Meggi
Top Rezension
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Wenn schon komisch auffallen, dann richtig!
Mist - Anzug vergessen! Kaum im Büro angekommen, fiel mir ein, dass eine Fachveranstaltung anstand. War morgens wieder ein solches Heckmeck gewesen mit den Kindern, dass ich nicht an den Termin gedacht hatte… Hm. Na ja, wenigstens sah ich halbwegs manierlich aus in schwarzer Hose und vernünftigem Hemd. Da werden die mich wohl nicht rauswerfen.
Am besten die Flucht nach vorne antreten und gleich richtig komisch auffallen. Mit einem Weihnachtsduft im Juli klappt das bestimmt. Wenn ich seltsam jahreszeiten-verirrt rieche, fällt vielleicht niemandem auf, dass ich keine Krawatte umgehängt habe.
Und tatsächlich begrüßt mich ein Auftakt wie ein weihnachtlicher Früchteteller mit einer Tasse dampfenden Weihnachts-Tees daneben. Kardamom - gut. Zimt - O.K. Allerdings riecht es in erster Linie nach frisch ausgepackter, getrockneter Feige. Kuschelig-weihnachtlich eben. Binnen einiger Minuten freilich dringt das Holz durch. Ein Stechen macht sich breit und ich frage mich, ob nicht statt der Zypresse hier auf Thuja gesetzt wurde. Aber wir wollen glauben, dass lediglich eine kleine Ecke in den Duft gegeben werden sollte.
Bei Ankunft am Veranstaltungsort stelle ich fest: Abgesehen von den Vertretern des Veranstalters hatte exakt einer einen Schlips um. Ein Gast hatte sogar das Hemd aus der Hose hängen, sowas…
Und exakt ein Anwesender hatte einen Weihnachtsduft drauf, da bin ich ganz sicher.
Der Weihnachts-Eindruck weicht in der dritten Stunde konsequenterweise zurück, er hat offenbar bemerkt, dass er als Ablenkungsmanöver nicht mehr gebraucht wird. Eine kompakte, bittere Edelholz-Note übernimmt die Führung. Rose könnte beteiligt sein, eine dunkelrot-fruchtige Variante, weinig-beschwipst; ähnlich, wie sie aus Rose-Oud-Düften bekannt ist. Die Dame neben mir sendet zwar Störsignale in Form eines jasmin-lastigen Edelrosen-Duftes in meine Testumgebung hinein, doch ich denke, ich kann das hinreichend isolieren und bleibe bei eigener Rose.
Dennoch hat im Wesentlichen Holz weiterhin die Hauptrolle inne. Es hat sich gewandelt und wirkt allmählich zuckrig-ambriert. Ich fühle mich entfernt an die Zucker-Zeder aus Cedarstorm erinnert, aber der Arabia ist einen Zacken edler, dunkler und wärmer als der Panouge.
Vorläufig. Der baldige Eintritt einer Spur Vanille läutet nämlich das Ende ein. Gegen Mittag, also nach gerade mal vier bis fünf Stunden, ist Römisch-Eins schon sehr schwach auf der Brust und haucht matt die erwähnten zwei Komponenten aus: Einerseits zuckrig-ambriert-vanillig-staubiges Holz, andererseits die dunkel-rotweinige Rest-Rose. Die ist übrigens auch nach der Rückkehr ins Büro noch zu spüren, sie war folglich keine bloße olfaktorische Leihgabe der Sitz-Nachbarin - ha! Bei einem zweiten Test mit dahingehend gewahrschauter Nase kam bereits beim Schnuppern am Tester deutlich etwas Entsprechendes rüber.
Ich finde den Duft ganz ordentlich, nur für den aufgerufenen Betrag liefert er – unabhängig von der unbefriedigenden Haltbarkeit – einfach zu wenig. Auf der Kleidung funktioniert das besser, dort entsteht eine Anmutung vergleichbar einem Rose-Oud-Duft. Na gut.
Ich bedanke mich bei DaveGahan101 für die Probe.