Nun, welche ‚cruel intentions’ mag Madame Lancesseur wohl im Sinn gehabt haben als sie diesen Duft kreierte? Waren es böse Absichten ‚eiskalter Engel’, oder gemeine Pläne ‚gefährlicher Liebschaften’..... Oder erschöpften sich ihre ‚cruel intentions’ einfach nur in dem Versuch ein Plagiat zu platzieren?
Denn ein solches ist dieser Duft - was aber weiter nicht schlimm ist, da in der Parfumbranche bekanntlich gängige Praxis. Düfte wie Vent Vert oder Cool Water wurden hundertfach kopiert, zumeist mit mäßigen Ergebnissen.
Welche ‚cruel intentions’ diesem Duft also auch immer zugrunde gelegen haben mögen, welche ihn inspirierten, oder auch in mir als potenziellen Benutzter hervorgerufen werden sollen – all das erschließt sich mir nicht. Das einzige was sich mir erschießt, ist eine innige Verwandtschaft mit einem Duft, der dem Genre der Aoud-dominierten Parfums, ordentlich Auftrieb gegeben hat, ja der in gewisser Weise verantwortlich dafür ist, dass Parfums mit dieser Ingredienz seit einigen Jahren geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen, obwohl er selbst alles andere als ein Erfolg war, bzw. nicht der, den man sich erhoffte. Ich meine Yves-Saint Laurents M7.
Dabei ist Cruel Intentions keine exakte Kopie von M7: der Auftakt ist etwas frischer, der mittlerer Teil nicht ganz so süßlich-schwer nach Brombeeren und Gummi riechend, und die Basis erhält mit Styrax eine etwas rauchigere Prägung, ansonsten ist aber beider Gerüst identisch: Bergamotte – Aoud – Vetiver – Moschus
Ein weiterer Duft mag Cruel Intenstions als Blaupause gedient haben, nämlich Habit Rouge EdP. Hier wurde das klassische Habit Rouge Aroma mit einem kräftigen Schuss Aoud angereichert, was dazu führte, dass dieser Duft zwar seine typische pudrige Frische und Staubigkeit behielt, nunmehr aber von beinahe dröhnendem Adlerholz dominiert wird – ein Kontrast, der seine Reize hat, für eingefleischte Habit Rouge Fans aber eine ziemliche Zumutung darstellt. Ich mag diese Variante von Habit Rouge dennoch, und habe bisher kaum einen Duft erlebt, der dem schwer zu bändigenden, medizinischen Ton des Adlerholzes ein eleganteres Umfeld böte.
Cruel intentions nun borgt sich die Kopfnoten von Habit Rouge EdP, schwenkt im Mittelteil Richtung M7, nimmt dabei ein paar kreidige Noten mit, ist dann eine lange Zeit absolut identisch mit M7, und erst ganz zum Schluss entwickelt der Duft so etwas wie eine eigene Aussage: einen leisen, fast schüchternen Akkord von kaum wahrnehmbaren Castoreum im Zusammenspiel mit Storaxharzen und Vanille. Ein kleiner Epilog, ein scheues Aufflackern von Eigenwilligkeit, nicht mehr.
Es versuchen sich ja viele an diesem komplexen Material mit Namen: Aoud, Oud, Agarwood oder Adlerholz (eigentlich ein Räucherholz), allen voran Nischenfirmen wie Montale und Micallef aber auch einige andere. Mal versucht man es in ein blumigeres Gewebe einzubinden, mal in ein fruchtiges, dann wieder in ein ledriges – aber in bisher noch jedem Gemenge schneidet es fanfarengleich durch die Komposition hindurch und beansprucht lauthals die Primadonnen-Rolle. Aber, wie Primadonnen eben so sind: mal möchte man sich ihnen zu Füssen werfen, dann wieder sind sie derart pentrant und peinigend, dass man nur noch Reißaus nehmen möchte... Das macht Düfte mit Aoud-Dominanz für mich so anstrengend: sie sind in gewisser Weise immer laut und exaltiert – Primadonnen eben.
Aber nein, vor Cruel Intentions muss man nicht fliehen: der Duft ist wahrlich nicht schlecht. Er ist gut gemacht, hat Substanz und exzellente Haltbarkeit, und, was gar nicht so unwichtig ist: er riecht gut!
Nur, von einem Parfum dieser Preiskategorie, einem Parfum also, das zu den Edelsten der Edlen zählen möchte, für das man 175 Euro für einen 50ml Flakon (die 150 € für den 100ml Nachfüll-Flakon sind immer noch happig...) von mir haben möchte, wollte ich es mein eigen nennen, von einem solchen Parfum verlange ich ein wirklich hohes Maß an Originalität und Qualität. Letztere mag gegeben sein: die Inhaltstoffe und Parfumöle sind vermutlich nicht die billigsten – ich kann das nicht beurteilen, aber man darf davon ausgehen. Einen derartigen Preis aber rechtfertigen sie noch lange nicht.
Bleibt die Originalität, und die ist meiner Ansicht nach nicht gegeben: der Duft ist ein uninspirierter Klon, dem ein exklusives Mäntelchen umgelegt wurde – mir genügt das nicht.
Ich muss allerdings gestehen, dass es mir mit allen Kilian-Düften die ich bisher getestet habe so erging – sie sind gut gemacht, aber das war´s auch schon. Kein Mut zu neuen Ufern aufzubrechen oder neu Pfade zu betreten, stattdessen werden bereits erfolgreich beschrittene, oder sogar längst ausgetretene Pfade einmal mehr eingeschlagen, mit einem kleinen Twist hierhin oder dorthin, aber – wie gesagt – immer darauf bedacht nicht zu weit abseits von Vertrautem zu gelangen. Dem Kunden, dem dieses Luxus-Produkt angedient werden soll, traut Kilian offenbar recht wenig zu, jedenfalls nicht den Mut einen außergewöhnlichen Duft zu tragen.
Frederic Malle beispielsweise geht bei seinen Kunden doch von weitaus mehr Mut und Ungebundenheit in Geschmacksdingen aus, denn seine Kreationen besitzen - zumeist – ein hohes Maß an Eigenwilligkeit und Charakter. Man muss sie, wenn man sie mag, ihrer Einzigartigkeit wegen mit einem gewissen Stolz tragen, denn sie fallen auf und provozieren Reaktionen, welcher Art auch immer.
Die Düfte von Kilian (Credo: Perfekte Verbindung von Eleganz und kompromisslosem Luxus) gehen gar nicht erst so weit. Sie setzten auf Vertrautes und Bewährtes und ihr Träger bzw. ihre Trägerin werden nie Gefahr laufen sich mit ihnen über Gebühr zu exponieren.
Harmlos wie sie sind, erfordern sie weder Mut noch Stolz – nur ein kompromisslos gut gefülltes Portemonnaie.
PS: Vielen Dank an Eternity und Apicius für die Probe!