Palonera
Top Rezension
12
für einsame Wölfe
Ich war noch niemals in Salamanca.
Ich habe keine Ahnung, welche Aromen die Straßen dieser Stadt durchziehen, welche Pflanzen ihren Duft verströmen, wie es in den uralten Bauwerken und in den Hörsälen der Universität riecht.
Ich weiß nicht, womit die Menschen in Salamanca ihre Wäsche waschen, mit welchen Gewürzen sie ihre Speisen veredeln, ob sie ihr Parfum bei "Douglas" oder ganz woanders kaufen.
Irgendwann sollte ich diese Wissenslücke schließen – und ich werde versuchen, nicht auf Ellen Coveys Spuren zu wandeln.
Wo immer sich Frau Covey in Salamanca aufgehalten haben mag, welche olfaktorischen Eindrücke sie dort einzufangen und festzuhalten versucht hat: Ich würde gern ein anderes Salamanca erleben als jenes, das in einer kleinen Phiole vor mir steht und dessen Duft schon manche Nase irritiert hat.
Heißer, weicher Asphalt und Gummi – selten habe ich einen so außergewöhnlichen Eröffnungsakkord erlebt wie jenen, mit dem "Salamanca" mich weniger begrüßt als verstört.
Nun gut, denke ich, der spanische Sommer ist heiß und bei vierzig Grad im Schatten riecht es selbst auf deutschen Straßen nach Teer und Autoreifen – doch ein Blick auf die Jahrestemperaturen lehrt mich, daß es in Salamanca selbst im Hochsommer nicht heißer als 30° Celsius wird.
Bevor ich länger darüber nachgrübeln kann, was Ellen Covey sich bei dieser Ouvertüre gedacht haben könnte, spüre ich schwarzes, rauhes, sprödes und widerstrebendes Leder unter meinen Fingerkuppen, hart und fest und überaus maskulin.
"Riecht wie eine Schusterwerkstatt in der Pampa", sagt der Mann an meiner Seite.
Zugegeben, bei unserem Schuster riecht es ähnlich, jedoch noch weitaus strenger nach Chemikalien – das tut mir "Salamanca" zu meiner Erleichterung nicht an.
Stattdessen ziehen aus einer der beiden Kathedralen der Stadt kühle, graue Weihrauchschwaden herüber – und plötzlich muß ich an "Tuscan Leather" denken.
Hier wie dort gehen Rauch und Leder eine düstere und ein wenig strenge Verbindung ein, verschrecken zartbesaitete Näschen und scheinen prädestiniert für einsame Wölfe, distanziert und wortkarg, mit einem Kern, dessen Schale kaum zu knacken ist.
Gauchos, die südamerikanischen Viehzüchter, Äquivalent zum nordamerikanischen Cowboy und Nachkommen iberischer Einwanderer.
Ich sehe sie durch die trockene, karge Pampa reiten – doch anstelle des erwarteten Heus steigt mir ein aromatischer Geruch in die Nase, der mich an das würzige Liebstöckel in meinem Garten erinnert.
Eine Maggiflasche wird vermutlich keiner der Herren in der Satteltasche haben, daher tippe ich auf die Strohblume, die Immortelle, die sich vor allem nah an der Haut deutlich bemerkbar macht, während auf die Distanz Rauch und Leder ihre Dominanz behalten, sie fast mit Gewalt verteidigen – selbst die Dusche samt Haarwäsche am folgenden Morgen konnten "Salamanca" nicht wirklich etwas anhaben.
"Salamanca" zu verstehen ist nicht einfach.
Ihn zu lieben noch weniger.
Von allen mir bisher bekannten Düften von Ellen Covey ist er der schwierigste und widerspenstigste, der sich kaum einordnen läßt.
Rauch, Leder, Teer und Gummi sind die hervorstechendsten Duftmerkmale, die wahlweise das Bild einer Schuster- oder auch Autowerkstatt mit angrenzendem Kräutergarten entstehen lassen, die aber auch aus der unter einer Hitzeglocke brütenden Stadt hinausführen können auf das umgebende Land, um das Lenkrad gegen wettergegerbte Zügel zu tauschen, der Abendsonne entgegen zu reiten und viel später den Tag am Lagerfeuer zu beenden.
Ein Konzeptduft, sicherlich – als Parfum würde ich "Salamanca" nicht tragen wollen und kann mir den Duft nur unter erheblichen Schwierigkeiten an einer Frau vorstellen.