19.03.2011 - 08:17 Uhr
Profumo
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Profumo
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Eine Strohblume ist eine Strohblume, ist eine Strohblume...
Vorweg: dies ist ein schwieriger Duft, kein ‚crowd-pleaser’ wie man im Englischen sagen würde, kein gefälliger Duft also, sondern ein nur in Maßen sinnlicher, ein verkopfter.
Die Idee hinter diesem Duft, seine ‚raison d´être’ sozusagen, ist der komplexe, einerseits blumige, aber auch strohige, aromatische und krautige Geruch der Stohblumen (auch Immortellen genannt), der mit seinen säuerlichen Untertönen ein wenig zur Penetranz neigt und an dem sich die Geister scheiden.
Die einen lieben ihn, weil er sie an ihre Urlaube am Meer erinnert (dort blüht die artverwandte Macchie, oder auch Macchia), manche hassen ihn, da er sie an die Trockenblumen-Sträuße erinnert, die frühere Generationen gerne zu Hause hatten, die dort zusehends verstaubten und verblichen, dabei nie verwelkten und einen eigentümlichen, sauer-würzigen Duft absonderten, der einen reflexartig, besonders wenn die schon abgestandene Luft mit ihm vollgesogen war, zum Fenster eilen ließ um zu lüften.
Ich gehöre zu beiden: ich mag ihn in der Natur und ich mag ihn an mir, aber ich mag ihn nicht in meiner Wohnung. Dabei hätte ich nie vermutet, dass ich dieses wunderliche Odeur in einem Parfum mag, bis ich vor vielen Jahren zum ersten Mal Annick Goutals ‚Sables’ gerochen habe – ein Duft, vor dem ich noch heute in die Knie gehe: was für ein Mut, einen derartig abseitigen, unkonventionellen, jenseits aller, aber auch wirklich aller gängigen Modetrends liegenden Duft nicht nur für die Schublade zu komponieren, sondern auch abzufüllen und zum Verkauf anzubieten! Chapeau für diese Chuzpe, Madame Goutal!
Nicht dass der Duft ein großer Renner geworden wäre, aber er prägte entscheidend das Bild des Hauses Goutal, das offenbar auch in der Lage war, kräftige, höchst eigenwillige Kreationen hervorzubringen, und nicht nur pastellene Aquarelle.
‚Sables’ blieb lange Jahre ein extremes Werk am Rande der olfaktorischen Palette, ein etwas hochmütiger Außenseiter. Sich ihm zu nähern bedurfte einer gewissen Unnachgiebigkeit, die oftmals schon an der Weigerung der Verkäuferinnen scheiterte ihn vom Regal zu holen. Wie oft hörte ich: ach der, na der ist schon sehr speziell, woll´n sie ihn wirklich testen? Ja, ich wollte. Ich musste ihn sogar mehrfach testen bis ich mich traute ihn zu kaufen.
Später entdeckte ich, dass ‚Sables’ , was die Einführung der Immortellen-Note betraf, einen Vorgänger hatte: Annick Goutals eigenes ‚Eau de Monsieur’ (auch dieser Duft war bald mein...). Hier verwendete sie den facettenreichen Strohblumen-Akkord noch recht zurückhaltend, eingebettet in ein frisch-aromatisches Chypre-Konzept.
Blieb ‚Sables’ ein anerkannter, aber nicht zur Nachahmung einladender Solitär, führte der Weg von ‚Eau de Monsieur’ direkt zu Guerlains einige Jahre später entstandenem ‚Coriolan’.
Auch hier wieder eine dezente Strohblumen-Note in einem äußerst fein gesponnenen Chypre-Gewebe. Wiederum einige Jahre später bekam selbst ‚Sables’ in seiner Eremitage einen kaum minder abseitigen Nachbarn: Diors ‚Eau Noire’. Beide Düfte, ‚Sables’ wie ‚Eau Noire’ bemühen sich in Sachen Immortelle erst gar nicht um Zurückhaltung, sondern stellen sie selbstbewusst aus, kontrastiert mit kräftiger, Sirup-artiger Süße (Sables), bzw. mit Curry-ähnlicher Würze (Eau Noire).
Divines ‚l être aimé homme’, als vorerst letztes Glied in der Kette derer, die sich dem Duft der Strohblume widmen, knüpft nun wiederum an ‚Coriolan’ bzw. ‚Eau de Monsieur’ an, was die nicht sehr offensive, sondern eher dezente Zurschaustellung der Trockenblume betrifft. Darüber hinaus borgt sich der Duft aber auch etwas Würze von ‚Eau Noire’, ja sogar in seiner allerletzten Phase (am nächsten Tag!) ein wenig Süße von ‚Sables’. Es ist, als wäre ‚l être aimé homme’ ein Reisender in Sachen Strohblume: es verbindet die freundliche Natürlichkeit von ‚Eau de Monsieur’ mit der feinen Eleganz von ‚Coriolan’, stattet aber auch den exzentrischen Außenseitern ‚Sables’ und ‚Eau Noire’ einen Besuch ab.
Dabei nimmt der Duft von Divine durchaus eine eigene Position ein, die man vielleicht als selbstbewusst-zurückhaltend beschreiben könnte, denn obwohl er die Immortelle eindeutig in sein Zentrum rückt, vermeidet er den lauten und exzentrischen Auftritt derselben.
Dennoch würde ich ihn fast ein Strohblumen-Soliflor nennen, selbst wenn sich diese Kategorisierung zunächst nicht erschließt. Doch je länger ich mich mit diesem Duft beschäftige (und ich muss sagen: es macht Spaß sich mit ihm zu beschäftigen), stelle ich fest wie erkennbar die Bezüge der verschiedenartigen Noten zum zentralen Strohblumen-Akkord doch sind. Jede einzelne unterstützt einen gewissen Aspekt dieses facettenreichen Zentrums. Die deutlich wahrnehmbare Sellerie-Note zu Beginn beispielsweise: sie absorbiert beinahe die säuerlichen Tendenzen und gibt ihnen Halt. Basilikum und Lavendel streichen die krautigen Nuancen heraus, Kardamom und Ingwer wiederum die würzigen und scharfen. Holzige Aspekte der Strohblume finden ihr Echo in den leisen Patchouli- und Sandelholznoten des Fonds, der, leicht ambriert und mit einer harzigen Komponente (Labdanum) versehen, auch das wenige an Restsüße der Blume reflektiert.
Alles ist so auf den zentralen Strohblumen-Akkord ausgerichtet, nichts wird unterschlagen oder verdeckt - alles ist da. Gnädigerweise aber doch ziemlich herunter gedimmt, denn das Bittere, Saure und Strohige kann bei größerem Volumen doch eine erhebliche Penetranz entwickeln, die jegliche Anmut einbüßt und nur noch unangenehm ist.
So aber bleibt ‚l’ être aimé homme’ ein die Haut umschmeichelnder herb-würziger Duft, der erst ganz allmählich etwas Süße gewinnt. Und selbst wenn man meint, man könne ihn schon gar nicht mehr wahrnehmen, umspielt er den Träger wie ein feiner Schleier im Wind.
Am Anfang dachte ich nämlich, dieser Duft besitze viel zu wenig Präsenz, sei arg dünn, beinahe ätherisch. Aber nein: seine Präsenz ist extrem hartnäckig, nur sehr dezent. Bewegt man sich beispielsweise schnellen Schrittes und bleibt dann abrupt stehen, nimmt man die leisen Wölkchen dieses zurückhaltenden Begleiters auf einmal wieder wahr – ein schönes Erlebnis, das man in der Regel nicht hat, wenn die Wolke einem vorauseilt. ‚L’ être aimé homme’ aber begegnet man solcherart im Verlaufe eines Tages immer wieder, und es erinnert einen daran - schüchtern aber dennoch bestimmt - , was für ein gutes Parfum man doch trägt.
Natürlich besitzt dieser Duft auch Bezüge zu anderen Kreationen des Hauses Divine, von ‚l’être aimé femme’ einmal abgesehen, dessen Zwillingsbruder er ist (zweieiig wohlgemerkt, denn seine Schwester betont nicht so sehr die würzige, als vielmehr die florale Komponente der Strohblume), sondern auch zu seinen älteren Brüdern ‚l’homme de coeur’ und ‚l’homme sage’. So meint man ganz zu Beginn, wenn man ‚l’être aimé homme’ aufgesprüht hat, einen fernen Widerhall der fruchtigen Safran-Seligkeit von ‚l’homme sage’ zu erkennen, wie man im weiteren Duftverlauf plötzlich ebenso die spröde Trockenheit einer Graphithaltigen Bleistift-Mine entdeckt, die wiederum schnurstracks zu ‚l’homme de coeur’ führt.
Im Gegensatz zu seinen älteren Brüdern aber ist der Jüngste weder ein weiser Mann, noch ein Herzensbube, sondern vielmehr ein zur Schüchternheit neigender, nicht unbedingt gefälliger junger Mann, dessen vorallem intellektuellem Charme man erst bei der zweiten Begegnung erliegt.
Die Idee hinter diesem Duft, seine ‚raison d´être’ sozusagen, ist der komplexe, einerseits blumige, aber auch strohige, aromatische und krautige Geruch der Stohblumen (auch Immortellen genannt), der mit seinen säuerlichen Untertönen ein wenig zur Penetranz neigt und an dem sich die Geister scheiden.
Die einen lieben ihn, weil er sie an ihre Urlaube am Meer erinnert (dort blüht die artverwandte Macchie, oder auch Macchia), manche hassen ihn, da er sie an die Trockenblumen-Sträuße erinnert, die frühere Generationen gerne zu Hause hatten, die dort zusehends verstaubten und verblichen, dabei nie verwelkten und einen eigentümlichen, sauer-würzigen Duft absonderten, der einen reflexartig, besonders wenn die schon abgestandene Luft mit ihm vollgesogen war, zum Fenster eilen ließ um zu lüften.
Ich gehöre zu beiden: ich mag ihn in der Natur und ich mag ihn an mir, aber ich mag ihn nicht in meiner Wohnung. Dabei hätte ich nie vermutet, dass ich dieses wunderliche Odeur in einem Parfum mag, bis ich vor vielen Jahren zum ersten Mal Annick Goutals ‚Sables’ gerochen habe – ein Duft, vor dem ich noch heute in die Knie gehe: was für ein Mut, einen derartig abseitigen, unkonventionellen, jenseits aller, aber auch wirklich aller gängigen Modetrends liegenden Duft nicht nur für die Schublade zu komponieren, sondern auch abzufüllen und zum Verkauf anzubieten! Chapeau für diese Chuzpe, Madame Goutal!
Nicht dass der Duft ein großer Renner geworden wäre, aber er prägte entscheidend das Bild des Hauses Goutal, das offenbar auch in der Lage war, kräftige, höchst eigenwillige Kreationen hervorzubringen, und nicht nur pastellene Aquarelle.
‚Sables’ blieb lange Jahre ein extremes Werk am Rande der olfaktorischen Palette, ein etwas hochmütiger Außenseiter. Sich ihm zu nähern bedurfte einer gewissen Unnachgiebigkeit, die oftmals schon an der Weigerung der Verkäuferinnen scheiterte ihn vom Regal zu holen. Wie oft hörte ich: ach der, na der ist schon sehr speziell, woll´n sie ihn wirklich testen? Ja, ich wollte. Ich musste ihn sogar mehrfach testen bis ich mich traute ihn zu kaufen.
Später entdeckte ich, dass ‚Sables’ , was die Einführung der Immortellen-Note betraf, einen Vorgänger hatte: Annick Goutals eigenes ‚Eau de Monsieur’ (auch dieser Duft war bald mein...). Hier verwendete sie den facettenreichen Strohblumen-Akkord noch recht zurückhaltend, eingebettet in ein frisch-aromatisches Chypre-Konzept.
Blieb ‚Sables’ ein anerkannter, aber nicht zur Nachahmung einladender Solitär, führte der Weg von ‚Eau de Monsieur’ direkt zu Guerlains einige Jahre später entstandenem ‚Coriolan’.
Auch hier wieder eine dezente Strohblumen-Note in einem äußerst fein gesponnenen Chypre-Gewebe. Wiederum einige Jahre später bekam selbst ‚Sables’ in seiner Eremitage einen kaum minder abseitigen Nachbarn: Diors ‚Eau Noire’. Beide Düfte, ‚Sables’ wie ‚Eau Noire’ bemühen sich in Sachen Immortelle erst gar nicht um Zurückhaltung, sondern stellen sie selbstbewusst aus, kontrastiert mit kräftiger, Sirup-artiger Süße (Sables), bzw. mit Curry-ähnlicher Würze (Eau Noire).
Divines ‚l être aimé homme’, als vorerst letztes Glied in der Kette derer, die sich dem Duft der Strohblume widmen, knüpft nun wiederum an ‚Coriolan’ bzw. ‚Eau de Monsieur’ an, was die nicht sehr offensive, sondern eher dezente Zurschaustellung der Trockenblume betrifft. Darüber hinaus borgt sich der Duft aber auch etwas Würze von ‚Eau Noire’, ja sogar in seiner allerletzten Phase (am nächsten Tag!) ein wenig Süße von ‚Sables’. Es ist, als wäre ‚l être aimé homme’ ein Reisender in Sachen Strohblume: es verbindet die freundliche Natürlichkeit von ‚Eau de Monsieur’ mit der feinen Eleganz von ‚Coriolan’, stattet aber auch den exzentrischen Außenseitern ‚Sables’ und ‚Eau Noire’ einen Besuch ab.
Dabei nimmt der Duft von Divine durchaus eine eigene Position ein, die man vielleicht als selbstbewusst-zurückhaltend beschreiben könnte, denn obwohl er die Immortelle eindeutig in sein Zentrum rückt, vermeidet er den lauten und exzentrischen Auftritt derselben.
Dennoch würde ich ihn fast ein Strohblumen-Soliflor nennen, selbst wenn sich diese Kategorisierung zunächst nicht erschließt. Doch je länger ich mich mit diesem Duft beschäftige (und ich muss sagen: es macht Spaß sich mit ihm zu beschäftigen), stelle ich fest wie erkennbar die Bezüge der verschiedenartigen Noten zum zentralen Strohblumen-Akkord doch sind. Jede einzelne unterstützt einen gewissen Aspekt dieses facettenreichen Zentrums. Die deutlich wahrnehmbare Sellerie-Note zu Beginn beispielsweise: sie absorbiert beinahe die säuerlichen Tendenzen und gibt ihnen Halt. Basilikum und Lavendel streichen die krautigen Nuancen heraus, Kardamom und Ingwer wiederum die würzigen und scharfen. Holzige Aspekte der Strohblume finden ihr Echo in den leisen Patchouli- und Sandelholznoten des Fonds, der, leicht ambriert und mit einer harzigen Komponente (Labdanum) versehen, auch das wenige an Restsüße der Blume reflektiert.
Alles ist so auf den zentralen Strohblumen-Akkord ausgerichtet, nichts wird unterschlagen oder verdeckt - alles ist da. Gnädigerweise aber doch ziemlich herunter gedimmt, denn das Bittere, Saure und Strohige kann bei größerem Volumen doch eine erhebliche Penetranz entwickeln, die jegliche Anmut einbüßt und nur noch unangenehm ist.
So aber bleibt ‚l’ être aimé homme’ ein die Haut umschmeichelnder herb-würziger Duft, der erst ganz allmählich etwas Süße gewinnt. Und selbst wenn man meint, man könne ihn schon gar nicht mehr wahrnehmen, umspielt er den Träger wie ein feiner Schleier im Wind.
Am Anfang dachte ich nämlich, dieser Duft besitze viel zu wenig Präsenz, sei arg dünn, beinahe ätherisch. Aber nein: seine Präsenz ist extrem hartnäckig, nur sehr dezent. Bewegt man sich beispielsweise schnellen Schrittes und bleibt dann abrupt stehen, nimmt man die leisen Wölkchen dieses zurückhaltenden Begleiters auf einmal wieder wahr – ein schönes Erlebnis, das man in der Regel nicht hat, wenn die Wolke einem vorauseilt. ‚L’ être aimé homme’ aber begegnet man solcherart im Verlaufe eines Tages immer wieder, und es erinnert einen daran - schüchtern aber dennoch bestimmt - , was für ein gutes Parfum man doch trägt.
Natürlich besitzt dieser Duft auch Bezüge zu anderen Kreationen des Hauses Divine, von ‚l’être aimé femme’ einmal abgesehen, dessen Zwillingsbruder er ist (zweieiig wohlgemerkt, denn seine Schwester betont nicht so sehr die würzige, als vielmehr die florale Komponente der Strohblume), sondern auch zu seinen älteren Brüdern ‚l’homme de coeur’ und ‚l’homme sage’. So meint man ganz zu Beginn, wenn man ‚l’être aimé homme’ aufgesprüht hat, einen fernen Widerhall der fruchtigen Safran-Seligkeit von ‚l’homme sage’ zu erkennen, wie man im weiteren Duftverlauf plötzlich ebenso die spröde Trockenheit einer Graphithaltigen Bleistift-Mine entdeckt, die wiederum schnurstracks zu ‚l’homme de coeur’ führt.
Im Gegensatz zu seinen älteren Brüdern aber ist der Jüngste weder ein weiser Mann, noch ein Herzensbube, sondern vielmehr ein zur Schüchternheit neigender, nicht unbedingt gefälliger junger Mann, dessen vorallem intellektuellem Charme man erst bei der zweiten Begegnung erliegt.
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