04.12.2021 - 13:50 Uhr
Medusa00
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Medusa00
Top Rezension
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Von Miniröcken, Hot Pants und Gammlern.
Lieben Dank an die Probenspenderin, Du hast mich in ein verrücktes Jahrzehnt zurück geschickt. Couture erschien 1975 und da wußte ich natürlich noch nichts über Loris Azzaro, seine Mode und seine Parfüms.
Ich lebte ja damals in der Deutschen Dämlichen Republik. Düfte bekam man in der Drogerie oder im Intershop. Im letzteren konnte ich nicht shoppen mangels Westgeld, da meine ganze dusslige Verwandtschaft in der Zone geblieben war und nicht vor dem 13.8.1961 die Kurve gekratzt hatte. Tauschen konnte ich nicht, denn von meinem Taschengeld oder späterem Stipendium, war ein Satz von 1 : 10 nicht machbar.
Deswegen sind wir aber auch nicht auf der Wurschtbrühe rum geschwommen. Viele hatten Westfernsehen, keiner gab es zu, alle wußten es, denn der Antennenwald auf den Häusern war nicht zu übersehen. Wir lebten nach dem Motto: Jeder macht was er will, keiner macht was er soll (da war dann die Stasi vor) und alle machen mit.
Couture hätte mir aber damals schon gefallen, so als fruchtiger Chypre. Ich bin ja schon mit Schüpre am Nuckel um den Christbaum gerannt.
Die Mode war grottig. Der Minirock begann sich zu verabschieden. Mädchen und Frauen konnten sich nicht entscheiden, ob sie noch Mini tragen sollten oder Midi oder doch lieber Maxi. Frau und Mann jeglichen Alters trugen Schlaghosen. Die Haare der Jungs in meinem Freundeskreis wurden immer länger. Meine Oma nannte sie schlichtweg Gammler. „Guck Dir doch die zottligen Luder mal an, die sehn´aus wie die Steinzeitmenschen.“ Na klar, weil Steinzeitmenschen vor 15000 Jahren Schlaghosen und Hemden mit meterlangen Kragenecken trugen.
Mein Opa (war Schneidermeister) nähte mir lange Westen, wegen meiner kurzen Röcke und der Schamhaftigkeit. „ Das ist doch keen Rock, sondern een breiter Jürtel. Da kann man ja, wenn de Dich bückst, sehn wo Karfunkel brennt!“ Oma schenkte mir Schlüpfer aus Angorawolle," damit de Dir nich erkältest", die ich absichtlich zu heiß wusch.
Im Radio hörten wir die Puhdys und auf RIAS die Stones. Wobei sich Maschine (der Leadsänger der Puhdys) und Mick Jagger an Häßlichket überboten. Als ich mal zu einer Freundin, Stones Fan, sagte, daß ich mir den Jagger nicht mal schön saufen könnte, hätte sie mich fast vermöbelt.
Couture erschien in einem Jahrzehnt als die Aera der Donnerdüfte und Komachypres noch nicht angebrochen war. Die narkotisierten die Menschheit erst in den 80ern.
Trotzdem ist Couture kein zartes Früchtchen. Der fruchtige Einstieg, in dem Gardenie etwas dominiert, unterscheidet sich von typischen zitruslastigen Kopfnoten vieler Chypres. Auch die leichte Pudernote durch die Iris und die fein verbauten anderen Blüten verhindern, daß Couture zu einem Donnerchypre mutiert.
So richtig offenbart sich Couture erst im Herz, holzig, grünlich, waldig. Da haben wir ihn dann!
Hätte ich den Duft damals gekannt und die Möglichkeit gehabt ihn zu kaufen , ich hätte es getan.
Leider oder zum Glück wird er nicht mehr produziert. Soll er in Frieden ruhen. Das ist immernoch besser als unter altem Namen und totkastriert wieder aufzuerstehen.
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