18.05.2022 - 14:46 Uhr
Undercat78
17 Rezensionen
Undercat78
Sehr hilfreiche Rezension
17
Rhabarberwähe in der Masoala-Halle
Ich war auf der Suche nach einem neuen Signaturduft, der meine Persönlichkeit möglichst gut zur Geltung bringen würde und repräsentativ für meinen derzeitigen Lebensabschnitt ist.
Ich dachte, ihn in Versace Crystal Noir EDT gefunden zu haben. Die fruchtige Kopfnote gefiel mir, leicht süss, aber nicht zu süss, leicht geheimnisvoll, sexy, düster und gleichzeitig klar, sauber und erwachsen. Tiefgründig und leicht distanziert zugleich.
Nur leider verfügt meine bessere Hälfte über ein superfeines picky Näschen und ist generell der Ansicht, Frauen sollten nach sich selbst riechen und nicht nach etwas Künstlichem. Das picky Näschen war mit dem Veilchen im Crystal Noir ganz und gar nicht einverstanden, und in dem Fall kann ich beipflichten, es hat einen konstruierten synthetischen Touch, der mir auch nicht ganz entspricht. Meine Persönlichkeit ist natürlicher. Ich habe ein grünes Herz, kein violettes.
Nach langer Recherche stiess ich auf Aura von Mugler. Das grüne Herz gefiel mir, und ja, ich gestehe, für mich spielt auch das Design des Flakons eine grosse Rolle, genauso wie der Name. Das gesamte Image muss passen.
Ein Mugler? Kann das sein? Ich bin durchaus für Originalität, aber Angel löst mir einen spontanen Brechreiz aus, und Alien ist der Signaturduft einer lieben jungen Kollegin, die mit mir zusammen Kunst studiert und in meiner Nähe wohnt, und mich in letzter Zeit oft mit dem Auto mitgenommen hat. Daher kenne ich Alien nun gut, und muss sagen, zu ihr, die sich oft auch ein wenig fremd in der Welt fühlt, passt er unglaublich gut. Für mich ist es nichts. Mit selbiger Kollegin habe ich mich im Auto oft über Parfums unterhalten, und wir waren uns einig, dass die Mugler Düfte bold und aussergewöhnlich sind, die Flakondesigs chic, dass er aber mit Womanity zu weit gegangen ist, und Angel Muse einfach Angel mit Nutella bestrichen ist.
Meine bessere Hälfte liebt zwar Nutella, aber eben, das picky Näschen will the real thing, und ich will nicht nach Nutella riechen.
Also fleissig seitenweise Rezensionen gelesen, Youtubevideos geschaut und mich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Birne, Vanille, Iris und Orangenblüte sind Lieblinge von mir. Rhabarber habe ich noch nie in einem Parfum gerochen, mag ihn aber als Pflanze und zum Essen sehr. Zufällig war der Rhabarber in meinem Garten gerade dabei zum ersten mal zu blühen. Ich war gespannt. Von Tiger Liana habe ich noch nie gehört, aber wenn etwas als diffus grün beschrieben wird, kann ich mich in der Regel damit anfreunden. Was ich nicht mag, sind stechend grüne Dinge. Da das EDT als fein, ausgewogen und unaufdringlich beschrieben wird, dachte ich, ich versuch's zuerst damit, und vielleicht kann sich sogar das picky Näschen damit anfreunden. "Wie Rhabarberwähe in der Masoala-Halle" fasste ich die Rechercheergebnisse zusammen, als ich versuchte, meinen Entscheid zu rechtfertigen.
(Sorry liebe deutschen Mitleser, dies ist ein CH-Insider. Die Masoala Halle ist eine Regenwald-Halle im Zoo Zürich, und eine Wähe ist etwas, was man am ehesten als flachen Obstkuchen beschreiben könnte.)
Auch der Zeitpunkt war gut. Der Rhabarber im Begriff die Knospe zu öffnen, ein Familientreffen (es handelte sich um den 80en Geburtstag meiner Tante, die ich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte, und vor dem ich allgemein Bammel gehabt hatte, weil ich das schwarze Schaf der Familie bin), welches in der Masoala-Halle stattfand, hatte ich soeben mit unerwartet positivem Ausgang hinter mich gebracht. Im Studium standen Arbeitspräsentationen an, und ich dachte, wenn ich auch diese gut überstehe, dann habe ich mir ein neues Parfum als Belohnung verdient. Und wenn es tatsächlich passt... Nun ja, ich liebe es, wenn Dinge aufgehen, und zwar in einem so schön runden poetischen Bogen, dass man sich einreden kann, dass das Schicksal seine Hand im Spiel hatte.
Ich bestellte es einen Tag vor meiner Arbeitspräsentation, rechnete aber nicht damit, dass es noch rechtzeitig ankommen würde. Die Präsentation lief erstaunlich gut, ich konnte sagen, was ich zu sagen hatte. In meiner Arbeit ging es um den Garten Eden, und ich hatte das Gefühl, dass ich es angemessen vermitteln konnte. Einer der Experten sagte zum Abschluss: "Und was ist deine Rolle in dem Ganzen? Die der Gärtnerin?" Als ich beipflichtete, meinte er leicht spitz aber mit Humor: "Erzengel". Eine Kollegin korrigierte ihn und sagte: "Herzengel". Das fand ich irgendwie sehr passend.
Abends im Auto auf der Heimfahrt erzählte ich meiner Alien-Kollegin, dass ich das grüne Herz bestellt habe, aber es wohl noch nicht heute ankommt. Aber, tatsächlich lag es da schon im Briefkasten.
Erster Schnupperer am Flakon: "Hui nein, die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen. Zahnarztpraxis und Xylit Kaugummi aus meiner Kindheit."
Erster Testsprüher auf Papierstreifen: "Wow, I love it! It's incredible!"
Erster Testsprüher am Handgelenk: " Fuck, ich bin süchtig. This is so me."
Es ist aufgegangen. Das grüne Herz für den Herzengel. Meine neue Signatur. Meine Aura. Besser könnte es nicht passen.
Und das picky Näschen der besseren Hälfte: "Hast du's schon drauf getan? Ich rieche nichts. Riecht nur nach dir. Mhh, ja, sehr fein."
Der einzige Wermutstropfen: Es ist sehr sehr flüchtig. Die schöne süss-saure Kopfnote, nach der ich so süchtig bin, ist in gefühlten 5 Minuten weg. Danach ist es vor allem eine zartwarme feine Vanille-Irismischung mit leicht diffusgrünem Unterton. Es ist sehr speziell, und dennoch sehr unaufdringlich, geht gut zu jeder Zeit des Tages, und für die Mitmenschen ist höchstens ein feiner flüchtiger Zauber wahrnehmbar.
Ich habe von der Rhabarberwähe in der Masoala-Halle gekostet, war schockverliebt und bin instantly süchtig geworden. Ich möchte baden drin, ich möchte mich von oben bis unten eindieseln, ich möchte nie wieder nach etwas anderem riechen. Nur bitte, bitte ein bisschen länger und intensiver.
Ich dachte, ihn in Versace Crystal Noir EDT gefunden zu haben. Die fruchtige Kopfnote gefiel mir, leicht süss, aber nicht zu süss, leicht geheimnisvoll, sexy, düster und gleichzeitig klar, sauber und erwachsen. Tiefgründig und leicht distanziert zugleich.
Nur leider verfügt meine bessere Hälfte über ein superfeines picky Näschen und ist generell der Ansicht, Frauen sollten nach sich selbst riechen und nicht nach etwas Künstlichem. Das picky Näschen war mit dem Veilchen im Crystal Noir ganz und gar nicht einverstanden, und in dem Fall kann ich beipflichten, es hat einen konstruierten synthetischen Touch, der mir auch nicht ganz entspricht. Meine Persönlichkeit ist natürlicher. Ich habe ein grünes Herz, kein violettes.
Nach langer Recherche stiess ich auf Aura von Mugler. Das grüne Herz gefiel mir, und ja, ich gestehe, für mich spielt auch das Design des Flakons eine grosse Rolle, genauso wie der Name. Das gesamte Image muss passen.
Ein Mugler? Kann das sein? Ich bin durchaus für Originalität, aber Angel löst mir einen spontanen Brechreiz aus, und Alien ist der Signaturduft einer lieben jungen Kollegin, die mit mir zusammen Kunst studiert und in meiner Nähe wohnt, und mich in letzter Zeit oft mit dem Auto mitgenommen hat. Daher kenne ich Alien nun gut, und muss sagen, zu ihr, die sich oft auch ein wenig fremd in der Welt fühlt, passt er unglaublich gut. Für mich ist es nichts. Mit selbiger Kollegin habe ich mich im Auto oft über Parfums unterhalten, und wir waren uns einig, dass die Mugler Düfte bold und aussergewöhnlich sind, die Flakondesigs chic, dass er aber mit Womanity zu weit gegangen ist, und Angel Muse einfach Angel mit Nutella bestrichen ist.
Meine bessere Hälfte liebt zwar Nutella, aber eben, das picky Näschen will the real thing, und ich will nicht nach Nutella riechen.
Also fleissig seitenweise Rezensionen gelesen, Youtubevideos geschaut und mich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Birne, Vanille, Iris und Orangenblüte sind Lieblinge von mir. Rhabarber habe ich noch nie in einem Parfum gerochen, mag ihn aber als Pflanze und zum Essen sehr. Zufällig war der Rhabarber in meinem Garten gerade dabei zum ersten mal zu blühen. Ich war gespannt. Von Tiger Liana habe ich noch nie gehört, aber wenn etwas als diffus grün beschrieben wird, kann ich mich in der Regel damit anfreunden. Was ich nicht mag, sind stechend grüne Dinge. Da das EDT als fein, ausgewogen und unaufdringlich beschrieben wird, dachte ich, ich versuch's zuerst damit, und vielleicht kann sich sogar das picky Näschen damit anfreunden. "Wie Rhabarberwähe in der Masoala-Halle" fasste ich die Rechercheergebnisse zusammen, als ich versuchte, meinen Entscheid zu rechtfertigen.
(Sorry liebe deutschen Mitleser, dies ist ein CH-Insider. Die Masoala Halle ist eine Regenwald-Halle im Zoo Zürich, und eine Wähe ist etwas, was man am ehesten als flachen Obstkuchen beschreiben könnte.)
Auch der Zeitpunkt war gut. Der Rhabarber im Begriff die Knospe zu öffnen, ein Familientreffen (es handelte sich um den 80en Geburtstag meiner Tante, die ich seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte, und vor dem ich allgemein Bammel gehabt hatte, weil ich das schwarze Schaf der Familie bin), welches in der Masoala-Halle stattfand, hatte ich soeben mit unerwartet positivem Ausgang hinter mich gebracht. Im Studium standen Arbeitspräsentationen an, und ich dachte, wenn ich auch diese gut überstehe, dann habe ich mir ein neues Parfum als Belohnung verdient. Und wenn es tatsächlich passt... Nun ja, ich liebe es, wenn Dinge aufgehen, und zwar in einem so schön runden poetischen Bogen, dass man sich einreden kann, dass das Schicksal seine Hand im Spiel hatte.
Ich bestellte es einen Tag vor meiner Arbeitspräsentation, rechnete aber nicht damit, dass es noch rechtzeitig ankommen würde. Die Präsentation lief erstaunlich gut, ich konnte sagen, was ich zu sagen hatte. In meiner Arbeit ging es um den Garten Eden, und ich hatte das Gefühl, dass ich es angemessen vermitteln konnte. Einer der Experten sagte zum Abschluss: "Und was ist deine Rolle in dem Ganzen? Die der Gärtnerin?" Als ich beipflichtete, meinte er leicht spitz aber mit Humor: "Erzengel". Eine Kollegin korrigierte ihn und sagte: "Herzengel". Das fand ich irgendwie sehr passend.
Abends im Auto auf der Heimfahrt erzählte ich meiner Alien-Kollegin, dass ich das grüne Herz bestellt habe, aber es wohl noch nicht heute ankommt. Aber, tatsächlich lag es da schon im Briefkasten.
Erster Schnupperer am Flakon: "Hui nein, die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen. Zahnarztpraxis und Xylit Kaugummi aus meiner Kindheit."
Erster Testsprüher auf Papierstreifen: "Wow, I love it! It's incredible!"
Erster Testsprüher am Handgelenk: " Fuck, ich bin süchtig. This is so me."
Es ist aufgegangen. Das grüne Herz für den Herzengel. Meine neue Signatur. Meine Aura. Besser könnte es nicht passen.
Und das picky Näschen der besseren Hälfte: "Hast du's schon drauf getan? Ich rieche nichts. Riecht nur nach dir. Mhh, ja, sehr fein."
Der einzige Wermutstropfen: Es ist sehr sehr flüchtig. Die schöne süss-saure Kopfnote, nach der ich so süchtig bin, ist in gefühlten 5 Minuten weg. Danach ist es vor allem eine zartwarme feine Vanille-Irismischung mit leicht diffusgrünem Unterton. Es ist sehr speziell, und dennoch sehr unaufdringlich, geht gut zu jeder Zeit des Tages, und für die Mitmenschen ist höchstens ein feiner flüchtiger Zauber wahrnehmbar.
Ich habe von der Rhabarberwähe in der Masoala-Halle gekostet, war schockverliebt und bin instantly süchtig geworden. Ich möchte baden drin, ich möchte mich von oben bis unten eindieseln, ich möchte nie wieder nach etwas anderem riechen. Nur bitte, bitte ein bisschen länger und intensiver.
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