13.02.2020 - 14:12 Uhr
Parfümlein
123 Rezensionen
Parfümlein
Top Rezension
48
Ist er zu stark, bist du zu schwach oder: Wie ich beim Testen in Ohnmacht fiel
Filippo Sorcinelli. Der Typ ist cool. Richtig cool. Wer ihn einmal gesehen hat, seine Tattoos, seine schwarze Kleidung, das Bärtchen, die John-Lennon-Brille, wer gesehen hat, wie er an der Orgel improvisiert und wie er mühelos zwischen Französisch und Italienisch wechselt, ahnt, dass er wirklich cool ist und nicht nur so aussieht. Ein Individualist sondergleichen, hochsensibel auf einem Weg unterwegs, auf dem ihm wahrscheinlich nicht viele folgen können. Wer ihn sich ansehen will: Die liebe Eyris (ich höre gerade: empfohlen durch den ebenfalls sehr netten Exaltatus) hat den Link zu einem faszinierenden Video aufgetan: https://www.youtube.com/watch?v=OYvr9CPlT9s. Sollte man sich eigentlich angesehen haben, bevor man sich diesen Duft langsam und behutsam zu Gemüte führt.
Das fängt ja schon beim Flakon an - hatte jemand schon einmal solch einen Flakon in der Hand? Schon beim Auspacken absolut vorsichtig, habe ich versucht, die Drapierung des silbernen, feinen Stoffes nicht durcheinanderzubringen, aber genau das geschieht, wenn man den unter dem Stoff verborgenen, sehr imposanten Deckel öffnet - schon beim Öffnen symbolisiert dieses Arrangement vollkommene Flüchtigkeit des Kunstwerkes, das sich nie mehr so fassen lässt, wie der Künstler es gemeint hat. Der Glaskörper des Flakons ist mit seinen silbernen Beschlägen mehr als edel, die Schriftweise mit den Unterstrichen schafft dabei die Verbindung zur Gegenwart:_Quando_rapita_in_estasi_- echtes Understatement, das hier eine Saite der italienischen Seele zum Klingen bringt, für die sich, so Filippo Sorcinellis Aussage, der Italiener auch 2020 also nicht zu schämen braucht: tiefe, unendliche, tödliche Leidenschaft. Das Zitat aus der Oper zitiere ich hier aus der Seite von ALZD (https://www.ausliebezumduft.de/unum-quando-rapita-in-estasi.html; 13.2.2020):
"Gaetano Donizetti, eine Arie aus der berühmten Szene des Wahnsinns von „Lucia di Lammermoor“. Eine Oper, die durch die Interpretation von Maria Callas berühmt wurde.
Quando rapita in estasi
Del più cocente ardore
Col favellar del core
Mi giura eterna fê,
Gli affanni miei dimentico,
Gioja diviene il pianto,
Parmi che a lui d'accanto,
Sì schiuda il ciel per me.
LUCIA
Wenn in Ekstase entrückt,
voll brennender Leidenschaft,
in der Sprache des Herzens,
schwört er ewige Liebe,
Ich vergesse meine Sorgen
und die Freude trocknet meine Tränen,
und wenn ich ihm nah bin, scheint es mir,
als öffnete der Himmel sich."
Quando rapita in estasi - in Extase entrückt. Treffender könnte der Dufteindruck nicht beschrieben werden. Wie soll ich es Euch erklären: Es haut einen um. Was einem da entgegenkommt, kann man unmöglich länger als eine halbe Minute ertragen, ohne umzufallen. Man muss schon ziemlich hart sein, um dabei gelassen zu bleiben. Es ist Rauch. Rauch von einer unerträglichen, unermesslichen Härte und Intensität, dass einem die Tränen kommen und der Atem stockt. Man flüchtet ins Freie, atmet tief durch - zu spät. Dieser unglaublich intensive, harte, bittere, trockene Rauch in Flammen stehender Tannen nimmt den ganzen Raum um einen herum ein; die Sillage könnte ohne Übertreibung mit 25 angegeben werden. Dieser Rauch ist ABSOLUT hart. Unfassbar HÄSSLICH und zugleich WUNDERSCHÖN. Nie zuvor habe ich so etwas gerochen. Wenn es hier um Liebe und Leidenschaft geht - und das soll es wohl, wenn der Titel mit den Zeilen des Librettos in Verbindung gebracht wird -, dann handelt es sich nicht um ein kleines Verliebtsein, rote Rosen und ein Herzchenmuffin am Valentinstag. Das, was hier assoziiert wird, ist ein Tsunami, eine Lawine, ein Hurrikan, etwas unerträglich Mächtiges, eine Naturgewalt: "Ich liebe Dich. Wenn ich Dich nicht bekomme, dann werde ich AUF DER STELLE sterben, werde mir das schärfste Messer, das ich finde, augenblicklich in den Leib rammen. Und wenn ich Dich bekomme, dann wird es so unermesslich, unerträglich intensiv sein, dass ich ebenfalls sofort auf der Stelle sterbe. Vor Liebe verglühe."
Tja, das ist wirklich harter Tobak, und man muss darauf eingestellt sein, diesen Duft zu testen. Am besten vor einem Urlaub, denn das hier geht nie mehr weg. Nicht aus den Kleidern, nicht aus dem Zimmer. Ich hatte gelüftet, und vom Hof her dachte man, ich hätte ein Feuer im Zimmer entzündet. Der Duft schwebte stundenlang über dem Hof.
Und - oh Wunder, oh sanftmütige Geliebte - nach einiger Zeit wandelt sich der Duft: Der Rauch bleibt, doch etwas Leises, Zartes kommt hinzu: ein sehr blumiger Seifenton, frisch gewaschen wie ein junges Mädchen, das sich nach dem Bad sein Leinenhemdchen überzieht und barfuß über die Steinplatten dem Geliebten entgegeneilt. Weniger wie die große Diva, sondern wie der junge Frühling. Maiglöckchen, sehr dominant, und Pfirsichanklänge, süßlich-weich. Immer jedoch dröhnt von irgendwoher das Dunkle, Unergründliche, Harte nach vorn, es verschwindet nicht, wie gesagt, es bleibt, es wird nur durchdrungen von den seifig-blumigen Tönen. Zwei vollkommene Gegensätze, die aufeinanderprallen; man ist geneigt, von "männlich" und "weiblich" zu sprechen, wenn es nicht so übertrieben dramatisch wäre, so italienisch-opernhaft eben.
Ihr müsst diesen Duft testen. Nehmt Euch Zeit. Seid allein mit Euch im Raum. Geht danach nicht arbeiten. Nehmt Rücksicht auf alle, die Euch noch begegnen könnten. Macht Euch klar: Das hier ist keine Spielerei. Das ist eine Aussage. Man muss vorher entscheiden, ob man das wirklich sagen will, was man mit diesem Parfum sagt. Hinterher ist es zu spät. Ja, testet den Duft. Sagt mir, wann bei Euch die Vanille, die Tonkabohne auftaucht. Und was von diesem Feuerwerk wohl das süße Opium sein könnte. Aber seid nicht leichtsinnig: _Quando_rapita_in_estasi_ ist nichts für Schwächelnde und Kleingeister. Es ist, soviel steht fest, wirklich ein großer, starker Duft.
Das fängt ja schon beim Flakon an - hatte jemand schon einmal solch einen Flakon in der Hand? Schon beim Auspacken absolut vorsichtig, habe ich versucht, die Drapierung des silbernen, feinen Stoffes nicht durcheinanderzubringen, aber genau das geschieht, wenn man den unter dem Stoff verborgenen, sehr imposanten Deckel öffnet - schon beim Öffnen symbolisiert dieses Arrangement vollkommene Flüchtigkeit des Kunstwerkes, das sich nie mehr so fassen lässt, wie der Künstler es gemeint hat. Der Glaskörper des Flakons ist mit seinen silbernen Beschlägen mehr als edel, die Schriftweise mit den Unterstrichen schafft dabei die Verbindung zur Gegenwart:_Quando_rapita_in_estasi_- echtes Understatement, das hier eine Saite der italienischen Seele zum Klingen bringt, für die sich, so Filippo Sorcinellis Aussage, der Italiener auch 2020 also nicht zu schämen braucht: tiefe, unendliche, tödliche Leidenschaft. Das Zitat aus der Oper zitiere ich hier aus der Seite von ALZD (https://www.ausliebezumduft.de/unum-quando-rapita-in-estasi.html; 13.2.2020):
"Gaetano Donizetti, eine Arie aus der berühmten Szene des Wahnsinns von „Lucia di Lammermoor“. Eine Oper, die durch die Interpretation von Maria Callas berühmt wurde.
Quando rapita in estasi
Del più cocente ardore
Col favellar del core
Mi giura eterna fê,
Gli affanni miei dimentico,
Gioja diviene il pianto,
Parmi che a lui d'accanto,
Sì schiuda il ciel per me.
LUCIA
Wenn in Ekstase entrückt,
voll brennender Leidenschaft,
in der Sprache des Herzens,
schwört er ewige Liebe,
Ich vergesse meine Sorgen
und die Freude trocknet meine Tränen,
und wenn ich ihm nah bin, scheint es mir,
als öffnete der Himmel sich."
Quando rapita in estasi - in Extase entrückt. Treffender könnte der Dufteindruck nicht beschrieben werden. Wie soll ich es Euch erklären: Es haut einen um. Was einem da entgegenkommt, kann man unmöglich länger als eine halbe Minute ertragen, ohne umzufallen. Man muss schon ziemlich hart sein, um dabei gelassen zu bleiben. Es ist Rauch. Rauch von einer unerträglichen, unermesslichen Härte und Intensität, dass einem die Tränen kommen und der Atem stockt. Man flüchtet ins Freie, atmet tief durch - zu spät. Dieser unglaublich intensive, harte, bittere, trockene Rauch in Flammen stehender Tannen nimmt den ganzen Raum um einen herum ein; die Sillage könnte ohne Übertreibung mit 25 angegeben werden. Dieser Rauch ist ABSOLUT hart. Unfassbar HÄSSLICH und zugleich WUNDERSCHÖN. Nie zuvor habe ich so etwas gerochen. Wenn es hier um Liebe und Leidenschaft geht - und das soll es wohl, wenn der Titel mit den Zeilen des Librettos in Verbindung gebracht wird -, dann handelt es sich nicht um ein kleines Verliebtsein, rote Rosen und ein Herzchenmuffin am Valentinstag. Das, was hier assoziiert wird, ist ein Tsunami, eine Lawine, ein Hurrikan, etwas unerträglich Mächtiges, eine Naturgewalt: "Ich liebe Dich. Wenn ich Dich nicht bekomme, dann werde ich AUF DER STELLE sterben, werde mir das schärfste Messer, das ich finde, augenblicklich in den Leib rammen. Und wenn ich Dich bekomme, dann wird es so unermesslich, unerträglich intensiv sein, dass ich ebenfalls sofort auf der Stelle sterbe. Vor Liebe verglühe."
Tja, das ist wirklich harter Tobak, und man muss darauf eingestellt sein, diesen Duft zu testen. Am besten vor einem Urlaub, denn das hier geht nie mehr weg. Nicht aus den Kleidern, nicht aus dem Zimmer. Ich hatte gelüftet, und vom Hof her dachte man, ich hätte ein Feuer im Zimmer entzündet. Der Duft schwebte stundenlang über dem Hof.
Und - oh Wunder, oh sanftmütige Geliebte - nach einiger Zeit wandelt sich der Duft: Der Rauch bleibt, doch etwas Leises, Zartes kommt hinzu: ein sehr blumiger Seifenton, frisch gewaschen wie ein junges Mädchen, das sich nach dem Bad sein Leinenhemdchen überzieht und barfuß über die Steinplatten dem Geliebten entgegeneilt. Weniger wie die große Diva, sondern wie der junge Frühling. Maiglöckchen, sehr dominant, und Pfirsichanklänge, süßlich-weich. Immer jedoch dröhnt von irgendwoher das Dunkle, Unergründliche, Harte nach vorn, es verschwindet nicht, wie gesagt, es bleibt, es wird nur durchdrungen von den seifig-blumigen Tönen. Zwei vollkommene Gegensätze, die aufeinanderprallen; man ist geneigt, von "männlich" und "weiblich" zu sprechen, wenn es nicht so übertrieben dramatisch wäre, so italienisch-opernhaft eben.
Ihr müsst diesen Duft testen. Nehmt Euch Zeit. Seid allein mit Euch im Raum. Geht danach nicht arbeiten. Nehmt Rücksicht auf alle, die Euch noch begegnen könnten. Macht Euch klar: Das hier ist keine Spielerei. Das ist eine Aussage. Man muss vorher entscheiden, ob man das wirklich sagen will, was man mit diesem Parfum sagt. Hinterher ist es zu spät. Ja, testet den Duft. Sagt mir, wann bei Euch die Vanille, die Tonkabohne auftaucht. Und was von diesem Feuerwerk wohl das süße Opium sein könnte. Aber seid nicht leichtsinnig: _Quando_rapita_in_estasi_ ist nichts für Schwächelnde und Kleingeister. Es ist, soviel steht fest, wirklich ein großer, starker Duft.
17 Antworten