loewenherz
Top Rezension
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Ever been to San Francisco?
'New bohemien', so nennt ihn Etro selbst - Greene Street, benannt nach einer hübschen Straße in SoHo, mitten in Manhattan. Vor ein paar Tagen habe ich einen Kommentar über Bond No. 9's Bleecker Street geschrieben, das in Greenwich Village quasi um die Ecke liegt und als Duft nicht unähnlich und dann doch ganz anders ist. Doch wüsste ich nicht, wo die Greene Street liegt - dieser sehr schöne Duft von Etro hätte mich in eine ganze andere Stadt am anderen Rand des Kontinents versetzt.
Ever been to San Francisco? No? Follow me!
Ich stehe an den Painted Ladies, jenen berühmten, pastellfarbenen Holzhäusern am Alamo Square - die Skyline mit der markanten Transamerica Pyramid gleich dahinter, tausendfach fotografiert. Die Wiese - übersät mit Leuten aus dem Viertel, die lesen, telefonieren oder einfach dösen - wurde erst gestern frisch gemäht. Ein starker, beinahe wilder Heuduft folgt mir nach, als ich Alamo Square hinter mit lasse. Es ist Frühsommer in Kalifornien, und in den kleinen Gärten und den Kübeln vor den hübschen Treppenaufgängen grünt und blüht es kräftig. Ich folge der Hayes Street über die Divisadero Street hinaus und gehe ein paar Blocks in Richtung Westen - langsam und ganz ohne Eile.
Ein Hund liegt auf dem Bürgersteig, er blinzelt mir zu, als ich mich nähere - ich halte kurz und streichle ihn am Hals. Dann gehe ich weiter - Richtung Süden, der Hund bellt mir protestierend hinterher - weiter Richtung Haight Street. Vor dem Red Victorian Hotel halte ich inne - raucht hier wirklich jemand Haschisch? Die Straße ist laut und bunt und voller Menschen - viele davon sicher Besucher so wie ich. Bei Wholefoods organisiere ich mir ein Sticky Bun - noch warmer Hefeteig mit Butter und gebranntem Zucker, der Zucker verklebt mir meine Finger.
Die Sonne wird jetzt stärker, als ich zurück nach Osten gehe - die Waller Street entlang. Ein Jogger kommt mir auf dem Bürgersteig entgegen - in nichts als seinen Laufschuhen und einer sehr kurzen Hose, sein muskulöser Oberkörper glänzt wie Bronze. Hat er mir gerade zugezwinkert? Ich drehe mich um, als er vorbei läuft, und er hebt zum Gruß die Hand. Vor einem Haus - viktorianisch und aus Holz, hellgelb gestrichen und mit weißem Giebel - ist Feuerholz aufgestapelt und duftet warm-balsamisch in der Mittagssonne.
Buena Vista Park - niemand ist hier. Doch, halt - da hinten sitzt ein altes Paar. Sie liest in einem Buch, und er beobachtet sie dabei, dann schaut er hoch, sein Blick folgt einer frühen Schwalbe. Den Hang hinauf ist unter hohen Bäumen ein Stück Wiese - ich breite die Strickjacke aus, die ich die ganze Zeit schon in der Hand trage. Dann liege ich im Gras, den Kopf auf meiner Jacke. Nach einer Weile (oder war es eine Stunde?) kann ich hören, wie das alte Paar aufsteht und fort geht - und einen Lieferwagen. Im Mundwinkel schmecke ich einen letzter Krümel Karamell.
Fazit: trockenes Heu zu Beginn, dann etwas kleines Frisches - mehr duftig als blumig zu nennen. Es folgt eine gourmandige Süße - buttrig und mit zarter Karamellnote, und er klingt aus mit warmem Holz in einer sanften Sprödigkeit wie von grober, weicher Wolle. In seiner Kombination aus krautig-grün plus frischem Kuchen gleichsam überraschend wie sehr schön - fast (aber wirklich nur fast) so schön wie mein kleiner Gang durch San Francisco. Bald wieder!