10.03.2019 - 15:47 Uhr
Meggi
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Ein Engländer in Rom
„Ein Amerikaner in Paris“ ist eine Orchester-Komposition von George Gershwin, entstanden 1928 nach einem Paris-Aufenthalt (youtube.com/watch?v=zi0ENw-JlUI). Mir fiel der Titel des Stückes ein, weil mir nach dem Auftragen von 1# Nota di Viaggio der Gedanke kam, es mit einem Engländer in Rom zu tun zu haben. Einem ganz konkreten Engländer…
Ein bisschen was Frisches täuscht an, irgendwas Ätherisches, wie der Geruch eines Anis-Lollis vielleicht, Pfeffer reicht dafür nicht. Bevor ich Näheres herausfinden kann, walzt auf einem sich in Nullzeit ausrollenden Patchouli-Teppich ein Schwall Rosengeranie heran – mit einer Wucht, die ich nicht erwartet hatte und erst verarbeiten muss, ehe ich mich wieder der begleitenden Frische zuwenden kann. Ich denke diesbezüglich nun an Eukalyptus und das war auch die spontane (und eigenständige) Idee meiner Lieblingskollegin dazu. Pfeffer reicht dafür jedenfalls immer noch nicht. Außerdem dürften bissige Andeutungen von Eugenol, also etwas aus der Gewürznelken-Ecke, beteiligt sein. Stark.
Und für ein paar Minuten entführt mich dieses geranisch-eugenolische Geknarze zurück an die Columbia Road in London, wo ich mir im schnuckeligen Ladengeschäft von Angela Flanders ihren „Artillery No. 4 – Vetivert“ mitgenommen hatte. 1# erinnert mich vornean tatsächlich an den (allerdings einen Zacken bärbeißigeren) Londoner. Ein guter Duft, der es nicht verdient hat, auf Parfumo nur kärgliche zwei Besitzer zu haben.
Die verblüffende Ähnlichkeit schwindet sich indes rasch, als ein Schleier von Grün und von mildsüßer Frucht den Italiener abzufedern beginnt. Allenfalls ein Winzwinzwinz-Hauch von Käsefüßigkeit legt den Gedanken an die angegebene Bergamotte nahe; meines Erachtens passt sehr reife Mandarine besser. Egal, ist ohnehin bloß ein Anflug.
Bald helfen behutsame balsamische Noten, das Raue weiter zu bändigen. Eine ernsthafte Vanille mit karamelligem Einschlag, deren Schmelz auf mich außerordentlich italienisch wirkt. Ihre cremige Süße dämpft die schärfsten Kanten ab. Parallel dringt prägnantes Patchouli durch, erdig-säuerlich. Es wird in der Folgezeit zum vorherrschenden Aroma. Nicht als Widersacher; vielmehr bettet es das Kratzige und Würzige der Vorhut maßvoll in den eigenen Auftritt ein, um schließlich seinerseits der der neuen, dezent creme-gemilderten Linie zu folgen, ohne jedoch im Mindesten enteiert zu werden. Echte Souveränität zeigt sich hier im entspannten Miteinander. „So isses…“, flüstert augenzwinkernd die Vanille.
Und dann ist eine Weile Stillstand. Wenn la bella figura fertig ist, gilt es halt, das Erscheinungsbild zu wahren. Und selbiges ist von großer Eleganz: Kräftig-rauen Aspekten, denen sich unmittelbar auf der Haut nunmehr auch tiefdunkles, erdig-nussiges Vetiver(!) beigesellt hat, wird gerade eben die Spitze gebrochen von unserer Spur cremig-vanillig-karamelliger Süße sowie einem – ich bin mir dessen freilich nicht sicher – minimal-floralen Dreh.
Gegen Mittag werden die verbliebenen kratzigen Aromen zu einer Ahnung, die dennoch weiterhin gelegentlich unvermittelt die Nase umweht, während direkt auf der Haut eine balsamisch-vanillige Schicht deutlich überwiegt. Dunkel bleibt es, ernsthaft und erwachsen. Im Laufe des Nachmittags verblasst der Duft, ohne charakterlich an Profil einzubüßen. Erst auf seine alten Tage – sehr leise ist es geworden - setzt er der dezenten Creme schließlich einen relativen Vetiver-Schwerpunkt entgegen. Denkt da jemand aus der Ferne an London? Ich tu’s!
Vermutlich ließe bzw. lässt ein Londoner weitaus mehr Rom zu als ein Amerikaner Paris. Gershwins jazzig-schmissiges Stück entführt den unvoreingenommenen Hörer im Leben nicht nach Paris. Obwohl der Komponist den Reigen der Instrumente sogar um (angeblich original französische) Taxi-Tröten ergänzte, deren Aufgabe eine Art Hupkonzert ist, ist das Werk durch und durch amerikanisch geraten. Ich glaube, die können gar nicht anders. Der italienische Schmelz in 1# Nota di Viaggio „darf“ da wesentlich mehr, nämlich den Londoner Beitrag aus meiner persönlichen, kleinen Erinnerung komplett in Richtung Süden assimilieren.
Fazit: Mir gefällt der Duft sehr gut. Dass er zum Start eher markig als fein ist, tut der Eleganz erstaunlicherweise keinen Abbruch. Perfekt vor allem für dunklere Typen mit gepflegtem Drei-Tage-Bart. Ich muss mich da womöglich ein bisschen recken. Aber tolles Zeug. Nur die Orient-Geschichte drumherum sollten wir vergessen.
Ich bedanke mich bei Gerdi für die Probe.
Ein bisschen was Frisches täuscht an, irgendwas Ätherisches, wie der Geruch eines Anis-Lollis vielleicht, Pfeffer reicht dafür nicht. Bevor ich Näheres herausfinden kann, walzt auf einem sich in Nullzeit ausrollenden Patchouli-Teppich ein Schwall Rosengeranie heran – mit einer Wucht, die ich nicht erwartet hatte und erst verarbeiten muss, ehe ich mich wieder der begleitenden Frische zuwenden kann. Ich denke diesbezüglich nun an Eukalyptus und das war auch die spontane (und eigenständige) Idee meiner Lieblingskollegin dazu. Pfeffer reicht dafür jedenfalls immer noch nicht. Außerdem dürften bissige Andeutungen von Eugenol, also etwas aus der Gewürznelken-Ecke, beteiligt sein. Stark.
Und für ein paar Minuten entführt mich dieses geranisch-eugenolische Geknarze zurück an die Columbia Road in London, wo ich mir im schnuckeligen Ladengeschäft von Angela Flanders ihren „Artillery No. 4 – Vetivert“ mitgenommen hatte. 1# erinnert mich vornean tatsächlich an den (allerdings einen Zacken bärbeißigeren) Londoner. Ein guter Duft, der es nicht verdient hat, auf Parfumo nur kärgliche zwei Besitzer zu haben.
Die verblüffende Ähnlichkeit schwindet sich indes rasch, als ein Schleier von Grün und von mildsüßer Frucht den Italiener abzufedern beginnt. Allenfalls ein Winzwinzwinz-Hauch von Käsefüßigkeit legt den Gedanken an die angegebene Bergamotte nahe; meines Erachtens passt sehr reife Mandarine besser. Egal, ist ohnehin bloß ein Anflug.
Bald helfen behutsame balsamische Noten, das Raue weiter zu bändigen. Eine ernsthafte Vanille mit karamelligem Einschlag, deren Schmelz auf mich außerordentlich italienisch wirkt. Ihre cremige Süße dämpft die schärfsten Kanten ab. Parallel dringt prägnantes Patchouli durch, erdig-säuerlich. Es wird in der Folgezeit zum vorherrschenden Aroma. Nicht als Widersacher; vielmehr bettet es das Kratzige und Würzige der Vorhut maßvoll in den eigenen Auftritt ein, um schließlich seinerseits der der neuen, dezent creme-gemilderten Linie zu folgen, ohne jedoch im Mindesten enteiert zu werden. Echte Souveränität zeigt sich hier im entspannten Miteinander. „So isses…“, flüstert augenzwinkernd die Vanille.
Und dann ist eine Weile Stillstand. Wenn la bella figura fertig ist, gilt es halt, das Erscheinungsbild zu wahren. Und selbiges ist von großer Eleganz: Kräftig-rauen Aspekten, denen sich unmittelbar auf der Haut nunmehr auch tiefdunkles, erdig-nussiges Vetiver(!) beigesellt hat, wird gerade eben die Spitze gebrochen von unserer Spur cremig-vanillig-karamelliger Süße sowie einem – ich bin mir dessen freilich nicht sicher – minimal-floralen Dreh.
Gegen Mittag werden die verbliebenen kratzigen Aromen zu einer Ahnung, die dennoch weiterhin gelegentlich unvermittelt die Nase umweht, während direkt auf der Haut eine balsamisch-vanillige Schicht deutlich überwiegt. Dunkel bleibt es, ernsthaft und erwachsen. Im Laufe des Nachmittags verblasst der Duft, ohne charakterlich an Profil einzubüßen. Erst auf seine alten Tage – sehr leise ist es geworden - setzt er der dezenten Creme schließlich einen relativen Vetiver-Schwerpunkt entgegen. Denkt da jemand aus der Ferne an London? Ich tu’s!
Vermutlich ließe bzw. lässt ein Londoner weitaus mehr Rom zu als ein Amerikaner Paris. Gershwins jazzig-schmissiges Stück entführt den unvoreingenommenen Hörer im Leben nicht nach Paris. Obwohl der Komponist den Reigen der Instrumente sogar um (angeblich original französische) Taxi-Tröten ergänzte, deren Aufgabe eine Art Hupkonzert ist, ist das Werk durch und durch amerikanisch geraten. Ich glaube, die können gar nicht anders. Der italienische Schmelz in 1# Nota di Viaggio „darf“ da wesentlich mehr, nämlich den Londoner Beitrag aus meiner persönlichen, kleinen Erinnerung komplett in Richtung Süden assimilieren.
Fazit: Mir gefällt der Duft sehr gut. Dass er zum Start eher markig als fein ist, tut der Eleganz erstaunlicherweise keinen Abbruch. Perfekt vor allem für dunklere Typen mit gepflegtem Drei-Tage-Bart. Ich muss mich da womöglich ein bisschen recken. Aber tolles Zeug. Nur die Orient-Geschichte drumherum sollten wir vergessen.
Ich bedanke mich bei Gerdi für die Probe.
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