DasguteLeben
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vieille école
Creed, seufz, was hat dieses Haus früher mal für Rohstoffe benutzt, eine Wahnsinnsqualität, auch wenn M. Creed gewiß keine Tinkturen von Hand präpariert hat, wie früher immer gerne behauptet wurde. Ambre Cannelle ist hoffnungslos old school, eine üppigere, femininere Version von Baie de Genièvre Feuilles de Canneliers, dem Duft zum Holzhacken im Smoking, wie ich mal geschrieben habe. Der volle Titel jenes Meisterwerks , Wacholder und Zimtblätter, bildet dann auch die Kopfnote von Ambre Cannelle, aber statt den typischen Barbershop-Noten des Cousins wie Vetiver und Gewürznelke kommen hier Rose und Ambergris ins Spiel. Der primäre Eindruck ist seifig-würzig-floral, gewisse Assoziationen an Hotelseife (allerdings Grand Hotel, nicht Econolodge) sind da, und an opulente konservative Damen älteren Semesters, die den Boulevard entlangpromenieren, ehe sie ihren Nachmittagstee mit Petifours nehmen. Wacholder, Koriander, Lorbeer und Rose verantworten dieses gesetzte "von früher" Gefühl einer gehobenen Mittelklasse, für die ein "verruchtes" Parfüm wie Jicky oder Tabac Blond nie in Frage käme. Das ist eher der Duft einer properen Pompidou-Wählerin aus der Provinz. Die süße Schärfe des Zimts ergänzt wie konterkariert das mit beeindruckender Dialektik und macht das ganze interessant, die klassische Creed Ambergris-Note rundet die Komposition ab. Obwohl als konservativer Damenduft gedacht, passt Ambre Cannelle letztlich im heutigen Kontext aber auch gut zu einem feinen Flannellanzug mit dandyeskem Einschlag (z.B. Glencheck oder Windowpane und ein aussagekräftiges Einstecktuch). Mehr als Holzhacken wäre hier dann eine ironische Kontemplation holzhackender Männlichkeit mittles Wilde'scher Aphorismen angebracht, während man sich noch eine Tasse Earl Grey gönnt. Kühlere Temperaturen sind kontextuell ebenfalls zu empfehlen.