Rivegauche
Top Rezension
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1958 am Gardasee...
Ich trage Signoricci zwar schon länger, hatte aber bisher keine Inspiration oder Geschichte dafür parat, es fehlte eine Eingebung.
Bis ich eines Tages das Foto eines alternden Dandys oder Adligen sah, der ein marineblaues Sakko mit breiten rosafarbenen Kanten trug…und mein Gedanke war: "Der nimmt Signoricci."
Der Charme des Fotos mit dem Hintergrund kleiner Yachten an einem See und mediterranen Blumen erinnerte mich an die späten 50er Jahre. Die deutschen im Wirtschaftwunder düsen in Ihren VW Käfern über den Brenner an den Gardasee. Wir erfreuen uns an roten Geranien, Rosenbüschen und an pinken Bougainvileen, sitzen auf weiß lackierten verschnörkelten gusseisernen Gartenmöbeln und essen ein "Pfirsich Melba," als Souvenir kauft man mit Bast umwickelte Weinflaschen oder bunte Keramik mit der Aufschrift "Lago di Garda." Plötzlich riechen wir den Duft von frischem Blattgrün, Zitronen und Mandarinen vom Seeufer. Vor dem Parkplatz stoppt ein schwarzer Mercedes 600...eine Ahnung Mafia ?...und eine vornehme Familie nimmt am Nachbartisch Platz. Die Herren in Clubsakkos mit seidenen Einstecktüchern, die Damen in "Dior," der Wind trägt der Duft von "L'Air du Temps" herüber. Die jüngere Dame in cremeweiß pflückt sich von einem Rosenbusch eine zartrosa Rose und schließt verträumt Ihre Augen.
Die ganze Atmosphäre des Fotos hatte etwas sehr romantisches und verspieltes und die rosa Kanten dieses Sakkos erinnerten mich an die leicht aristokratisch wirkende Packung von Signoricci. Ein graustichiges Flieder mit einem Streifen in weinrot, der Schriftzug in verzierter Schreibschrift und der gemalte Kopf eines Löwen. Die alten Packungen von Signoricci trugen ein graues Glencheckmuster (Cary Grant lässt grüßen), der Löwenkopf war goldgeprägt. Auch die Assoziation Italien passt besser als Frankreich, denn Nina Ricci war 1883 in Turin als Maria Nielli geboren worden und heiratete später den italienischen Juwelier Luigi Ricci.
Den Duft von Signoricci kann man heute als sehr klassisches, "altmodisches" (hängt vom Benutzer ab) und zitrisches Herrencologne bezeichnen, der die Intensität eines Eau de Toilette hat. Natürlich erkennt man das Alter des Duftes, denn auch schon in 1976 war er nicht der modernste. Für mich passt er tatsächlich besser in die fünfziger Jahre.
Der Duft startet mit viel pikanter, säuerlicher und etwas bitterer Zitrone, Limone und Bergamotte. Bei "YSL Pour Homme" hat man diesen Auftakt neulich als "Atom-Zitrus-Wolke" bezeichnet. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Duft von YSL ist vorhanden. Es folgt eine süße Frische von Mandarinen, die Farnnote kann man erahnen. Durch einen Hauch Rose und Maiglöckchen bekommt der Duft diesen verspielten Romantikcharme, der die Firma Nina Ricci ausmacht. Die Mandarinen sind noch da und wirken ein bißchen gezuckert. In der Basisnote bekommt der Duft eine leichte und holzige Würze, die durch etwas Vétiver, Eichenmoos und einem winzig kleinen Hauch Zibet verstärkt wird. Dazu kommt etwas grünes, was Galbanum sein könnte. Dadurch finde ich den Duft gut haltbar. Amber und Tonkabohne kann ich nicht riechen.
Der gesamte Duftverlauf ist und bleibt geprägt von der Intensität der Zitrusnote und man muss die Intensität dieser "Altmännerzitronen" schon mögen, um den Duft leiden zu können. Während der YSL eine seifige und weiche Note bekommt, bleibt der Ricci pikant zitrisch und blütig.
Meine Flasche ist nun fast leer und ich weiß nicht genau, ob ich mir eine neue im Netz bestellen soll. Zum einen begeistern mich ältere Düfte im Schattendasein wie dieser, zum anderen habe ich genug andere frische Düfte, die mich mehr begeistern. Ohne den YSL kann ich nicht leben.
Der Duft wurde jetzt wohl - nach Mitteilung der Firma Nina Ricci - tatsächlich eingestellt, denn als ich im letzten Herbst in Paris war, konnte man Signoricci und Ricci Club in den unteren Regalen mehrerer Parfümerien noch jeweils im 100 ml Zerstäuber kaufen. Letztendlich konnten sich alle Herrendüfte (der letzte "Memoire D'Homme" war nach drei Jahren wieder weg) von Nina Ricci nie groß auf dem Markt behaupten, zu sehr war das Haus mit "L'Air du Temps" und den vielen heute vergessenen Damendüften verhaftet. Männer konnten in dieser Zeit mit der romantischen und femininen Damenwelt Nina Riccis wohl wenig anfangen. Schade, denn die alten Herrenflacons (vor Umstellung auf diese Flasche) haben mir immer sehr gut gefallen.
Molto importante: Dieser Signoricci wurde 1976 unter dem Namen "Signoricci 2" auf den Markt gebracht, während der wirklich erste Signoricci von 1965 den Zusatz "Signoricci 1" bekam. "Signoricci 1" habe ich leider nie gerochen. Als man "Signoricci 1" einstellte, wurde aus "Signoricci 2" einfach Signoricci...va bene?