25.11.2018 - 14:32 Uhr
Meggi
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Meggi
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33
Stammeln in Belgravia
Gut, dass ich in der gewohnten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nochmal nachgesehen hatte. An der Adresse 2, Seymour Place unweit des Marble Arch hätte ich nämlich im vergangenen Sommer vor einem Klamottenladen statt vor einer Parfümerie gestanden. Zwei Jahre zuvor hatte sich dort eines von zwei Les-Senteurs-Ladengeschäften befunden. Doch die Filiale ist mittlerweile geschlossen, verblieben einzig das Stammgeschäft in Belgravia.
Na gut, die dafür zuständige Haltestelle „Sloane Square“, bedient von der Circle und der District Line, lag für uns sogar günstiger und erforderte nur wenige Minuten Fußweg durch eine der nobleren Ecken Londons. Mir schienen die Straßenzüge aus sich teils zum Verwechseln ähnelnden Reihenhäusern arg steril, aber das ist Geschmackssache.
Der Service im Laden schließlich war nicht minder kompetent als seinerzeit in Marylebone, bloß ein gutes Stück distanzierter, als damals von einem freundlichen Studenten aus Aberdeen geboten (vgl. ggf. Kommi zu ‚Thirty Three‘ von Ex Idolo). Eine schicke, junge Verkäuferin zeigte mir dies und das, während ihr Kollege, der mit Rauschebart und verwaschenem T-Shirt eher wie ein Sozial-Pädagoge aussah, Büro-Arbeit machte und nur fallweise was beisteuerte. Oder nachschlug, zuweilen hapert es ja mal an Vokabeln. Besonders übel blieb ich bei ‚Bohea Boheme‘ jedoch nicht speziell wegen der englischen Sprache hängen. Ich stammelte was von Pu-Err-Tee, erntete Stirnrunzeln, und erst später fiel mir ein, dass ich Lapsang Souchong gemeint hatte. Tja, ist eben nicht einfach, der Duft.
Gelegentlich wird angeraten, vor einem Test besser nicht auf die Pyramide zu blicken, um unvoreingenommen zu bleiben. Das ist hier egal, weil aus praktisch allen Ecken was dabei ist, die reine Lektüre der Liste mithin zu einer Weichenstellung wohl kaum ausreicht. Auch zu wissen, dass ‚Bohea‘ ein alter Handelsname einiger Tee-Sorten ist, die etwa im Zusammenhang mit der „Boston Tea Party“ eine Rolle spielten (was ich nicht gewusst hatte), genügt nicht als Vorbefassung, weist allerdings – siehe oben – zumindest in die passende Richtung.
Tee ist heute in der Tat sehr präsent, wenngleich er sich gegenüber dem Erst-Eindruck im Laden beim ausführlichen Daheim-Test (es gab ein gut gefülltes Pröbchen mit) zurechtrückt. Er ist prominent, aber keineswegs allein. Spannend finde ich, dass der Tee und der Rauch zunächst als zwei nebeneinander stehende Aromen auftreten, wie auch immer das bewerkstelligt sein mag. Eine raue Unterlage fungiert als Bühne.
Und beide, sagen wir, „Aromen-Klassen“ haben Unterstützer an Bord. Manches aus den Angaben lässt sich entdecken: Heu, Wacholder, vielleicht Kamille. Ein bisschen Phantasie ist allerdings vonnöten und wo wir jene nun schon bemühen, gleiten wir direkt ins Ungenannte hinein, das weit über den nicht explizit erwähnten, schinkigen Lapsang-Souchong-Einschlag hinausgeht: Eine luftig-helle Krautigkeit, wie von getrockneten Wildblumen, flankiert das Thema Heu. Eine metallische Süße wie von einer Andeutung von Süßholz, womöglich ergänzt Liebstöckel die Gewürz-Fraktion.
Stichwort Gewürz: In vorigen Rezensionen ist gar von einem brennenden Gewürz-Schrank die Rede. Ganz so krass sehe bzw. rieche ich es nicht, das Würzwerk erscheint mir vielmehr relativ hintergründig. Und um den Schrank aus dunklem, musealem Holz wäre es wirklich schade, den lassen wir lieber heil! Gleichwohl: Selbst ohne Schrank-Brand hat der Duft reichlich Schmackes.
Doch bei Mona di Orio ist man stets für einen Schwenk gut und der folgt zuverlässig. Leider kenne ich die ausdrücklich hervorgehobene Pappelknospe nicht und kann aus sommerlichem Erleben der den Bäumen entschwebenden Pollen-Sauerei allenfalls raten. Überaus nasenfällig hingegen ist am frühen Nachmittag ein amberhaft-balsamischer Dreh. Leicht zuckrig, aber weniger krümelig als anderswo. Ich denke außerdem, dass besagte „Balsame“ Labdanum enthalten, denn später ist ein winziger Hauch Harz-Animalik zu wittern und abends grübele ich über einen Anflug von Eventual-Vanille. Verblüffend cremig ist es geworden.
Nichtsdestotrotz zieht sich die Tee-Aura wie ein Leitmotiv durch den Duft-Verlauf, bis nach hinten raus mit einer Spur schinkigen Rauchs garniert – als ich das bemerke, ist mir, als schließe sich ein Kreis. Qualitäts-Einbußen zum Ende hin leistet sich ‚Bohea Bohème’ nicht.
Fazit: Sicherlich kein authentisch-plakativer Tee-Duft. Das hätte aus dem Hause Mona auch gewundert. Der vorliegende Kandidat ist phasenweise durchaus fordernd, die demonstrative Sperrigkeit anderer Kreationen wie etwa ‚Vetyver‘ oder ‚Eau Absolue‘ finde ich freilich heute nicht vor – und vermisse sie nicht.
Ich mag solche Düfte. Das Pröbchen werde ich beiseitelegen und es irgendwann mal wieder rauskramen.
Na gut, die dafür zuständige Haltestelle „Sloane Square“, bedient von der Circle und der District Line, lag für uns sogar günstiger und erforderte nur wenige Minuten Fußweg durch eine der nobleren Ecken Londons. Mir schienen die Straßenzüge aus sich teils zum Verwechseln ähnelnden Reihenhäusern arg steril, aber das ist Geschmackssache.
Der Service im Laden schließlich war nicht minder kompetent als seinerzeit in Marylebone, bloß ein gutes Stück distanzierter, als damals von einem freundlichen Studenten aus Aberdeen geboten (vgl. ggf. Kommi zu ‚Thirty Three‘ von Ex Idolo). Eine schicke, junge Verkäuferin zeigte mir dies und das, während ihr Kollege, der mit Rauschebart und verwaschenem T-Shirt eher wie ein Sozial-Pädagoge aussah, Büro-Arbeit machte und nur fallweise was beisteuerte. Oder nachschlug, zuweilen hapert es ja mal an Vokabeln. Besonders übel blieb ich bei ‚Bohea Boheme‘ jedoch nicht speziell wegen der englischen Sprache hängen. Ich stammelte was von Pu-Err-Tee, erntete Stirnrunzeln, und erst später fiel mir ein, dass ich Lapsang Souchong gemeint hatte. Tja, ist eben nicht einfach, der Duft.
Gelegentlich wird angeraten, vor einem Test besser nicht auf die Pyramide zu blicken, um unvoreingenommen zu bleiben. Das ist hier egal, weil aus praktisch allen Ecken was dabei ist, die reine Lektüre der Liste mithin zu einer Weichenstellung wohl kaum ausreicht. Auch zu wissen, dass ‚Bohea‘ ein alter Handelsname einiger Tee-Sorten ist, die etwa im Zusammenhang mit der „Boston Tea Party“ eine Rolle spielten (was ich nicht gewusst hatte), genügt nicht als Vorbefassung, weist allerdings – siehe oben – zumindest in die passende Richtung.
Tee ist heute in der Tat sehr präsent, wenngleich er sich gegenüber dem Erst-Eindruck im Laden beim ausführlichen Daheim-Test (es gab ein gut gefülltes Pröbchen mit) zurechtrückt. Er ist prominent, aber keineswegs allein. Spannend finde ich, dass der Tee und der Rauch zunächst als zwei nebeneinander stehende Aromen auftreten, wie auch immer das bewerkstelligt sein mag. Eine raue Unterlage fungiert als Bühne.
Und beide, sagen wir, „Aromen-Klassen“ haben Unterstützer an Bord. Manches aus den Angaben lässt sich entdecken: Heu, Wacholder, vielleicht Kamille. Ein bisschen Phantasie ist allerdings vonnöten und wo wir jene nun schon bemühen, gleiten wir direkt ins Ungenannte hinein, das weit über den nicht explizit erwähnten, schinkigen Lapsang-Souchong-Einschlag hinausgeht: Eine luftig-helle Krautigkeit, wie von getrockneten Wildblumen, flankiert das Thema Heu. Eine metallische Süße wie von einer Andeutung von Süßholz, womöglich ergänzt Liebstöckel die Gewürz-Fraktion.
Stichwort Gewürz: In vorigen Rezensionen ist gar von einem brennenden Gewürz-Schrank die Rede. Ganz so krass sehe bzw. rieche ich es nicht, das Würzwerk erscheint mir vielmehr relativ hintergründig. Und um den Schrank aus dunklem, musealem Holz wäre es wirklich schade, den lassen wir lieber heil! Gleichwohl: Selbst ohne Schrank-Brand hat der Duft reichlich Schmackes.
Doch bei Mona di Orio ist man stets für einen Schwenk gut und der folgt zuverlässig. Leider kenne ich die ausdrücklich hervorgehobene Pappelknospe nicht und kann aus sommerlichem Erleben der den Bäumen entschwebenden Pollen-Sauerei allenfalls raten. Überaus nasenfällig hingegen ist am frühen Nachmittag ein amberhaft-balsamischer Dreh. Leicht zuckrig, aber weniger krümelig als anderswo. Ich denke außerdem, dass besagte „Balsame“ Labdanum enthalten, denn später ist ein winziger Hauch Harz-Animalik zu wittern und abends grübele ich über einen Anflug von Eventual-Vanille. Verblüffend cremig ist es geworden.
Nichtsdestotrotz zieht sich die Tee-Aura wie ein Leitmotiv durch den Duft-Verlauf, bis nach hinten raus mit einer Spur schinkigen Rauchs garniert – als ich das bemerke, ist mir, als schließe sich ein Kreis. Qualitäts-Einbußen zum Ende hin leistet sich ‚Bohea Bohème’ nicht.
Fazit: Sicherlich kein authentisch-plakativer Tee-Duft. Das hätte aus dem Hause Mona auch gewundert. Der vorliegende Kandidat ist phasenweise durchaus fordernd, die demonstrative Sperrigkeit anderer Kreationen wie etwa ‚Vetyver‘ oder ‚Eau Absolue‘ finde ich freilich heute nicht vor – und vermisse sie nicht.
Ich mag solche Düfte. Das Pröbchen werde ich beiseitelegen und es irgendwann mal wieder rauskramen.
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