08.05.2012 - 07:25 Uhr
Profumo
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Profumo
Top Rezension
36
Anders, vorallem aber besser als erwartet!
Einfach wird es dieser Duft nicht haben: zu groß sind die Fußstapfen in die er treten soll, zu legendär der eigene Vorgänger. Aber François Demachy mangelt es ganz offensichtlich weder an Demut, noch scheint er von Selbstzweifeln geplagt, und so beglückt er uns mit etwas, was bis vor kurzem noch unmöglich schien: mit einer Parfum-Version des alten Roudnitska-Klassikers.
Ist der Duft wirklich ein Parfum?
Jein.
Die Dior-Seite behauptet es handle sich um ein Eau de Parfum, auf dem Label steht aber klar und deutlich ‚Parfum’, und da Etikettenschwindel immer so eine Sache ist, dürfte sich der Duftölanteil von ‚Eau Sauvage Parfum’ vermutlich zwischen 14 und 15% bewegen, was rein formal beide Bezeichnungen ermöglicht – eine Grauzone.
Wie auch immer, Caron, Guerlain und Hermès haben´s vorgemacht: ein Herrenduft musste her, der – berechtigt oder nicht – den Zusatz ‚Parfum’ trägt. Und ebenso wie Caron und Guerlain, hat Dior einen Klassiker gewählt – in diesem Fall die wohl berühmteste hauseigene Legende: ‚Eau Sauvage’.
Doch abgesehen von der Frage ob es sich letztlich um ein Parfum oder doch nur um ein Eau de Parfum handelt, ist eine andere viel wichtiger: hat es ‚Eau Sauvage’ in einer derart hohen Konzentration gebraucht?
Diese Frage kann ich mit einem ganz klaren nein beantworten. Der Duft war immer ein klassisches Eau Fraîche, vergleichbar dem kaum weniger berühmten ‚Ô de Lancôme’, dam kürzlich revitalisierte ‚L’Eau Neuve’ von Lubin oder diversen anderen ‚Eaux’, die im Grunde jedes Parfumhaus im Portfolio hatte und immer noch hat.
Keinem einzigen dieser zahlreichen ‚Eaux’ wurde jemals eine Parfumkonzentration zur Seite gestellt. Warum auch. Ein Parfum ist in der Duftwelt das absolute Gegenteil eines Eau Fraîche, es zu einem Parfum machen zu wollen ist ein Widerspruch in sich.
Nun gut, ‚Eau Sauvage’ ist allerdings nicht irgendein ‚Eau Fraîche’, sondern der vielleicht berühmteste Herren-Duft der je kreiert wurde und eine der ganz großen Duft-Ikonen des letzten Jahrhunderts.
Dass man gerade diesen Duft im Hause Dior gewählt hat um nach den schon genannten Häusern auf den neuen Zug zu springen wundert mich nicht – welchen hätten sie sonst nehmen können? Gut, ein ‚Dior Homme Parfum’ wäre auch noch denkbar, aber dessen Intense-Variante ist so gut eingeführt und beliebt, dass es hier – zunächst – keiner Ergänzung bedarf.
Nicht so im Falle von ‚Eau Sauvage’.
Der große Dior-Klassiker benötigte nach Meinung vieler dringend ein Update. Das alte ‚Extrême’ war misslungen und ein neuerlicher Versuch – kaum zwei Jahre her – darf ebenfalls als gescheitert gelten, zumindest gemessen an den Erwartungen die damals formuliert wurden: dass er die neue Duftikone des 21. Jahrhunderts werde, ganz wie der alte das 20ste geprägt habe.
Nun, besondere Resonanz hat das ‚Extrême’ nicht erfahren und diese Scharte soll jetzt vermutlich mit dem ‚Parfum’ ausgewetzt werden. Die Anforderungen an dieses Update sind erneut gewaltig: der Duft soll moderner werden, er soll jüngere Generationen ansprechen, die alten aber nicht verprellen, und natürlich soll der dem Vergleich mit seinem berühmten Namensvetter standhalten, sowohl in Sachen Originalität wie Qualität, und, und, und....
Ein schier nicht zu bewältigendes Unterfangen, ein Himmelfahrtskommando.
Ist es dennoch gelungen?
Nochmals: Jein.
Gelungen ist der Duft. Nicht gelungen ist der Versuch aus EdT, EdT-Extrême und Parfum (oder meinetwegen EdP) ein harmonisches, in sich stimmiges Trio zu bilden. Die Düfte sind derart verschieden und beziehen sich so wenig aufeinander, dass man im Grunde von drei komplett verschiedenen Düften sprechen muss, die untereinander kaum ein verwandtschaftliches Verhältnis erkennen lassen. Am ehesten ist ein solches dann doch zwischen dem alten EdT und dem neuen Parfum erkennbar, mit sehr viel Mühe allerdings und unter langem den-Noten-hinterher-schnuppern. Im neuen Parfum ist nämlich tatsächlich das alte EdT sozusagen inkorporiert, d.h. es ist in Gänze in die neue Formel eingeflossen, mitsamt seiner Hedione, seiner Frische und Würze, und seiner mineralischen Aspekte. Angereichert, mitunter darüber gelegt, wurden nun einige Noten, die dem Duft mehr Substanz und eine deutlich dunklere Färbung verleihen: eine süß-bitterschokoladige Auftaktnote (vielleicht als Reminiszenz an ‚Dior Homme Intense’ und ‚L’Instant de Guerlain p.H. Extreme’), eine rauchig-harzige Myrrhe-Note im Herzen, die recht gut mit dem mineralisch-floralen Herz des Klassikers korespondiert, sowie einem kräftigen Schuss dunkel-erdigem Vetiver, welches dem fein ziseliertem, frisch-grünem des Originals ordentlich den Rücken stärkt. Der Amber-Anteil sowie einige holzige Nuancen dürften zusätzlich verstärkt worden sein, jedenfalls erscheint der Fond nunmehr dort recht üppig, grün-holzig und mit gut ausbalancierter Süße, wo früher vermeintlich nichts mehr auszumachen war (vermeintlich deshalb, weil man immer dachte da käme nach einigen Stunden nichts mehr, bis man des Abends plötzlich – aus welchem Grund auch immer – einmal ins Schwitzen kam und der Duft auf wundersame Weise wieder aufblühte).
Für sich gesehen, finde ich den Duft sehr gut gelungen. Problematisch wird es nur, wenn man beginnt das Original in ihm zu suchen – und das tut man ja doch zwangsläufig. Dann flirrt es nämlich wie eine Fata Morgana vor den eigenen Sinnen, aber diese bekommen das Trugbild nicht zu fassen. Zuviel süßer Amber, zuviel harzige Myrrhe, zuviel zitronig-bittere Bergamotte, das alles lastet mit enormem Gewicht auf der alten Formel und scheint sie vollends zu erdrücken.
Das täuscht aber.
Vergisst man nämlich mal für einen Augenblick das Original, und das geschieht automatisch im Verlauf eines Tages an dem man ‚Eau Sauvage Parfum’ trägt, so kommt der Moment da man feststellen wird: oh, da riecht ja doch etwas nach ‚Eau Sauvage’. Man muss also versuchen den alten Duft zu vergessen, um ihn im neuen wiederfinden zu können.
Keine leichte Aufgabe für ‚Eau Sauvage’-Enthusiasten.
Einige Tage nun habe ich ‚Eau Sauvage Parfum’ ununterbrochen getragen, habe es mit wachsendem Genuss getan und muss sagen: der Duft ist wirklich gut gelungen. Meine anfängliche Skepsis hat sich in Luft aufgelöst und ich freue mich jetzt über die Existenz dieses Duftes. Den Klassiker wird er zwar niemals ersetzen, aber das will und kann er ja auch nicht.
Interessanterweise war der einzige Kommentar den ich bisher zu diesem Duft erhalten habe eine Frage: ob es denn ein alter Duft sei den ich da trüge. Und die Person weiter: „... er erinnert mich an einen Duft von früher“. Als ich dann antwortete: „ja, wahrscheinlich ‚Eau Sauvage’“, bekam ich ein Kopfschütteln zur Antwort: „...nein, der nicht. Irgend ein andrer, ich komm jetzt nicht drauf.“
Ich glaube, mir und anderen ‚Eau Sauvage Parfum’-Nutzern wird das noch häufiger passieren, denn der Duft verbreitet die Aura eines großkalibrigen Duftes aus einer anderen Ära, scheint eher den 70er oder 80er Jahren entsprungen zu sein, als den 60er oder 90ern.
Und mit heutigen süß-gourmandig-floralen Marshwellow-Düften hat er so gar nichts gemein.
Zum Glück!
Ist der Duft wirklich ein Parfum?
Jein.
Die Dior-Seite behauptet es handle sich um ein Eau de Parfum, auf dem Label steht aber klar und deutlich ‚Parfum’, und da Etikettenschwindel immer so eine Sache ist, dürfte sich der Duftölanteil von ‚Eau Sauvage Parfum’ vermutlich zwischen 14 und 15% bewegen, was rein formal beide Bezeichnungen ermöglicht – eine Grauzone.
Wie auch immer, Caron, Guerlain und Hermès haben´s vorgemacht: ein Herrenduft musste her, der – berechtigt oder nicht – den Zusatz ‚Parfum’ trägt. Und ebenso wie Caron und Guerlain, hat Dior einen Klassiker gewählt – in diesem Fall die wohl berühmteste hauseigene Legende: ‚Eau Sauvage’.
Doch abgesehen von der Frage ob es sich letztlich um ein Parfum oder doch nur um ein Eau de Parfum handelt, ist eine andere viel wichtiger: hat es ‚Eau Sauvage’ in einer derart hohen Konzentration gebraucht?
Diese Frage kann ich mit einem ganz klaren nein beantworten. Der Duft war immer ein klassisches Eau Fraîche, vergleichbar dem kaum weniger berühmten ‚Ô de Lancôme’, dam kürzlich revitalisierte ‚L’Eau Neuve’ von Lubin oder diversen anderen ‚Eaux’, die im Grunde jedes Parfumhaus im Portfolio hatte und immer noch hat.
Keinem einzigen dieser zahlreichen ‚Eaux’ wurde jemals eine Parfumkonzentration zur Seite gestellt. Warum auch. Ein Parfum ist in der Duftwelt das absolute Gegenteil eines Eau Fraîche, es zu einem Parfum machen zu wollen ist ein Widerspruch in sich.
Nun gut, ‚Eau Sauvage’ ist allerdings nicht irgendein ‚Eau Fraîche’, sondern der vielleicht berühmteste Herren-Duft der je kreiert wurde und eine der ganz großen Duft-Ikonen des letzten Jahrhunderts.
Dass man gerade diesen Duft im Hause Dior gewählt hat um nach den schon genannten Häusern auf den neuen Zug zu springen wundert mich nicht – welchen hätten sie sonst nehmen können? Gut, ein ‚Dior Homme Parfum’ wäre auch noch denkbar, aber dessen Intense-Variante ist so gut eingeführt und beliebt, dass es hier – zunächst – keiner Ergänzung bedarf.
Nicht so im Falle von ‚Eau Sauvage’.
Der große Dior-Klassiker benötigte nach Meinung vieler dringend ein Update. Das alte ‚Extrême’ war misslungen und ein neuerlicher Versuch – kaum zwei Jahre her – darf ebenfalls als gescheitert gelten, zumindest gemessen an den Erwartungen die damals formuliert wurden: dass er die neue Duftikone des 21. Jahrhunderts werde, ganz wie der alte das 20ste geprägt habe.
Nun, besondere Resonanz hat das ‚Extrême’ nicht erfahren und diese Scharte soll jetzt vermutlich mit dem ‚Parfum’ ausgewetzt werden. Die Anforderungen an dieses Update sind erneut gewaltig: der Duft soll moderner werden, er soll jüngere Generationen ansprechen, die alten aber nicht verprellen, und natürlich soll der dem Vergleich mit seinem berühmten Namensvetter standhalten, sowohl in Sachen Originalität wie Qualität, und, und, und....
Ein schier nicht zu bewältigendes Unterfangen, ein Himmelfahrtskommando.
Ist es dennoch gelungen?
Nochmals: Jein.
Gelungen ist der Duft. Nicht gelungen ist der Versuch aus EdT, EdT-Extrême und Parfum (oder meinetwegen EdP) ein harmonisches, in sich stimmiges Trio zu bilden. Die Düfte sind derart verschieden und beziehen sich so wenig aufeinander, dass man im Grunde von drei komplett verschiedenen Düften sprechen muss, die untereinander kaum ein verwandtschaftliches Verhältnis erkennen lassen. Am ehesten ist ein solches dann doch zwischen dem alten EdT und dem neuen Parfum erkennbar, mit sehr viel Mühe allerdings und unter langem den-Noten-hinterher-schnuppern. Im neuen Parfum ist nämlich tatsächlich das alte EdT sozusagen inkorporiert, d.h. es ist in Gänze in die neue Formel eingeflossen, mitsamt seiner Hedione, seiner Frische und Würze, und seiner mineralischen Aspekte. Angereichert, mitunter darüber gelegt, wurden nun einige Noten, die dem Duft mehr Substanz und eine deutlich dunklere Färbung verleihen: eine süß-bitterschokoladige Auftaktnote (vielleicht als Reminiszenz an ‚Dior Homme Intense’ und ‚L’Instant de Guerlain p.H. Extreme’), eine rauchig-harzige Myrrhe-Note im Herzen, die recht gut mit dem mineralisch-floralen Herz des Klassikers korespondiert, sowie einem kräftigen Schuss dunkel-erdigem Vetiver, welches dem fein ziseliertem, frisch-grünem des Originals ordentlich den Rücken stärkt. Der Amber-Anteil sowie einige holzige Nuancen dürften zusätzlich verstärkt worden sein, jedenfalls erscheint der Fond nunmehr dort recht üppig, grün-holzig und mit gut ausbalancierter Süße, wo früher vermeintlich nichts mehr auszumachen war (vermeintlich deshalb, weil man immer dachte da käme nach einigen Stunden nichts mehr, bis man des Abends plötzlich – aus welchem Grund auch immer – einmal ins Schwitzen kam und der Duft auf wundersame Weise wieder aufblühte).
Für sich gesehen, finde ich den Duft sehr gut gelungen. Problematisch wird es nur, wenn man beginnt das Original in ihm zu suchen – und das tut man ja doch zwangsläufig. Dann flirrt es nämlich wie eine Fata Morgana vor den eigenen Sinnen, aber diese bekommen das Trugbild nicht zu fassen. Zuviel süßer Amber, zuviel harzige Myrrhe, zuviel zitronig-bittere Bergamotte, das alles lastet mit enormem Gewicht auf der alten Formel und scheint sie vollends zu erdrücken.
Das täuscht aber.
Vergisst man nämlich mal für einen Augenblick das Original, und das geschieht automatisch im Verlauf eines Tages an dem man ‚Eau Sauvage Parfum’ trägt, so kommt der Moment da man feststellen wird: oh, da riecht ja doch etwas nach ‚Eau Sauvage’. Man muss also versuchen den alten Duft zu vergessen, um ihn im neuen wiederfinden zu können.
Keine leichte Aufgabe für ‚Eau Sauvage’-Enthusiasten.
Einige Tage nun habe ich ‚Eau Sauvage Parfum’ ununterbrochen getragen, habe es mit wachsendem Genuss getan und muss sagen: der Duft ist wirklich gut gelungen. Meine anfängliche Skepsis hat sich in Luft aufgelöst und ich freue mich jetzt über die Existenz dieses Duftes. Den Klassiker wird er zwar niemals ersetzen, aber das will und kann er ja auch nicht.
Interessanterweise war der einzige Kommentar den ich bisher zu diesem Duft erhalten habe eine Frage: ob es denn ein alter Duft sei den ich da trüge. Und die Person weiter: „... er erinnert mich an einen Duft von früher“. Als ich dann antwortete: „ja, wahrscheinlich ‚Eau Sauvage’“, bekam ich ein Kopfschütteln zur Antwort: „...nein, der nicht. Irgend ein andrer, ich komm jetzt nicht drauf.“
Ich glaube, mir und anderen ‚Eau Sauvage Parfum’-Nutzern wird das noch häufiger passieren, denn der Duft verbreitet die Aura eines großkalibrigen Duftes aus einer anderen Ära, scheint eher den 70er oder 80er Jahren entsprungen zu sein, als den 60er oder 90ern.
Und mit heutigen süß-gourmandig-floralen Marshwellow-Düften hat er so gar nichts gemein.
Zum Glück!
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