Christine Nagel
Christine Nagel gehört zu den einflussreichsten Parfümeurinnen der heutigen Zeit. Seit 2016 prägt sie als Hausparfümeurin von Hermès die Duftwelt des Luxuslabels und überrascht immer wieder mit einzigartigen und raffinierten Kreationen.
Geboren 1959 in Genf, wuchs Christine als Tochter einer Italienerin und eines Schweizers in einem multikulturellen Umfeld auf. Ihre ersten olfaktorischen Erinnerungen führen zurück zu dem italienischen Talkumpuder, das ihre Mutter für ihren jüngeren Bruder kaufte und dem Duft frisch gebügelter Herrenhosen, die ihre Großmutter als Schneiderin anfertigte. Ursprünglich wollte sie Hebamme werden, doch ihre Leidenschaft für Chemie führte sie schließlich an die Universität Genf.
Ihre berufliche Laufbahn begann Nagel in der Forschungsabteilung des weltweit führenden Duftstoffherstellers Firmenich. Dort wurde sie schnell von der emotionalen Kraft der Düfte fasziniert, besonders von den Kreationen des legendären Parfümeurs Alberto Morillas, deren Wirkung auf die Menschen sie tief beeindruckte. Nach und nach wuchs in Christine der Wunsch, selbst solche Düfte zu kreieren. Doch der Zugang zur Parfümerie war Frauen, die nicht aus dem traditionellen Milieu stammten – vor allem jenen, die nicht aus Grasse kamen – weitgehend verschlossen. Als Nagel um eine Versetzung in die Parfümerieabteilung bat, wurde ihr Antrag abgelehnt. Stattdessen wandte sie sich der Chromatographie zu, einer Methode zur molekularen Analyse von Duftstoffen. Trotz der zunehmenden Mechanisierung dieser Technik gehörte sie zu den wenigen, die Inhaltsstoffe noch allein mit der Nase erkennen konnten.
Da sich ihre Aufstiegschancen bei Firmenich als begrenzt herausstellten, beschloss Nagel, nach Italien zu gehen und sich selbstständig zu machen – mit großem Erfolg. Innerhalb eines Jahres sicherte sie sich 60 Prozent der Parfumaufträge des Landes und arbeitete mit namhaften Marken wie Fendi und Versace zusammen. 1997 zog sie nach Paris, wo sie ein neues Kapitel in ihrer Karriere aufschlug. In der französischen Hauptstadt setzte sie ihren Erfolg fort und kreierte Düfte für international bekannte Marken wie Armani, Guerlain, Etat Libre d’Orange und Jo Malone London.
Ein wichtiger Wendepunkt in Nagels Karriere war ihr Eintritt bei Hermès im Jahr 2014. Zuerst arbeitete sie mit Jean-Claude Ellena zusammen, der seit 2004 als erster Hausparfümeur für das Unternehmen tätig war. Als Ellena 2016 in den Ruhestand ging, wurde Christine Nagel zur alleinigen Parfümeurin und Direktorin der Duftkreationen für Hermès Parfums ernannt. Damit trat sie in die Fußstapfen eines großen Erbes und wurde eine der ersten Frauen, die eine solche Position bei einer renommierten Luxusmarke übernahm. Mit Düften wie „Galop d’Hermès“ (2016), einer modernen Mischung aus Leder und Rose, und „Twilly d’Hermès“ (2017), einem frischen Tuberosenduft mit Ingwer, setzte sie neue Akzente und prägte die Duftwelt von Hermès.
Für ihre Arbeit wurde Christine mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2005 erhielt sie gemeinsam mit Francis Kurkdjian den Preis für den besten Damenduft für „Narciso Rodriguez for Her“ und 2015 wurde ihre Kreation „Wood Sage & Sea Salt“ für Jo Malone als mutigster Damenduft des Jahres geehrt. Als Inspirationsquellen nennt sie unter anderem Alberto Morillas und Dominique Ropion, hebt aber insbesondere Germaine Cellier hervor – eine der ersten Frauen in der Parfümerie, die mit Düften wie „Fracas“ und „Bandit“ Grenzen durchbrach.
Heute lebt Christine Nagel mit ihrem Mann, dem Parfümeur Benoît Lapouza, in Paris und verbringt ihre Wochenenden in der Normandie. Ihr Lieblingsduft, wie sie selbst sagt, wird immer „der nächste“ sein, an dem sie gerade arbeitet.
