17.06.2020 - 17:58 Uhr

FvSpee
323 Rezensionen

FvSpee
Top Rezension
34
Colonia statt Corona, No. 20 und Schluss: Köln, Lissabon, Tokio
Toreros, Musik und Kastanien,
Gitarren und Gesang im Mondenschein.
Und Spanien und immer nur Spanien.
Ja Kinder, fällt euch denn nichts bess'res ein?
Toreros mit Olé,
das ist doch längst passé!
Für das letzte Stück der Colonia-statt-Corona-Serie habe ich mir eine besondere Trouvaille aufgehoben: Das Cologne "Portugal" von 4711. Ich freue mich diebisch, hier einen Erstlingskommentar verfassen zu dürfen. Es ist ein Duft mit rätselhaften Hintergründen. Sein Erscheinungsjahr konnte ich nicht ermitteln, nicht einmal, ob es 100, 50 oder 10 Jahre alt ist. Ich habe es noch nie in einer Drogerie oder Parfümerie stehen sehen. Aber man kann es bei 4711 in Köln online bestellen - was ich auch getan habe. Vor allem aber.... - halt! Zuerst einmal dazu, was die Verse am Anfang sollen.
Schon seit meiner ersten Comedian-Harmonists-LP vor etwa 30 Jahren fand ich den Portugal-Song, auch wenn er lange nicht so populär ist wie etwa die Matrosen, der Lenz oder der Kaktus, besonders eingängig. Und seit ich diesen Duft hier entdeckt und den Entschluss gefasst habe, ihn in dieser Serie vorzustellen, war mir klar, dass das zusammen mit "Wie wär's mal mit Lissabon" geschehen müsste.
Wie wär's mal mit Lissabon?
Das ist grad so schön wie Spanien!
Wein, Oliven und Geranien
blüh'n an Fenstern und Balkon.
Also auf nach Lissabon,
in die Stadt der Portugiesen.
Du wirst sicher Freund mit diesen,
und du hast sehr viel davon.
Als ich mir das Lied jetzt noch einmal angehört und mir den Text durchgelesen habe, kam es mir zwar noch immer schön, aber auch merkwürdig suspekt vor. Es hat etwas eskapistisches, sein Witz ist weniger verrückt und frech (und dafür streckenweise schenkelklopfender) als die berühmtesten Couplets des Sextetts. Und tatsächlich, eine Recherche zeigt, dass es 1934 entstanden ist, als die Gruppe innerlich zunehmend zerrissen war, im Reich (wegen der drei jüdischen Mitglieder) praktisch nicht mehr auftrat und zudem unter Druck stand, optimistische statt zersetzende Liedtexte abzuliefern. Oder höchstens noch köstlich alberne, wie im Falle des ebenfalls 1934 enstandenen "In der Bar zum Krokodil".
Zwar sprichst du noch nicht fließend Portugiesisch,
doch das Land ist paradiesisch.
Voller Pracht umsäumen Palmen jeden Platz.
So manche Portugiesin
hat für deine Sympathie Sinn
Und sucht abends unter Palmenbäumen sicher einen Schatz.
Und vielleicht ist es auch kein Zufall, dass das Lied ein bisschen nach Fremdenverkehrsreklame klingt. Denn während in Spanien, das am Anfang des Liedtextes abgewertet wird, 1934 noch die Republik mit ihrer Linksregierung bestand, baute in Portugal Salazar schon seit 1932 den rechtsautoritären "Estado Novo" auf. Eigentlich ein tolles Ziel für KdF-Reisen. Damit bin ich an einem Punkt, wo mir der Song dann schon ein wenig gespenstisch vorkommt. Unbefangen genießen kann ich ihn jetzt nicht mehr. Zu viel Wissen tut manchmal nicht gut.
Kommen wir zurück zu "Portugal". Es lässt sich also online bei 4711 beziehen, vor allem aber... in Japan. "Portugal" ist Big In Japan. Die Eingabe der Begriffsfolge "4711 Portugal Japan" in die Suchmaschine Ihres Vertrauens oder noch direkter ein Besuch der Seite www.4711.jp zeigt, wo der Hase im Wasabi-Senf liegt: "Portugal" ist in Japan offenbar das Cologne schlechthin. Es gibt dort (und anscheinend nur dort) neben diesem Cologne und einem zugehörigen Eau de Toilette auch noch ein After Shave, eine Körpermilch, und, festhalten: ein Haarwasser und eine Brillantine. Es wundert mich, dass es nicht auch eine Zahnpasta und Kondome mit Portugal-Geschmack gibt. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass es nicht auch auf 1934 und damalige Näheverhältnisse Japans zu Deutschland und Portugal zurückgeht.
Was es auf der genannten japanischen Internetseite von 4711 (und nur dort) auch gibt, ist eine ordentliche Duftpyramide zu "Portugal" (sogar auf englisch). Sie lautet:
Kopf: Mandarine, Orange, Zitrone
Herz: Neroli, Petitgrain, Koriander, Artemisia
Basis: Ebenholz, Moschus, Moos.
Und damit wären wir bei meinen Dufteindrücken. "Portugal" beginnt mit einem fulminant orangigen Auftakt, der zwar fruchtig daherkommt, aber nicht ordinär fleischig, sondern sehr edel, feinherb und kühl. Der Duft hat hier fast etwas Knisterndes. Ich muss hier an eine Kiste Apfelsinen aus Sperrholzplatten denken, bei der jede vierte oder fünfte Frucht in ein vornehmes Seidenpapier mit schöner Grafik darauf eingewickelt ist. Nach einigen Minuten treten ungewöhnliche, fast modern nischenmäßig kontrastierende grün-braune, etwas erdige, wärmere und dreckigere Noten hinzu, die ich am ehesten dem Koriander zuschreiben würde - die sich dann aber auch wieder schnell zurückziehen. Es bleibt eine zitrisch-orangige Frische nur noch ganz eng auf der Haut zurück, die dann mit den weichen und holzigen Noten der Basis verbunden ist.
Betrachte ich die Kopfnote (an so einem flüchtigen Kölnischwasser das Wichtigste) isoliert, bin ich fast restlos begeistert, sieht man den Duft in seiner Gesamtheit, ist es jedenfalls ein spannender, interessanter - und nicht nur in seiner Geschichte, sondern auch im Dufterlebenis selbst durchaus etwas geheimnisvoller Duft.
Zauberhaft ist dieser Ort,
und du willst nie wieder fort.
Bist du fern von Lissabon,
träumst du immer nur davon,
von der Stadt der Portugiesen.
Gitarren und Gesang im Mondenschein.
Und Spanien und immer nur Spanien.
Ja Kinder, fällt euch denn nichts bess'res ein?
Toreros mit Olé,
das ist doch längst passé!
Für das letzte Stück der Colonia-statt-Corona-Serie habe ich mir eine besondere Trouvaille aufgehoben: Das Cologne "Portugal" von 4711. Ich freue mich diebisch, hier einen Erstlingskommentar verfassen zu dürfen. Es ist ein Duft mit rätselhaften Hintergründen. Sein Erscheinungsjahr konnte ich nicht ermitteln, nicht einmal, ob es 100, 50 oder 10 Jahre alt ist. Ich habe es noch nie in einer Drogerie oder Parfümerie stehen sehen. Aber man kann es bei 4711 in Köln online bestellen - was ich auch getan habe. Vor allem aber.... - halt! Zuerst einmal dazu, was die Verse am Anfang sollen.
Schon seit meiner ersten Comedian-Harmonists-LP vor etwa 30 Jahren fand ich den Portugal-Song, auch wenn er lange nicht so populär ist wie etwa die Matrosen, der Lenz oder der Kaktus, besonders eingängig. Und seit ich diesen Duft hier entdeckt und den Entschluss gefasst habe, ihn in dieser Serie vorzustellen, war mir klar, dass das zusammen mit "Wie wär's mal mit Lissabon" geschehen müsste.
Wie wär's mal mit Lissabon?
Das ist grad so schön wie Spanien!
Wein, Oliven und Geranien
blüh'n an Fenstern und Balkon.
Also auf nach Lissabon,
in die Stadt der Portugiesen.
Du wirst sicher Freund mit diesen,
und du hast sehr viel davon.
Als ich mir das Lied jetzt noch einmal angehört und mir den Text durchgelesen habe, kam es mir zwar noch immer schön, aber auch merkwürdig suspekt vor. Es hat etwas eskapistisches, sein Witz ist weniger verrückt und frech (und dafür streckenweise schenkelklopfender) als die berühmtesten Couplets des Sextetts. Und tatsächlich, eine Recherche zeigt, dass es 1934 entstanden ist, als die Gruppe innerlich zunehmend zerrissen war, im Reich (wegen der drei jüdischen Mitglieder) praktisch nicht mehr auftrat und zudem unter Druck stand, optimistische statt zersetzende Liedtexte abzuliefern. Oder höchstens noch köstlich alberne, wie im Falle des ebenfalls 1934 enstandenen "In der Bar zum Krokodil".
Zwar sprichst du noch nicht fließend Portugiesisch,
doch das Land ist paradiesisch.
Voller Pracht umsäumen Palmen jeden Platz.
So manche Portugiesin
hat für deine Sympathie Sinn
Und sucht abends unter Palmenbäumen sicher einen Schatz.
Und vielleicht ist es auch kein Zufall, dass das Lied ein bisschen nach Fremdenverkehrsreklame klingt. Denn während in Spanien, das am Anfang des Liedtextes abgewertet wird, 1934 noch die Republik mit ihrer Linksregierung bestand, baute in Portugal Salazar schon seit 1932 den rechtsautoritären "Estado Novo" auf. Eigentlich ein tolles Ziel für KdF-Reisen. Damit bin ich an einem Punkt, wo mir der Song dann schon ein wenig gespenstisch vorkommt. Unbefangen genießen kann ich ihn jetzt nicht mehr. Zu viel Wissen tut manchmal nicht gut.
Kommen wir zurück zu "Portugal". Es lässt sich also online bei 4711 beziehen, vor allem aber... in Japan. "Portugal" ist Big In Japan. Die Eingabe der Begriffsfolge "4711 Portugal Japan" in die Suchmaschine Ihres Vertrauens oder noch direkter ein Besuch der Seite www.4711.jp zeigt, wo der Hase im Wasabi-Senf liegt: "Portugal" ist in Japan offenbar das Cologne schlechthin. Es gibt dort (und anscheinend nur dort) neben diesem Cologne und einem zugehörigen Eau de Toilette auch noch ein After Shave, eine Körpermilch, und, festhalten: ein Haarwasser und eine Brillantine. Es wundert mich, dass es nicht auch eine Zahnpasta und Kondome mit Portugal-Geschmack gibt. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass es nicht auch auf 1934 und damalige Näheverhältnisse Japans zu Deutschland und Portugal zurückgeht.
Was es auf der genannten japanischen Internetseite von 4711 (und nur dort) auch gibt, ist eine ordentliche Duftpyramide zu "Portugal" (sogar auf englisch). Sie lautet:
Kopf: Mandarine, Orange, Zitrone
Herz: Neroli, Petitgrain, Koriander, Artemisia
Basis: Ebenholz, Moschus, Moos.
Und damit wären wir bei meinen Dufteindrücken. "Portugal" beginnt mit einem fulminant orangigen Auftakt, der zwar fruchtig daherkommt, aber nicht ordinär fleischig, sondern sehr edel, feinherb und kühl. Der Duft hat hier fast etwas Knisterndes. Ich muss hier an eine Kiste Apfelsinen aus Sperrholzplatten denken, bei der jede vierte oder fünfte Frucht in ein vornehmes Seidenpapier mit schöner Grafik darauf eingewickelt ist. Nach einigen Minuten treten ungewöhnliche, fast modern nischenmäßig kontrastierende grün-braune, etwas erdige, wärmere und dreckigere Noten hinzu, die ich am ehesten dem Koriander zuschreiben würde - die sich dann aber auch wieder schnell zurückziehen. Es bleibt eine zitrisch-orangige Frische nur noch ganz eng auf der Haut zurück, die dann mit den weichen und holzigen Noten der Basis verbunden ist.
Betrachte ich die Kopfnote (an so einem flüchtigen Kölnischwasser das Wichtigste) isoliert, bin ich fast restlos begeistert, sieht man den Duft in seiner Gesamtheit, ist es jedenfalls ein spannender, interessanter - und nicht nur in seiner Geschichte, sondern auch im Dufterlebenis selbst durchaus etwas geheimnisvoller Duft.
Zauberhaft ist dieser Ort,
und du willst nie wieder fort.
Bist du fern von Lissabon,
träumst du immer nur davon,
von der Stadt der Portugiesen.
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