Vor meinem Israel-Aufenthalt war mir die Kombination von Kaffee und Kardamom weitgehend unbekannt. Ich wusste zwar, dass manche ihr Heißgetränk damit würzen, kannte Kardamom aber eher aus der Weihnachtsbäckerei und von Kanelbullar, schwedischen Zimtschnecken. Seit Israel habe ich beinahe eine Obsession entwickelt: wenn irgend möglich MUSS Kardamom in den Kaffee. Da ich die Bohnen meistens frisch mahle, werfe ich einfach ein paar Kardamom-Kapseln dazu, die anschließend mitgemahlen werden. Der Moment, wenn ich dann den Deckel öffne und der Geruch des frisch gemahlenen Kaffees, von kräftigen Kardamom-Aromen durchzogen mich umfängt, löst in meiner Nase jedes Mal eine Art Riechzellen-Orgasmus aus – WOW!!
Einfach umwerfend, dieser Duft, ja er ist sogar noch besser als der folgende geschmackliche Genuss.
Insofern ist es also naheliegend, dass mich Parfums, die dieses Geruchserlebnis aufgreifen ganz besonders interessieren: „Chypre Shot“ wäre so ein Fall, für mich als Chypre-Junkie natürlich ein Traum, aber auch „Tambour Sacré“, ein etwas fordernder, trocken-orientalischer Tuberosen-Kracher, und auch „Ruh“ von Pekji, der wiederum eine kräftige Rose in seine Mitte nimmt.
Patricia de Nicolaïs neueste Kreation, „Caravansérail Intense“ versucht sich nun also auch daran, ja stellt es sogar als duftbestimmenden Haupt-Akkord zur Schau, allerdings in einem völlig anderen olfaktorischen Setting, als in meiner Küche mit frisch geöffnetem Mühlendeckel.
Zunächst sind beerige und pflaumenschnapsige Noten mit von der Partie, so als habe neben der Kardamomwürze auch ein Schlückchen Slivovitz in den Kaffee gefunden, der noch dazu mit einer Prise Kakao aromatisiert wurde.
Zugegeben, mir wäre schon hier die roughe, ungezähmte Kaffee-Kardamom-Dröhnung lieber, als dieser Sublimierungsversuch, aber andererseits, wäre ein Nicolaï-Duft kein Nicolaï-Duft, zeichnete ihn nicht gerade diese Sublimierung aus. Natürlich riecht das nun alles ausgefinkelter, komplexer, edler als aus meiner ollen Mühle, aber die sinnliche Wucht geht doch leider etwas verloren und der Nasen-Orgasmus verläppert schon im Vorspiel.
Aber gut, gibt es doch einen Unterschied zwischen einem Geruch und einem Duft, und – frei nach Wowi – das ist auch gut so.
Was Madame im weiteren Verlauf daraus macht, ist auch wirklich aller Ehren wert – sie kann es ja, wie schon x-mal bewiesen, so auch hier.
„Caravansérail“ ist ein typischer Nicolaï-Duft, mit einer Art nicolaï’schen DNA ausgestattet: ein Zusammenspiel von Vanille und Tonka, sekundiert von etwas Patchouli und einem Hauch Zimt. Diese Basis findet sich in kaum merklichen Abwandlungen in vielen Kreationen der Guerlain-Nachfahrin wie „Vanille Tonka“, „Maharadjah“, „Sacrebleu“, „Patchouli Intense“, „Vanille Intense“, ja sogar in ihrem ikonischen „New York“ wieder. Fast könnte man, entsprechend zur berühmten Guerlinade, von einer Nicolaïade sprechen, die uns in ihrem neuen Werk geradezu exemplarisch entgegen duftet.
Natürlich riecht das alles wunderbar, sublim und mit viel französischer Raffinesse, nur, wie gesagt: für mich als Hardcore-Kardamomkaffee-Fan hätte man sich all die fruchtigen und vanille/tonkasüßen Girlanden sparen können. Ich trinke meinen Kaffee schwarz, ohne Zucker und weitere würzende Ingredienzen wie Zimt oder Nelke – brauche ich alles nicht, nur Kardamom. Aber „Caravansérail“ soll ja auch nicht getrunken werden – womit ich wieder bei Geruch (bzw. Geschmack) versus Duft wäre.
Nein, das ist schon alles gut so.
Kürzlich hat eine englischsprachige Reviewerin festgestellt, dass „Caravansérail“ ganz schrecklich maskulin sei, geradezu schroff und überaus herb. Ich weiß nicht, ob wir denselben Duft gerochen haben, aber nach meinem Empfinden trifft nichts davon zu. Gerade zu Beginn ist „Caravansérail“ auffallend fruchtig und die begleitende Kakao-Note steuert eine gourmandige Süße bei, die schließlich vom Vanille/Tonka-Fond aufgenommen und verlängert wird.
Was man freilich als herb empfinden kann, ist der Anker-Akkord an sich: sowohl Kaffee als auch Kardamom sind trocken-würzige kaleidoskopartige Aromenkomplexe, wie auch das deutlich erkennbare Patchouli, sowie gegen Ende ein leiser Hauch Immortelle, der für meinen Geschmack durchaus etwas deutlicher hätte ausfallen können. Allesamt herbe Duftkomponenten, oh ja, aber ist der Duft deswegen gleich maskulin?
Nein, finde ich nicht.
Maskulin mag der Geruch sein, der mir aus meiner Mühle entgegen schlägt: durch knarzige Röstaromen kantig und rau, grob durchschlagend die bitter-seifige Würze, aber genau diese schroffe Attacke hat die Parfümeurin gekonnt geglättet, entschärft und eingeebnet, sodass der Duft von welchem Geschlecht auch immer getragen werden kann, was die Reviewerin natürlich ganz anders sieht, da sie ihn sich einzig und allein an einem Mann vorzustellen vermag.
Seltsam, liegt es womöglich an den fehlenden Blüten? Kein Jasmin, klein Flieder, kein Ylang-Ylang, nichts vermeintlich ‚Feminines’?
Mag sein.
Egal.
Für mich ist „Caravansérail“ weder das eine, noch das andere, sondern eine gelungene Liaison aus herber Würze, beerig-pflaumiger Süße, einer eleganten orientalischen Basis, nebst erträglichem Gourmand-Drift, Nicolaï-typisch handwerklich kunstvoll verblendet und veredelt – was will man mehr?!
Bravo!