbreitete Weichspüler und Nivea-Rasierzeugs...grauenvoll! Aber die Kommentare hier zum Blog nehmen den gleichen Verlauf wie in den verschiedenen Threads zum selben Thema, die sogar mir als relativem Neuling schon mehrfach untergekommen sind. Da gibt es offensichtlich ganz verschiedene Haltungen. Meine persönliche Haltung habe ich schon an mehreren Stellen in den Threads ausformuliert. Sie entspricht in etwa der im Blog vertretenen.
ClarabellaClarabella vor 8 Jahren
Ja, die Dosis macht das Gift.
Gillt auch für das Deo und f. d. Benutzung eines Weichspülers, was einem da so machmal entgegenschlägt, nach dem Motto: "Viel hilft viel!", ist schon penetrant.
TtfortwoTtfortwo vor 8 Jahren
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Antwort 3: Aber man kann das Risiko begrenzen. Durch die Wahl der Duftrichtung und durch die Dosis. Und - guter Punkt, Loewenherz - indem man den Duft so rechtzeitig aufträgt, dass er schon in in seiner körpernahen Mitte angekommen ist.
TtfortwoTtfortwo vor 8 Jahren
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Teil 2: Ich oszilliere zwischen Ärger über mich ("sei professionell, sei objektiv, lass Dich nicht von Äußerlichkeiten ablenken...") und das Gegenüber ("was bildet der/die sich eigentlich ein, mich in diese ambivalente Situation zu bringen!").

Keine gute Ausgangssituation. Für keinen der Beteiligten.

Dabei wäre es so einfach: Nicht zu riechen, nach nichts, ist mit einem guten Deo und frischer Kleidung so einfach. Und es hält immer die Türen offen. Parfum birgt immer ein Risiko.
TtfortwoTtfortwo vor 8 Jahren
Antwort, Teil 1Das kann ich bestätigen. Auch ich führe regelmäßig Gespräche auf der einstellenden Seite. Nun mag ich nun mal leider keine süßen und/oder stark ambrierten/vanillierten Düfte. Das ist so, ich kann es nicht ändern, ich selbst würde so einen Duft niemals tragen und ich fühle mich in der Gegenwart süßer Düften körperlich unwohl. Ein Gespräch mit einem solcherart duftenden Gegenüber erzeugt Streß bei mir. Wie soll ich ihm und meiner Verantwortung gerecht werden?
SaemmSaemm vor 8 Jahren
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Das hast du richtig gut vermittelt!!
Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die Zielgruppe dies auch liest!
TerraTerra vor 8 Jahren
Für mich gehört das allgemein zum sich "schön" machen dazu, einen Duft aufzulegen. Würde ich also einen Anzug anziehen, erst recht. Ich finde aber, dass du mit deinen Ratschlägen genau ins Schwarze getroffen hast. Eben so, wie man sich wohlfühlt, aber so, dass man die Gegenseite nicht damit penetriert.
LiLoZiLiLoZi vor 8 Jahren
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Bin mit der Situation eher selten konfrontiert (gewesen), aber meine Lebenserfahrung ;-) sagt mir, dass du genau den richtigen Ratschlag gegeben hast. Hitzig-schwitzig in einer Wolke von was auch immer auflaufen ist keine gute Idee.
TownsendTownsend vor 8 Jahren
Ich werde zwar nie ein Vorstellungsgespräch haben, finde aber schön, dass du das hier mal zusammen gefasst hast!

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