13.01.2017 - 12:03 Uhr

loewenherz
869 Rezensionen

loewenherz
Top Rezension
29
Die Rockröhre
Es gibt ja manche Dinge (und mit diesen Dingen ihre Namen), bei denen man auf einmal merkt, dass sie ganz klammheimlich verschwunden sind. 'Bundeskegelbahnen' etwa sind so ein Beispiel. Aber auch den Begriff der 'Rockröhre' - für die jüngeren LeserInnen hier will ich gleich gerne erklären, was das ist bzw. war - habe ich bestimmt seit fünfzehn Jahren nicht mehr gehört. Und auch sehr lange schon keine Rockröhre mehr gesehen.
Die Rockröhre ist eine Frau. So zwischen dreißig und fünfzig, würde ich sagen. Sie gilt bei Männern als attraktiv, ist aber selten im ganz klassischen Sinne schön. Gerne trägt sie Lederkleidung - eher motorradmäßig als dominahaft - und wenn sie nicht selbst Motorrad fährt, sitzt sie zumindest auf dem Sozius. Häufig raucht sie, und auch unter den Tisch getrunken hat sie den einen oder anderen Typen schon, ohne dass sie sich dafür hätte anstrengen müssen. Sie ist die unkomplizierte Art Frau, von der es heißt, 'mit der könne man Pferde stehlen'. Ihre Stimme ist kehlig und rau, ihre Ausdrucksweise ungekünstelt, und sie hört Hardrock oder Heavy Metal - daher der Name - oft singt sie auch selbst in einer Band. Wichtiges, wenn nicht entscheidendes Kennzeichen der Rockröhre ist ihre lange Löwenmähne - blond, aber auch andere Farben sind möglich. (Wahrscheinlich - so stelle ich gerade fest - hängt das Aussterben der Rockröhren ja mit dem weitgehenden Aussterben der Dauerwelle zusammen?) Sie kann Billard spielen, vielleicht auch Dart, und sie ist tätowiert - so richtig - also Schlange in Totenkopf und nicht Delphin auf Fußknöchel oder 'Frieden' auf chinesisch. Typische Rockröhren waren etwa Bonnie Tyler oder Doro Pesch.
Die Rockröhre braucht einen kräftigen und markanten Duft - aber keinen, der zu ladylike ist, zu chichi. Nichts Duftiges, nichts Pudriges, nicht Anspruchsvolles, Zartes. Und entgegen seines tropisch-filigranen Namens - 'Noa Noa' hieß eine Art Tagebuch von Paul Gauguin, das er während seiner ersten Reise auf Tahiti schrieb - ist Otto Kerns ikonisches Parfum aus den frühen 90ern genau das: kräftig, markant, irgendwie rockig. Aus unserer vermeintlich aufgeklärteren Sicht der Gegenwart würde man ihn ohne Zögern als unisex bezeichnen - und auch damals schon war er bemerkenswert unlieblich für einen Damenduft. Noa Noa ist ein ungewöhnlicher Hybrid aus holzigen und Floralakkorden - mit einem wuchtigen und viehischen Unterbau. Das Gegenteil von schüchtern oder leise ist er und doch unkompliziert im Wesen - wie die Rockröhre, die heiser ruft: 'Noch 'ne Runde Kurze, Jungs?'
Fazit: die Rockröhre ist jetzt Mitte fünfzig. Sie trägt die Haare kürzer und hat das Rauchen aufgehört. Aber im Schrank hängt noch ihre alte Lederjacke - und einmal im Monat trifft sie sich mit ihren Jungs, sie trinken Bier und Schnäpse und hören Deep Purple und Uriah Heep. Und manchmal trägt sie dazu die letzten Tropfen Noa Noa.
Die Rockröhre ist eine Frau. So zwischen dreißig und fünfzig, würde ich sagen. Sie gilt bei Männern als attraktiv, ist aber selten im ganz klassischen Sinne schön. Gerne trägt sie Lederkleidung - eher motorradmäßig als dominahaft - und wenn sie nicht selbst Motorrad fährt, sitzt sie zumindest auf dem Sozius. Häufig raucht sie, und auch unter den Tisch getrunken hat sie den einen oder anderen Typen schon, ohne dass sie sich dafür hätte anstrengen müssen. Sie ist die unkomplizierte Art Frau, von der es heißt, 'mit der könne man Pferde stehlen'. Ihre Stimme ist kehlig und rau, ihre Ausdrucksweise ungekünstelt, und sie hört Hardrock oder Heavy Metal - daher der Name - oft singt sie auch selbst in einer Band. Wichtiges, wenn nicht entscheidendes Kennzeichen der Rockröhre ist ihre lange Löwenmähne - blond, aber auch andere Farben sind möglich. (Wahrscheinlich - so stelle ich gerade fest - hängt das Aussterben der Rockröhren ja mit dem weitgehenden Aussterben der Dauerwelle zusammen?) Sie kann Billard spielen, vielleicht auch Dart, und sie ist tätowiert - so richtig - also Schlange in Totenkopf und nicht Delphin auf Fußknöchel oder 'Frieden' auf chinesisch. Typische Rockröhren waren etwa Bonnie Tyler oder Doro Pesch.
Die Rockröhre braucht einen kräftigen und markanten Duft - aber keinen, der zu ladylike ist, zu chichi. Nichts Duftiges, nichts Pudriges, nicht Anspruchsvolles, Zartes. Und entgegen seines tropisch-filigranen Namens - 'Noa Noa' hieß eine Art Tagebuch von Paul Gauguin, das er während seiner ersten Reise auf Tahiti schrieb - ist Otto Kerns ikonisches Parfum aus den frühen 90ern genau das: kräftig, markant, irgendwie rockig. Aus unserer vermeintlich aufgeklärteren Sicht der Gegenwart würde man ihn ohne Zögern als unisex bezeichnen - und auch damals schon war er bemerkenswert unlieblich für einen Damenduft. Noa Noa ist ein ungewöhnlicher Hybrid aus holzigen und Floralakkorden - mit einem wuchtigen und viehischen Unterbau. Das Gegenteil von schüchtern oder leise ist er und doch unkompliziert im Wesen - wie die Rockröhre, die heiser ruft: 'Noch 'ne Runde Kurze, Jungs?'
Fazit: die Rockröhre ist jetzt Mitte fünfzig. Sie trägt die Haare kürzer und hat das Rauchen aufgehört. Aber im Schrank hängt noch ihre alte Lederjacke - und einmal im Monat trifft sie sich mit ihren Jungs, sie trinken Bier und Schnäpse und hören Deep Purple und Uriah Heep. Und manchmal trägt sie dazu die letzten Tropfen Noa Noa.
7 Antworten