Umkommentierte Düfte No. 64
Was oder wer auch immer daran schuld ist: Von Etat Libre d'Orange hat es bisher noch kein Duft in meine Sammlung geschafft, obwohl mir das Konzept der Marke gefällt, die Ideen hinter den Düften gefallen, das schlichte, klare Design und das Marketing gefällt...
An Remarkable People lässt sich wieder einmal geradezu exemplarisch ablesen, warum das so ist - und ich vermute, dass ich nicht der einzige bin, dem es so ergeht: große Hoffnung, leise Enttäuschung.
In der Kopfnote soll sich eine Grapefruit befinden, was mir grundsätzlich gefallen müsste. Grapefruit-Noten, denen etwas Fleischiges, Animalisches anhaftet (z.B. Czech & Speakes Citrus Paradisi), sind eine spannende Alternative zu den eher frisch-hellen, manchmal belanglosen Hesperidiennoten. Hier dagegen ist Grapefruit auch nur eine blasse Ahnung ihrer selbst, deren leises Lüftchen von jeder satten Zitronennote davongeweht werden würde.
Was tatsächlich ein Champagner-Akkord sein soll und wie er komponiert wird, überlasse ich findigen Parfümeuren und ihrem Arkanwissen; sicherlich lässt sich das nachvollziehbar erklären; hier fehlt mir eine solche Note, die ich mit Champagner, Wein, Alkoholischem, Spritzigem, was auch immer in dieser Art verbinden könnte, völlig. Eigentlich eine weitere Enttäuschung, denn das hätte spannend werden können.
Auch auf die wundersame Erscheinung von Curry warte ich vergebens. Sicherlich kann man sich einen sanften Hauch dieses Gewürzes einbilden, wenn man lange genug wartet; zwingend nachvollziehbar erscheint es mir aber nicht.
Am leichtesten erkennbar sind wohl die Holznoten, die vermutlich von Lorenox herrühren; Sandelholz dagegen, mit seinem weichen, warmen Ton kann hier allenfalls als sanfte Grundierung enthalten sein.
Ich übergehen die weiteren, vom Hersteller genannten Duftnoten, weil sie ohnehin eher zu den Standards vieler Unisex- oder Herrendüften gehören und kein Alleinstellungsmerkmal sein können.
Und so wird aus dem gesamten Mix, der in den Kessel gegossen wurde, ein eher ungewürztes Süppchen, das leider m.E. den neuen Stil des Hauses ELdO verkörpert: etwas blass, ohne klare Ecken und Kanten und damit genau das Gegenteil von dem, was das übergeordnete Marketingkonzept der Marke verspricht (...Duft ist tot, es lebe der Duft; die Neuerfindung des Duftes... etc.).
Wie schade! Mit etwas mehr Mut zum Risiko, wäre da mehr drin gewesen, wie einige Düfte aus den Anfangstagen von ELdO (oder von anderen, ebenso innovativen Marken) beweisen. Selbst Comme des Garcons oder Lush, die schon eher auf einen Massenmarkt zielen, boten und bieten da deutlich mehr.
Allenfalls im Sinne einer dialektischen Umkehrung wäre da ein quasiphilosophischer Überbau konstruierbar, der wiederum zur Marke passen würde: Nimmt man den Titel im Sinne von ELdO's Konzept "ernst" (Remarkable People) und versteht ihn als Umkehrung dessen, was er meint (so, wie schon öfters bei ELdO), dann muss sich hinter einem solchen Markennamen geradezu zwingend ein sanfter Duft verbergen, der seinen Träger / seine Trägerin eben gerade nicht nachhaltig bemerkbar bzw. bemerkenswert macht. Aber das ist vielleicht wirklich zu sehr um die Ecke gedacht.
Was aber ist nun der erste konkrete Eindruck des Duftes, wenn all die genannten Komponenten kaum wahrnehmbar sind?
Aus meiner Sicht ergibt sich ein recht körpernaher, minimal pudriger und zugleich holziger Duft, der auch mit anderen Mitteln umsetzbar wäre. Die Kombination aus Bergamotte und Lavendel mit einer Prise Aldehyde und einer sanften Moschusgrundierung, ggf. noch ein bisschen Tonkabohne für den weichen Abklang, ergäbe einen ähnlichen Ton, den man tausendfach im Sortiment der großen Mainstreammarken findet. Eine etwas künstliche Holznote dazu - und fertig ist ein neuer Herrenduft für die aktuelle Saison, der im kommenden Jahr aus den Regalen verschwindet und schnell vergessen wird.
Und so erhebt sich aus all diesen Noten, die anfangs noch recht vielversprechend klingen, wieder einmal ein Duft, der nichts mit der ursprünglichen Idee von ELdO zu tun hat.
Ich hoffe nicht, dass ich da vollkommen neben dem Urteil der meisten Leser liege. Aus Protest setze ich jetzt Fat Electrician von ELdO auf meine Wunschliste. Den wollte ich schon länger haben, der ist leise und doch spannend, neu im Konzept resp. innovativ, - wenn auch aus dem Jahre 2009. Schließlich muss doch mal ein ELdO in meiner Sammlung landen!