Vom Maßhalten und Beenden
Liebe Community,
kennt ihr das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun (Psychologe, geb. 1944)?
Dies besagt, dass jede "gesendete" Nachricht vier Seiten beinhalten kann.
Die Emotionale/Beziehungsebene.
Die Inhalts/Sachebene.
Die Appellebene.
Die Selbstoffenbarungsebene.
Damit Kommunikation gelingen kann, müssen Sender und Empfänger die gleiche Ebene wahrnehmen. Dies hängt nicht nur von der Beziehung beider Parteien ab, sondern auch von verbalen, nonverbalen und paraverbalen Faktoren. Jeder der sich schon ein mal mit seinem Partner über Whatsapp/SMS gestritten hat, weiß wovon ich rede.
Beispiel: Person A: "boar ist der Müll voll (Inhaltsebene)" => Person B nimmt wahr: "bring den Müll doch mal raus! (Appellebene)". Ich glaub ihr wisst was ich meine?
Warum nun dieser Einstieg?
Weil ich klar machen will, aus welcher Ebene ich diesen Blog schreibe. Der Selbstoffenbarungsebene, bitte sieht dies also nicht als Belehrung oder Appell an.
So.
Goethe zufolge liegt die Hauptaufgabe eines jeden Menschen darin Maß zuhalten. Spannend in der heutigen Zeit oder? Selbst die konsumkritischen Frugalisten sind Maßlos. Maßlos im Maßhalten. Ich finde diese Betrachtung, gerade auf mich bezogen sehr erhellend.
Wer meine früheren Blogs gelesen hat und mich kennt weiß, ich habe Schwierigkeiten große Sammlungen zu "besitzen". Schnell habe ich das Gefühl des "Zuviel", des "eigentlich redundant und unnötig"?
Um das Leben besser zu Ordnen, bin ich ein sehr rigoroser Mensch. Alles ist Schwarz oder Weiß. Umso übersichtlicher und klarer, umso besser.
Am besten nur eine Duftnote in der Sammlung. Ach nein, am besten nur von einer Marke. Stopp, am besten nur von einem Parfümeur!
Und zack erklärt sich, warum ich nie mehr als 8 Flakons besessen habe und in drei Jahren bereits über 100 Düfte bei mir wieder ausgezogen sind. Hatte ich mich irgendwo eingefahren, wurde ich schon unzufrieden.
Dabei geht es doch bei dieser Leidenschaft nicht um "Klarheit" oder "Einfachheit" sondern um besonnenes Lieben?
Der Parfumo mit 400 Flakons kann genauso Maßhalten, wie der Parfumo, welcher nur von "Proben" lebt? Oder?
Ein Thema welches in Wechselwirkung mit dem Maßhalten steht ist das "Beenden".
Heute zahlen wir 10 Euro und haben Zugriff auf einfach...ALLE Songs. Die Youtube und Netflix Vorschläge können NIEMALS abgearbeitet werden.
Facebookpinnwände, Instagram-Feeds, Twitter Nachrichten, ein endloses Scrollen, als würde man eine fast verheilte Wunde ständig wieder "aufknibbeln".
Vielleicht liegt das an meinem Alter, aber wann habe ich das letzte mal ein Buch zu Ende gelesen? Einen Film ganz und umfänglich im Kino genossen? Dieses Jahr definitiv nicht.
Düfte können dabei helfen, da sie genügsamer sind. Doch ratet mal wie viel richtige Flakons ich in den letzten Jahren geleert habe? EINEN! 1!
Dabei möchte ich hinzufügen, dass das Gefühl welches wir verspüren, wenn wir einen Flakon beendet haben, die wahre "Bewertung" für diesen Duft ist...
...was haben wir mit dem Duft erlebt? Möchten wir, dass diese Beziehung weiter geht? Wie bleibt er uns in Erinnerung? Sind wir vielleicht sogar erleichtert?
Um nun den Bogen auf das Maßhalten zu spannen, fehlt mir leider die schriftliche Eloquenz, dass überlasse ich den Besseren.
In diesem Sinne.
Bleibt gesund! (gehört auch 2020 irgendwie dazu)
Euer Weihrauch
Und ja, guter Duft ist der, der am schnellsten aufgebraucht ist - dem stimme ich zu..
Ich habe übrigens gemerkt, dass der letzte Sprüher eines Parfum alles entscheidet: Entweder, ich kaufe es _sofort_ nach (also mindestens binnen einer Woche), oder wir sehen uns nie wieder. Ist erst mal zu viel Zeit verstrichen, interessiert es mich nicht mehr. Aus der Nase, aus dem Sinn.
Wie du angesprochen hast, beenden viele heutzutage ihr Beziehung mit ihrem Parfum sehr schnell, genauso wie die Partnerschaften heutzutage, die schneller in die Brüche gehen.
Ich verstehe deinen Blog allerdings eher als Appell, nämlich als normative Aussage: Dem Duft eine Chance auf eine längere "Beziehung" geben :)
Ich mag den Satz, weil riechen ein intuitiver Prozess ist. Demnach ist die Konfrontation mit dem Ergebnis der Nutzung vielsagender, als eine himmelhochjauchzende intellektuelle Einschätzung mit Höchstnoten und der Saft wird dennoch nicht weniger.
Die tats. Nutzung gibt Aufschluss zwischen dem was wir mögen und dem was wir mögen sollen.
Nachdenkenswerter Blog :-)
Bei Büchern lese ich übrigens nur die nicht zu Ende, die mir nicht gefallen.
Aber darum geht es in Deinem Blog nicht. Treffend beobachtet. Da die Umstände es nicht für uns tun, ist nun eigene Anstrengung gefordert für die Konzentration auf das Wesentliche.
Sehr interessante Gedanken hab ich gerne gelesen!
Aber ich habe mir auch schon länger Gedanken gemacht über das sich verändernde Konsumverhalten (Stichwort Spotify/Carsharing vs eigene CD-Sammlung/Auto) und auch die unterschiedlichen Wahrnehmung von Besitz die ja eine sehr persönliche und oft auch altersabhängig ist.
Mit meiner geringfügig größeren Sammlung kann ich gut leben und erfreue mich jeden Tag daran.
Ach so: Pokälsche!
Genießen kann ich nur in Maßen, denn nur dann kann ich meine Sachen wirklich wertschätzen.
Ich suche auch nicht mehr nach dem "perfekten" Duft, denn auch darauf beziehe ich das Maßhalten und Beenden. Ein Duft gefällt? Super. Dann interessiert es mich auch nicht mehr ob ich ihn mit einer 8 oder 10 bewerte. Die 8 reicht mir. Ich möchte nicht nach einer möglichen 10 suchen. Die Zeit nutze ich lieber, um meine 8 besser kennenzulernen.
Sorry, maßvoll: TOLL! :)