RobGordon
RobGordons Blog
vor 8 Jahren - 09.05.2016
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Einsame Entscheidung!

Es ist schon gute 4 Wochen her. Ich eile Richtung Diskonter, der mit einer Backbox ausgestattet ist, damit der Nachmittagskaffee besser rutscht. Richtig, es geht um süßes Beiwerk. Wer will schon an Grashalmen nagen, wenn sich der eigene Vater kurzerhand mit der eisschmelzenden Rhetorik "Hast was zum Kaffee?" spontan einlädt?

Da sind sie schnell dahin, die Vorsätze bis zum Sommer einen Zentimeter (kaufmännisch abgerundet)
auf der Gewichts-Skala der Waage dahinschmelzen zu lassen.

Bestens, gerade hat eine frische Lieferung an Butter-Nuss-Schnecken mit feinem Zimt-Aroma den Ofen verlassen, um nach kurzer Abschreckung mit Umgebungsluft in die Selbstbedienungsvitrinen entlassen zu werden.

Ich hab dann gleich 4 Einheiten begnadigt, eingetütet und hechte in Richtung Kassa, um mich dort in den Stau einzureihen. Eine Rettungsgasse für mich wäre fein.

Vor mir ein Rudel Prepper kurz vor dem Armageddon, als Großfamilie getarnt. Selbst habe ich nicht viel erbeutet, wenn ich jetzt Mitleid erweckend genug dreinschau und vielleicht ein wenig mit der übersichtlichen Papiertüte raschle, haben die Herrschaften vielleicht Mitleid und lassen mich vor.

Ich will gerade demonstrativ meine frisch gefangenen Butter-Nuss-Schnecken auf das Fließband legen, plötzlich erreicht mich eine Schwade.

Sie kommt aus 6 Uhr. Irgendwer hinter mir riecht göttlich! Die Nase hebt sich, um ein paar von diesen sagenhaften Duftmolekülen einzufangen.

Der Kopf bewegt sich vorsichtig, die Nase allein kann dieses Kunststück noch nicht, aber ich arbeite täglich daran. Hals ist im Periskop-Modus und macht eine 90° Drehung, damit auch das Auge, die Situation besser verorten kann.

Intruder:

Mann, in den frühen 60ern, weniger Bauchumfang, gekleidet, als wäre er der CEO der österr. Bundesforste beim Frühschoppen in Namlos (Anmk: Ort in Tirol mit 86 Einwohnern), hat einen Duft am Leib, der meine Nase in Wallung bringt.

Der sieht mir nicht aus, als ob er sich selbst für Düfte interessierte. Eher jemand der das trägt, was die Familie ihm schenkt und die dabei jede Menge Geschmack beweist. Meine Nase schaltet um von Orchester- auf Filet-Modus. Was ist das?

So riecht keine Kopfnote, es muss sich eher um die Basisnote eines Dufts handeln. Es ist später Nachmittag. Er sieht mir auch nicht aus, als besäße er überhaupt einen Taschenzerstäuber, um, bevor er von seiner guten Hälfte via Telefon den Auftrag bekam auf dem Heimweg noch dies und das zu besorgen, mal eben seinen Büro-Duft nachzulegen.

Was rieche ich? Edles Holz, kommt mir in den Sinn, vielleicht Kaschmirholz, aber das alleine ist es nicht, Salbei könnte mitspielen bisschen seifig, ein paar Atome Weihrauch, eventuell?

Nichts zwingend modernes aber auch jenseits von altmodisch, sehr elegant, ein Anzugduft mit einer Präsenz ohne aufdringlich zu wirken. Würde keinen Nischenduft dahinter vermuten, weil der Gesamteindruck des Trägers vermittelt, nicht zu wissen, was das überhaupt ist. Am liebsten hätte ich die Prepper vor mir, die immer noch fleißig ihren Einkauf des kommenden halben Jahres auf das Fließband legten, via Ellbogencheck auf mich und meine hoffnungslose Situation aufmerksam gemacht.

"Freunde, ist das wonach ihr nicht selbst riecht und dennoch wahrnehmt, eher holzig, oder seifig? Subito, Arbeitskreis!"

Die sehen aber nicht aus, als wären sie von irgendeiner Hilfe, deswegen mache ich mir gar nicht die Mühe. Irgendwie bereue ich, dass ich selbst nur so wenig Produkte zum Auflegen habe, um den Moment noch hinauszuzögern und gleichzeitig die Witterung noch länger aufrecht zu halten.

Ich überlege, soll ich den CEO-Förster nicht doch ansprechen? Was sind meine Optionen?

Meine Intuition, sofern ich so eine solche besitze, hindert mich. Es könnte sich wirklich um den Typ Mensch handeln, der gar nicht weiß was er trägt, sag ich mir. Und dann steh' ich da, an der Kassa sämtliche skeptischen Blicke, inklusive Prepper und die des Kassa-Personals treffen mich. Gegen diese Schmach hilft dann auch kein Parfumo-Ausweis:

"'Tschuldigung, ich frage im Dienste des Parfumo-Zirkels, rein platonisch, wissenschaftsgleich, was zum Henker tragen Sie für einen Duft?"

Immer noch in Gedanken, bin ich mittlerweile selbst am Bezahlen, meine Butter-Nuss-Schnecken sind fast komplett ausgekühlt und ich muss langsam eine Entscheidung treffen.

Irgendwie meine ich mit diesem Duft doch entfernt vertraut zu sein. Aber weniger mit dem was seine mächtige "projection" ausmacht und mich olfaktorisch umgarnt sondern das was ich womöglich vom mutmaßlichen Test auf der eigenen Haut noch in der Nase haben könnte.

Ich beschließe ihn dennoch zu fragen, falls er auch mit dem Aufzug in die Tiefgarage muss. Die Kabine des Aufzugs plagt sich mit mir Richtung Garage, er geht zu Fuß zum Ausgang in Richtung Straße.

Das Schicksal sagt mir sehr deutlich, es hat nicht sein sollen. Auf jedem Fall hab ich meinem Vater signalisiert, er möge sich doch bald mal wieder auf einen Kaffee einladen.

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