Mit Avon ist das ja so wie mit vielen anderen Parfümeuren - wenn sie einen Klassiker auf den Markt gebracht haben, oder was, das sie für einen Klassiker halten, kommen die Spinn-Offs. Auf Euphoria folgen Euphoria Blossom und Forbiddden Euphoria. Auf Cašmir folgt Cašmir Festival. Aber wenn eine Firma ohnehin jedes Jahr gefühlt 500 neue Düfte auf den Markt bringt, dann darf es auch etwas mehr sein. Und so folgten auf Far Away, den Avon-Dauerbrenner von 1994, nicht weniger als sieben Spinn-Offs, die Herrenvariante nicht mitgerechnet. In willkürlicher Reihenfolge: Dreams, Exotic, Paradise, Fantasy, Bella, Sensual Embrace - ich stelle mir vor, wie das Avon Marketingteam verzweifelt im Wörterbuch blättert, was sie denn bis jetzt noch nicht mit Far Away kombiniert haben, bis ein Mitarbeiter schreit: »Gold! Wir hatten noch keine Gold Edition!« Und so kam 2014, als bislang letzter Vertreter der Serie, Far Away Gold auf den Markt.
Optisch, klar, ist die Flasche golden. Ansonsten hat die die gleiche ziemlich austauschbare Far Away-Optik, mit rundem Knubbeldeckel und einem neckischen Troddel, der orientalisch wirken soll, aber dann doch mehr etwas tantig rüberkommt. Ich will keinen Bommel an meinen Gardinen, dann will ich erst recht keinen an meinen Flaschen. Tatsächlich hat aber Gold vom ganzen Franchise mit die edelste Optik. Und die hat mich immerhin genug angesprochen, um es mir als ersten Vertreter der Reihe zu kaufen. Hätt ich besser nicht getan, natürlich - ich konnte mit dem Zauber der Reihe noch nie entziehen, und jetzt brauche ich natürlich alle anderen Far Aways auch noch. Die Avon von wissen schon, was sie tun.
Vom Duft her soll die Gold-Variante, mit der immerhin der 20. Geburtstag des Duftes gefeiert werden sollte, wie eine veredelte Fassung des Originals daherkommen. Ich habe beide probiert und muss schon sagen, dass mir Gold deutlich besser gefällt - es ist weniger obstsalatig als die Version von 1994 und weniger flach in seinem Auftreten, es sind aber doch so viele Parallen zwischen den beiden Varianten, dass man, wenn man nicht vom Sammelfieber gepackt ist, nur einen von beiden braucht, und dann würde ich zu Gold raten. Allerdings ist auch dieser Duft von der janusköpfigen Sorte. An manchen Tagen finde ich ihn ganz toll und liebe ihn über alles. An anderen finde ich ihn ekelig, übelkeitserregend und will ihn so schnell wie möglich wieder loswesen, und gerade dann merkt man, was Avon dem Zeug für eine Haltbarkeit mit auf den Weg gegeben hat. Echt einer von den Duracellhasen unter den Düften!
Die angegebenen Kompnenten Ylang-Ylang, Jasmin und Vanille machen sich hier gar nicht die Mühe, sich auf eine Duftpyramide zu verteilen. Weiß doch jeder Avon-Nutzer, dass die Kopfnote immer Avon ist, und nur Avon: typisch, chemisch, synthetisch, leicht stechend. Dann bahnt sich langsam das Jasmin seinen Weg - mit der typischen Jasminangewohnheit, erstmal tüchtig nach Putzmitteln zu riechen. Ob der Hauch von Sidolin Streifenfrei jemals ganz verschwindet, hängt bei mir von der Tagesform ab oder der Verfassung meiner Nase: Ich trage den Duft jetzt zum vierten Mal. Beim ersten und dritten Mal war er super, beim zweiten widerlich, und gerade ist er irgendwo dazwischen, weswegen ich nicht objektiv bewerten kann. Heute ist es jedenfalls sehr sidolinig.
Noch so ein Problemfall ist Ylang-Ylang: Der folgt dem Jasmin und meldet sich mit klarer, lauter Stimme. Nur auch er trifft nicht immer die Töne. Mal finde ich ihn toll und freue mich, dass es möglich ist, exotische Düfte zu haben, die klar nach Blumen riechen und nicht nach Kokos oder Ananas oder sonstwelchem Kompott. Aber an anderen Tagen nehme ich eine modrige Verwesungsnote wahr, immer noch eine Blume, aber eine, die lieber Fliegen anlockt als Schmetterlinge. Süße Verwesung. Nicht unbedingt das, wonach ich riechen will. Und dann ist da noch die Vanille. Die riecht immer nach Vanille, sie hat gar keine andere Wahl, auch wenn sie mal mehr nach echter Vanille riecht und mal mehr nach künstlichem Backaroma.
Das Ergebnis, klebrig-süßer Orientale, geht sehr in Richtung Cašmir, ohne gleich ein Dupe zu sein, aber die, nennen wir es mal freundlich Inspiration, lässt sich nicht verleugnen - beide (Cašmir und Orignal-Far Away) entstammen den Neunzigern. und das sehr, beide bestechen mit Knubbeloptik, und beide wollen nicht mehr ganz zeitgemäßig wirken. Far Away Gold mag den alten Duft veredeln, aber es holt ihn trotzdem nicht wirklich ins neue Jahrtausend, geschweige denn unser Jahrzehnt. Wer nicht seine Reihen komplettieren will, an keinem Orientalen vorbeikommt oder zumindest einen Avon-Duft besitzen will, der macht mit Far Away Gold nichts falsch und muss sich über die Anschaffung auch nicht ärgern.
Aber der neue Referenzduft wird das sicher nicht, und auch wenn Avon das Wort 'Klassiker' gar nicht oft genug gebrauchen kann im Zusammenhang mit seiner Far Away-Reihe, sind die einzelnen Vertreter (ich habe auch Exotic getestet) untereinander so austauschbar, dass man, wenn man wie ich zwanghaft Reihen komplettieren muss, nur hoffen kann, dass Gold der krönende Abschluss der Reihe war und keine weiteren folgen werden. Und wenn doch, dann bitte in Zukunft ohne Bommel.