24.11.2012 - 07:40 Uhr
Apicius
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Apicius
Top Rezension
27
Beste Neuerscheinung des Jahres?
Mit Superlativen sollte man in Parfumbesprechungen zurückhaltend sein, doch hier weiß ich nicht, wo beginnen. Schon lange gilt mir die Marke Divine als Geheimtipp: Ihre Parfums haben ohne Ausnahme jene Eleganz, die man in der Flut der heutigen Neuveröffentlichungen meist vergeblich sucht - das ist französische Parfümerie in bester Tradition. Längst hat Divine mit ihrem kleinen, mit Sorgfalt und Ruhe entwickelten Sortiment den bisherigen Platzhirsch Guerlain künstlerisch und qualitativ eingeholt. Es weiß nur noch niemand!
Denn am Markt ist das Auftreten von Divine mehr als zurückhaltend: nur in wenigen Parfümerien sind diese Düfte erhältlich, und wenn, dann oft erheblich teurer als im eigenen Online Shop, der immer noch auf eine Paypal Option wartet. Dieser war pünktlich zur Einführung von L'Homme Infini übrigens abgeschaltet oder defekt. Lediglich die Bestandskunden bekamen Post: ein dezent mit L'Homme Infini besprühtes Pappkärtchen. Was ich hier wahrnahm, war freilich aufregend genug, um den beiliegenden Bestellzettel alsbald auszufüllen.
L'Homme Infini ist ein holzig-grüner Duft, und in der beiliegenden Duftpyramide ist eine Note fett hervorgehoben, die man sonst nirgends so benennt: Chêne – Eiche! Damit kann nur eines gemeint sein: nämlich jener erdig-holzige Akkord, den wir in Parfums meist mit der Kombination „Zedernholz, Vetiver“ bezeichnet finden. Ja, L'Homme Infini ist ein weiterer Terre d'Hermès Klon, aber was für einer!
Bereits Ellenas Duft gilt in seiner Art als puristisches Parfum, doch L'Homme Infini übertrifft ihn in diesem Ansatz mit größerer Eleganz und auch Diskretion. Beide reiten sie hinaus in den herbstlichen Wald, doch L'Homme Infini genießt die Stimmung auf dem Pferderücken sitzend, während der Hermès absteigt, um im Matsch zu wühlen. Der Direktvergleich bringt den Unterschied: Der Hermès Duft wirkt sinnlich, fast schon opulent, zitrische Noten und eine leichte anisartige Würze machen ihn saftig und rund. Der Parfümeur von L'Homme Infini aber – es soll Yann Vasnier sein – bewies Können und Mut, indem er die bittere Eichennote nicht kontrastierte, sondern weiter auslotete. Es gibt hier eher begleitende Noten, welche die robuste, weniger elegante Seite des Eichenakkords dämpfen und hinter einen matten, stahlblauen Schleier legen.
Sehr innovativ finde ich die Kopfnote. Statt Zitrus zeigt uns der Parfümeur einen korianderartigen Akkord, wobei sowohl Samen als auch das Blatt als Duftnote aufgelistet werden. Im Ergebnis ist das keine scharfe Würze – trotz Pfeffer – sondern ein mildernder, fast frischer Aspekt. An den eigentümlichen Geruch und Geschmack von Korianderblatt darf man sich vage erinnert fühlen – persönlich nehme ich diesen Auftakt eher als mild-nussig wahr – genauer gesagt Walnuss.
Sofort greift L'Homme Infini aus, mit staubigen Aspekten, die an Papier und Karton erinnern. Hier sehe ich eine Referenz zu einem weiteren Erfolgsduft: Dior Homme. Damit nimmt der Parfümeur den attraktivsten Aspekt jenes Dior-Duftes in Anspruch – mit dessen orientalischer Kuschligkeit hat L'Homme Infini freilich nichts im Sinn. Diese Staubigkeit tritt der Eichennote während des ganzen Verlaufs zur Seite und modifiziert sie ganz wesentlich. Genau deshalb wirkt L'Homme Infini verfeinert, elegant und edel.
Offenbar hatte der Parfümeur die Vorgabe, etwas mit Oud zu machen. Gänzlich am Trend vorbei möchte sich wohl auch Divine nicht aufstellen. Rufen wir uns aber in Erinnerung, dass die Oud-Basen der großen Aromenhersteller keineswegs den Geruch des kostbaren Adlerholzdestillats imitieren, sondern jenen krebserregenden Ersatzstoff, den die arabischen Marken in ihre billigsten Parfums einbauen. Ich denke, nicht nur Parfümeure haben mittlerweile ein Problem mit dieser Mode. Bei L'Homme Infini wurde das so gelöst, dass die Konzentration der Oud-Note jenseits der Wahrnehmbarkeit legt. Es mag sein, dass eine Oud-Base den Duft leicht eindunkelt. Riechen wird man sie allenfalls dann, wenn man die Pyrmide kennt oder sie sich einbildet. So nehme ich „Bois d'Agar“ lediglich als eine Aussage, die L'Homme Infini in die Gruppe der dunklen, herb-holzigen Düfte einordnet. Wer Oud aus nachvollziehbaren Gründen nicht mag, möge sich bitte von nichts abhalten lassen.
L'Homme Infini ist deutlich schwächer konzentriert als das mögliche Vorbild von Hermès. Unter dem Gesichtspunkt, die Eleganz zu wahren, verstehe ich gut, dass etwas anderes als ein Eau de Toilette nicht infrage kommen konnte. Man darf aber etwas beherzter sprühen oder auch schütten. An dieser Stelle ist Divine altmodisch: Schüttflakons gibt es in mehreren Größen, den stahlblauen Sprühflakon aber nur in 5o ml. Erfreulicherweise liegt ihm ein kleiner Nachfülltrichter bei.
Nun zu den angekündigten Superlativen: L'Homme Infini ist der Glücksfall des Jahres. Im Bereich puristischer, dunkler und herb-holziger Herrendüfte wurde in letzter Zeit vieles gemacht, mal mit, mal ohne Oud. Nichts davon hat mich wirklich begeistert. Alle Versuche erschienen mir wie ein Stochern im Nebel: mal war alles zu bitter und robust, mal zu muffig, zu opulent, niemals wirklich ausgewogen. L'Homme Infini kommt mir da wie ein Durchbruch vor. Es gibt also Fortschritt in der Kunst der Parfümerie. Wem ein herber, holziger Herrenduft mit Stil und Eleganz zusagt, der kann hier nicht vorbei. Ich sehe derzeit nichts, was L'Homme Infini gleichkäme. Und leider - Terre d'Hermès hat sich hiermit erledigt!
Denn am Markt ist das Auftreten von Divine mehr als zurückhaltend: nur in wenigen Parfümerien sind diese Düfte erhältlich, und wenn, dann oft erheblich teurer als im eigenen Online Shop, der immer noch auf eine Paypal Option wartet. Dieser war pünktlich zur Einführung von L'Homme Infini übrigens abgeschaltet oder defekt. Lediglich die Bestandskunden bekamen Post: ein dezent mit L'Homme Infini besprühtes Pappkärtchen. Was ich hier wahrnahm, war freilich aufregend genug, um den beiliegenden Bestellzettel alsbald auszufüllen.
L'Homme Infini ist ein holzig-grüner Duft, und in der beiliegenden Duftpyramide ist eine Note fett hervorgehoben, die man sonst nirgends so benennt: Chêne – Eiche! Damit kann nur eines gemeint sein: nämlich jener erdig-holzige Akkord, den wir in Parfums meist mit der Kombination „Zedernholz, Vetiver“ bezeichnet finden. Ja, L'Homme Infini ist ein weiterer Terre d'Hermès Klon, aber was für einer!
Bereits Ellenas Duft gilt in seiner Art als puristisches Parfum, doch L'Homme Infini übertrifft ihn in diesem Ansatz mit größerer Eleganz und auch Diskretion. Beide reiten sie hinaus in den herbstlichen Wald, doch L'Homme Infini genießt die Stimmung auf dem Pferderücken sitzend, während der Hermès absteigt, um im Matsch zu wühlen. Der Direktvergleich bringt den Unterschied: Der Hermès Duft wirkt sinnlich, fast schon opulent, zitrische Noten und eine leichte anisartige Würze machen ihn saftig und rund. Der Parfümeur von L'Homme Infini aber – es soll Yann Vasnier sein – bewies Können und Mut, indem er die bittere Eichennote nicht kontrastierte, sondern weiter auslotete. Es gibt hier eher begleitende Noten, welche die robuste, weniger elegante Seite des Eichenakkords dämpfen und hinter einen matten, stahlblauen Schleier legen.
Sehr innovativ finde ich die Kopfnote. Statt Zitrus zeigt uns der Parfümeur einen korianderartigen Akkord, wobei sowohl Samen als auch das Blatt als Duftnote aufgelistet werden. Im Ergebnis ist das keine scharfe Würze – trotz Pfeffer – sondern ein mildernder, fast frischer Aspekt. An den eigentümlichen Geruch und Geschmack von Korianderblatt darf man sich vage erinnert fühlen – persönlich nehme ich diesen Auftakt eher als mild-nussig wahr – genauer gesagt Walnuss.
Sofort greift L'Homme Infini aus, mit staubigen Aspekten, die an Papier und Karton erinnern. Hier sehe ich eine Referenz zu einem weiteren Erfolgsduft: Dior Homme. Damit nimmt der Parfümeur den attraktivsten Aspekt jenes Dior-Duftes in Anspruch – mit dessen orientalischer Kuschligkeit hat L'Homme Infini freilich nichts im Sinn. Diese Staubigkeit tritt der Eichennote während des ganzen Verlaufs zur Seite und modifiziert sie ganz wesentlich. Genau deshalb wirkt L'Homme Infini verfeinert, elegant und edel.
Offenbar hatte der Parfümeur die Vorgabe, etwas mit Oud zu machen. Gänzlich am Trend vorbei möchte sich wohl auch Divine nicht aufstellen. Rufen wir uns aber in Erinnerung, dass die Oud-Basen der großen Aromenhersteller keineswegs den Geruch des kostbaren Adlerholzdestillats imitieren, sondern jenen krebserregenden Ersatzstoff, den die arabischen Marken in ihre billigsten Parfums einbauen. Ich denke, nicht nur Parfümeure haben mittlerweile ein Problem mit dieser Mode. Bei L'Homme Infini wurde das so gelöst, dass die Konzentration der Oud-Note jenseits der Wahrnehmbarkeit legt. Es mag sein, dass eine Oud-Base den Duft leicht eindunkelt. Riechen wird man sie allenfalls dann, wenn man die Pyrmide kennt oder sie sich einbildet. So nehme ich „Bois d'Agar“ lediglich als eine Aussage, die L'Homme Infini in die Gruppe der dunklen, herb-holzigen Düfte einordnet. Wer Oud aus nachvollziehbaren Gründen nicht mag, möge sich bitte von nichts abhalten lassen.
L'Homme Infini ist deutlich schwächer konzentriert als das mögliche Vorbild von Hermès. Unter dem Gesichtspunkt, die Eleganz zu wahren, verstehe ich gut, dass etwas anderes als ein Eau de Toilette nicht infrage kommen konnte. Man darf aber etwas beherzter sprühen oder auch schütten. An dieser Stelle ist Divine altmodisch: Schüttflakons gibt es in mehreren Größen, den stahlblauen Sprühflakon aber nur in 5o ml. Erfreulicherweise liegt ihm ein kleiner Nachfülltrichter bei.
Nun zu den angekündigten Superlativen: L'Homme Infini ist der Glücksfall des Jahres. Im Bereich puristischer, dunkler und herb-holziger Herrendüfte wurde in letzter Zeit vieles gemacht, mal mit, mal ohne Oud. Nichts davon hat mich wirklich begeistert. Alle Versuche erschienen mir wie ein Stochern im Nebel: mal war alles zu bitter und robust, mal zu muffig, zu opulent, niemals wirklich ausgewogen. L'Homme Infini kommt mir da wie ein Durchbruch vor. Es gibt also Fortschritt in der Kunst der Parfümerie. Wem ein herber, holziger Herrenduft mit Stil und Eleganz zusagt, der kann hier nicht vorbei. Ich sehe derzeit nichts, was L'Homme Infini gleichkäme. Und leider - Terre d'Hermès hat sich hiermit erledigt!
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