22.09.2024 - 03:18 Uhr

Parma
272 Rezensionen

Parma
Top Rezension
41
Ich mach' mein Ding
‚Acne Studios‘ ist nach ‚Comète‘ die zweite große Überraschung eines Traditionshauses für mich in diesem Jahr. Beide triggern bei mir die gleichen limbischen Rezeptoren. Sie sind unglaublich angenehme, sanfte, weiche, optimistische, unaufdringliche, liebenswürdige und im Trageverlauf durchgängig sehr befriedigende Düfte. In ihrem Duftbild sehr unterschiedlich, im Effekt auf mich aber sehr ähnlich. Damit hatte ich v.a. beim Malle-Duft nicht gerechnet, denn im Vorfeld war mir zu Ohren gekommen, dass er sehr „synthetisch“ sei. Was heißen kann, dass er entweder sehr künstlich riecht oder viele vollsynthetische Duftstoffe enthält, was oft zusammen einhergeht, aber nicht muss. Mit Ersterem habe ich ein Problem, vor allem wenn es aufdringlich wird, mit Zweitem nicht, wenn sie zurückhaltend und gut abgestimmt eingesetzt sind. Für mein Empfinden trifft hier Letzteres zu.
Denn für mich ist ‚Acne Studios‘ ein Pfirsichduft. Und der Geruch eines Pfirsichs wird - wie alle Fruchttöne - vollsynthetisch durch sogenannte Ketone und/oder Aldehyde erreicht (das bekannteste ist sicher das Aldehyd C14 oder auch Gamma-Undecalacton genannte Pfirsichaldehyd aus ‚Mitsouko’ und ‚Femme‘). Dazu hat er eine leicht seifige Ausrichtung, für die in der Regel ebenfalls Aldehyde und vollsynthetische Moschusarten verantwortlich sind. Trotz dieser Zusammensetzung wirkt der Duft auf mich aber nicht übermäßig künstlich. Leicht artifiziell ja, aber gut tolerierbar.
Nur die ersten Sekunden laufen diesem Empfinden entgegen, da der Duft mit einem Aldehyd-Schwall beginnt, der mir ein paar Sekunden lang ob seiner Plastikhaftigkeit die Luft nimmt. Dann aber öffnet sich eine sanfte Pfirsichnote, begleitet von einem leicht seifigen Ton. Die Textur dieser Kombination ist sphärisch - niemals cremig - und erstaunlicherweise gewichtig. Nicht im Sinne von erdrückend, sondern präsent. Ähnlich wie Nebel trotz seiner Leichtigkeit sehr einnehmend sein kann. Erreicht wird dieser Eindruck durch eine kaum merkliche Basis, die sich nur langsam im Verlaufe des Drydowns herausschält. Für mich besteht sie v.a. aus Ethylmatol und einer Vanillinnuance. Beide erzeugen zusammen eine leicht würzige, dem Zucker zuneigende Süße. Weichholzige Facetten schwingen mit. Der Einsatz des Ethylmaltol ist dabei das größte Zugeständnis an die moderne Aromachemie und glücklicherweise sehr umsichtig und zurückhaltend eingesetzt. Die Fruchtsüße nimmt dadurch geringfügig zu und erhält eine gewisse Sattheit. Das ist die Stelle, ab der mir der Duft manchmal einen Tick zu süß ist, aber die sphärische Eigenschaft bleibt dadurch unbeeinflusst, genauso wie der über den gesamten Verlauf dominante, saubere Pfirsicheindruck.
Jetzt kann man anführen, dass dies ein recht profanes Duftprofil ist und dem würde ich nicht widersprechen. Was diesen Duft für mich allerdings so interessant macht, ist zum Einen, wie es die Parfumeurin Suzy Le Helley scheinbar mühelos schafft, ihm Gewicht und Ausdauer zu verleihen ohne dass er erdrückt und/oder penetrant wird. Das gelingt ihr meiner Einschätzung nach durch qualitativ gute Inhaltsstoffe, sowie eine ausgesprochen feinfühlige und achtsame Abstimmung und Dosierung. Vor dem Hintergrund, dass Vanillin und v.a. Ethylmaltol einen Duft schnell beherrschen, ist dies auch notwendig. Auf dem Teststreifen meine ich zudem noch eine leichte Himbeernote (Himbeerketon) zu erkennen, die die Fruchtigkeit des Pfirsichs zusätzlich etwas vertieft. Alle anderen angegebenen Noten der Duftpyramide sind für mich nicht identifizierbar, auch nicht auf der Haut. Lediglich eine ganz hintergründige, sanfte Blumennote ist manchmal noch wahrnehmbar. In der Gesamtschau wirkt das unbekümmert, leicht jugendlich, aber mit Substanz und im traditionellen, hiesigen Duftverständnis eher weiblich konnotiert.
Der zweite Aspekt, der mich an diesem Duft fesselt, ist, dass ich immer an einen Ausschnitt klassischer Chypredüfte denken muss (z.B. die beiden oben genannten), wenn ich ihn trage. Nämlich an die dort so häufig verwendete Pfirsichnote und den Einsatz von Aldehyden. Es wirkt auf mich fast so, als sei dieser Teil extrahiert worden. Aus diesem Grund macht für mich die Aussage auf der Website von Editions de Parfums Frédéric Malle auch Sinn, wenn dort von einem neoklassischen Duft gesprochen wird. Er wirkt zwar sehr modern, aber die Grundidee sehe ich in der klassischen Parfumtradition verwurzelt.
Das ist umso erstaunlicher, als das Modehaus Acne Studios einen sehr modernen, casualen Kleidungsstil entwirft. Mein Geschmack ist er nicht, aber die bequemen Oversized-Schnitte passen zu dem unkomplizierten, „voluminösen“ (im oben erläuterten Sinn) Duftprofil. Hinzu kommt eine Substanz und Alltagseleganz, die man als Äquivalent zu den wahrscheinlich qualitativ wertigen Stoffen und Verarbeitungen der Marke sehen könnte. Und die Assoziation zur Sauberkeit, die der Duft hervorruft, passt ebenfalls zum Thema Kleidung.
Womit wir bei der Grundidee für dieses Parfums angelangt wären: Waschmittel. Denn die Parfümeurin hat nach eigener Aussage versucht, den Geruch von Weichspüler darzustellen. Allerdings luxuriöser als das normalerweise der Fall ist. Aus meiner Sicht erreicht sie das, wobei ich beim Kennenlernen des Dufts nie diese Verknüpfung hergestellt habe. Aber viele andere Rückmeldungen zu diesem Parfum tun dies.
Ich kann daher alle verstehen, denen das für ein Parfum zu wenig ist, die es für zu anspruchs- und ideenlos und massenkompatibel halten und mehr von einem Haus wie Frédéric Malle erwarten. Ich hingegen finde es interessant und mutig, denn die Marke lässt sich damit ein weiteres Mal nicht festlegen und stößt sicher den einen oder die andere eingefleischte Markenliebhaber*in vor den Kopf. Zudem setzt sie mit dem deutlichen Einsatz von Aldehyden einen neuen, zarten Revivel-Trend fort, der v.a. durch Diors ‚New Look‘ angestoßen wurde. Und die Konzentration auf eine eher weniger genutzte Frucht - zumal als Hauptprotagonistin (wie z.B. in ‚09 Posala‘, und ‚Cassili‘) - ist vielleicht noch ungewöhnlicher. Diese sanfte, aber unbeirrte „Ich mach’ mein Ding“-Haltung gefällt mir neben der sehr gelungenen Ausführung am meisten.
Denn für mich ist ‚Acne Studios‘ ein Pfirsichduft. Und der Geruch eines Pfirsichs wird - wie alle Fruchttöne - vollsynthetisch durch sogenannte Ketone und/oder Aldehyde erreicht (das bekannteste ist sicher das Aldehyd C14 oder auch Gamma-Undecalacton genannte Pfirsichaldehyd aus ‚Mitsouko’ und ‚Femme‘). Dazu hat er eine leicht seifige Ausrichtung, für die in der Regel ebenfalls Aldehyde und vollsynthetische Moschusarten verantwortlich sind. Trotz dieser Zusammensetzung wirkt der Duft auf mich aber nicht übermäßig künstlich. Leicht artifiziell ja, aber gut tolerierbar.
Nur die ersten Sekunden laufen diesem Empfinden entgegen, da der Duft mit einem Aldehyd-Schwall beginnt, der mir ein paar Sekunden lang ob seiner Plastikhaftigkeit die Luft nimmt. Dann aber öffnet sich eine sanfte Pfirsichnote, begleitet von einem leicht seifigen Ton. Die Textur dieser Kombination ist sphärisch - niemals cremig - und erstaunlicherweise gewichtig. Nicht im Sinne von erdrückend, sondern präsent. Ähnlich wie Nebel trotz seiner Leichtigkeit sehr einnehmend sein kann. Erreicht wird dieser Eindruck durch eine kaum merkliche Basis, die sich nur langsam im Verlaufe des Drydowns herausschält. Für mich besteht sie v.a. aus Ethylmatol und einer Vanillinnuance. Beide erzeugen zusammen eine leicht würzige, dem Zucker zuneigende Süße. Weichholzige Facetten schwingen mit. Der Einsatz des Ethylmaltol ist dabei das größte Zugeständnis an die moderne Aromachemie und glücklicherweise sehr umsichtig und zurückhaltend eingesetzt. Die Fruchtsüße nimmt dadurch geringfügig zu und erhält eine gewisse Sattheit. Das ist die Stelle, ab der mir der Duft manchmal einen Tick zu süß ist, aber die sphärische Eigenschaft bleibt dadurch unbeeinflusst, genauso wie der über den gesamten Verlauf dominante, saubere Pfirsicheindruck.
Jetzt kann man anführen, dass dies ein recht profanes Duftprofil ist und dem würde ich nicht widersprechen. Was diesen Duft für mich allerdings so interessant macht, ist zum Einen, wie es die Parfumeurin Suzy Le Helley scheinbar mühelos schafft, ihm Gewicht und Ausdauer zu verleihen ohne dass er erdrückt und/oder penetrant wird. Das gelingt ihr meiner Einschätzung nach durch qualitativ gute Inhaltsstoffe, sowie eine ausgesprochen feinfühlige und achtsame Abstimmung und Dosierung. Vor dem Hintergrund, dass Vanillin und v.a. Ethylmaltol einen Duft schnell beherrschen, ist dies auch notwendig. Auf dem Teststreifen meine ich zudem noch eine leichte Himbeernote (Himbeerketon) zu erkennen, die die Fruchtigkeit des Pfirsichs zusätzlich etwas vertieft. Alle anderen angegebenen Noten der Duftpyramide sind für mich nicht identifizierbar, auch nicht auf der Haut. Lediglich eine ganz hintergründige, sanfte Blumennote ist manchmal noch wahrnehmbar. In der Gesamtschau wirkt das unbekümmert, leicht jugendlich, aber mit Substanz und im traditionellen, hiesigen Duftverständnis eher weiblich konnotiert.
Der zweite Aspekt, der mich an diesem Duft fesselt, ist, dass ich immer an einen Ausschnitt klassischer Chypredüfte denken muss (z.B. die beiden oben genannten), wenn ich ihn trage. Nämlich an die dort so häufig verwendete Pfirsichnote und den Einsatz von Aldehyden. Es wirkt auf mich fast so, als sei dieser Teil extrahiert worden. Aus diesem Grund macht für mich die Aussage auf der Website von Editions de Parfums Frédéric Malle auch Sinn, wenn dort von einem neoklassischen Duft gesprochen wird. Er wirkt zwar sehr modern, aber die Grundidee sehe ich in der klassischen Parfumtradition verwurzelt.
Das ist umso erstaunlicher, als das Modehaus Acne Studios einen sehr modernen, casualen Kleidungsstil entwirft. Mein Geschmack ist er nicht, aber die bequemen Oversized-Schnitte passen zu dem unkomplizierten, „voluminösen“ (im oben erläuterten Sinn) Duftprofil. Hinzu kommt eine Substanz und Alltagseleganz, die man als Äquivalent zu den wahrscheinlich qualitativ wertigen Stoffen und Verarbeitungen der Marke sehen könnte. Und die Assoziation zur Sauberkeit, die der Duft hervorruft, passt ebenfalls zum Thema Kleidung.
Womit wir bei der Grundidee für dieses Parfums angelangt wären: Waschmittel. Denn die Parfümeurin hat nach eigener Aussage versucht, den Geruch von Weichspüler darzustellen. Allerdings luxuriöser als das normalerweise der Fall ist. Aus meiner Sicht erreicht sie das, wobei ich beim Kennenlernen des Dufts nie diese Verknüpfung hergestellt habe. Aber viele andere Rückmeldungen zu diesem Parfum tun dies.
Ich kann daher alle verstehen, denen das für ein Parfum zu wenig ist, die es für zu anspruchs- und ideenlos und massenkompatibel halten und mehr von einem Haus wie Frédéric Malle erwarten. Ich hingegen finde es interessant und mutig, denn die Marke lässt sich damit ein weiteres Mal nicht festlegen und stößt sicher den einen oder die andere eingefleischte Markenliebhaber*in vor den Kopf. Zudem setzt sie mit dem deutlichen Einsatz von Aldehyden einen neuen, zarten Revivel-Trend fort, der v.a. durch Diors ‚New Look‘ angestoßen wurde. Und die Konzentration auf eine eher weniger genutzte Frucht - zumal als Hauptprotagonistin (wie z.B. in ‚09 Posala‘, und ‚Cassili‘) - ist vielleicht noch ungewöhnlicher. Diese sanfte, aber unbeirrte „Ich mach’ mein Ding“-Haltung gefällt mir neben der sehr gelungenen Ausführung am meisten.
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