Der ultimative Guide zum Thema Parfum im Vorstellungsgespräch...
...ist das natürlich nicht. Wer immer einen solchen zu haben behauptet, erzählt Blödsinn. Aber weil das Thema 'Hilfe! Morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch. Welchen Duft aus meiner Sammlung würdet Ihr mir empfehlen?' hier ja immer mal wieder auftaucht und die/den jeweilige(n) FragestellerIn in dem Moment ja aufrichtig bewegt, möchte ich meine - ebenfalls immer wiederkehrenden - Gedanken dazu gerne mit Euch teilen - ganz ohne irgendeinen Anspruch auf deren universelle Anwendbarkeit oder gar Richtigkeit.
Ich bin kein Personaler, aber ich sitze ab und zu mal 'auf der anderen Tischseite'. Ich arbeite in einer hinsichtlich der Umgangsformen und ihres Dress Codes bzw. des erwarteten Outfits eher konservativen Branche in einer Großstadt und sitze i.d.R. (ambitionierten Jung-)AkademikerInnen gegenüber, die sich für Anzugjobs bewerben. In anderen Branchen mag die Antwort auf die Frage natürlich anders ausfallen, aber bei Anzug- bzw. KostümträgerInnen gibt es im Grunde nur zwei Antworten darauf - eine kurze und eine etwas längere.
Die kurze lautet: nimm einen Duft, mit dem Du dich wohl fühlst - und davon nicht zu viel. Oder gar keinen.
Das, was die meisten gerne hören wollen, wenn sie diese Frage stellen, ist aber wohl die längere Antwort - also los. Wenn Ihr Euch ohne Parfum unvollständig und nicht richtig angezogen fühlt, dann solltet Ihr eins tragen - denn sich im Interview einigermaßen wohl zu fühlen ist das Wichtigste für ein erfolgreiches Gespräch - aber in Maßen und auf keinen Fall frisch aufgetragen. Ich war vor einem Gespräch neulich noch kurz im Waschraum und habe den zu interviewenden Kandidaten zufällig schon dort getroffen. Er hatte offenbar geschwitzt (völlig okay, er hatte eine längere Anreise gehabt und das Gebäude dann auch nicht gleich gefunden) und wohl aus Sorge, er könnte vielleicht unangenehm riechen, noch mal frisch nachgelegt. Frischer Schweiß riecht nach gar nichts, aber ein ganz frisch aufgetragener Duft - also die sehr präsente Kopfnote, die man kaum ignorieren kann - ist noch riskanter als die sanfte Basisnote eines vor Stunden aufgetragenen. Es war natürlich auch noch ein typisch 'dynamisch erfolgreicher' Jungmannenduft - ich tippe auf "Bleu de Chanel (Eau de Toilette)". Jeder andere - "Terre d'Hermès (Eau de Toilette)" oder "Aventus (Eau de Parfum)" etwa - wäre aber ebenso schlimm gewesen - der Frische und damit einhergehenden (Über-)Präsenz wegen, gar nicht mal wegen des Duftes selbst. Bei Frauen bzw. Frauendüften gilt grundsätzlich genau dasselbe.
Die andere Person weiß, dass Ihr ein bisschen nervös seid - sie macht das nicht zum ersten Mal (und hat selber auch schon auf der anderen Tischseite gesessen) - das ist okay, oft viel sympathischer als allzu glatte Perfektion. Und wenn Ihr zum Interview eingeladen worden seid, bestehen an Eurer fachlichen Eignung zumindest keine grundsätzlichen Zweifel. Sicher werden die eine oder andere berufliche Station und/oder Fähigkeit noch einmal hinterfragt - aber es gibt keinen Grund, sich hinter einem vermeintlich erfolgreich duftenden Parfum verstecken zu wollen.
Der einzige Sinn eines Parfums im Vorstellungsgespräch sollte sein, dass Ihr euch selber wohl und gepflegt und souverän und 'gut angezogen' fühlt - Ihr tragt den Duft nur für Euch selbst. Tragt einen, der das bei euch auslöst. Wenn Ihr keinen solchen Duft habt, tragt lieber gar keinen. Die andere(n) Person(en) sollte(n) das Parfum nicht riechen. Niemand wird euch den Job anbieten, weil Ihr so toll gerochen habt. Aber nach einem Parfum zu riechen, das dem anderen möglicherweise - ganz subjektiv - missfällt, ist das Risiko einfach nicht wert.
Und jetzt: viel Glück!