19.04.2018 - 17:01 Uhr
Anarlan
27 Rezensionen
Anarlan
Top Rezension
40
Kalifornischer Longdrink, zum Trinken zu schade
Das Thermometer zeigt in diesem Jahr erstmalig 28 Grad an, und das mitten im April. Um mich herum flippen erwartungsgemäß alle aus und das Hochsommerprogramm läuft, kaum sind sie vom Skiurlaub zurück, auf voller Umdrehung. LSF50 und Spaghettieis allenthalben. Endlich werden Träger von Shorts über milchreisfarbenen Herrenbeinen nicht mehr verhaftet und Groß und Klein darf ungestraft und des eigenen Pedikürestatus ungeachtet Zehentrenner-Birkis anziehen.
Sogar meine Kinder haben irgendwo im Keller das aufblasbare XXL-Planschbecken vom letzten Jahr aufgetrieben und in leicht vorwurfsvoller Beiläufigkeit am Rande der Terasse platziert. Ist ja gut, herrgottnochmal. Ich spiele ja bereits mit. Yeah! Sommer! Gin & Tonic! Grillorgien! Ja doch.
Nach diesem gefühlt jahrelang dauernden und wie stets schlimmsten aller trüben Winter bin ich allerdings auch wieder so windelweich geklopft und sommerbedürftig, dass ich, bevor diese Woche zum dritten Mal gegrillt wird, heute quasi ferngesteuert beim Parfümhändler meines Vertrauens vorbeischaue. Schliesslich fehlt mir noch dieser eine, der irgendwie doch anders ist als die anderen. Zitrisch soll er sein (totale Überraschung), bitte dieses Mal keine Limette, aber auch gerne holzig (wie immer), was grünes-kräuteriges soll er haben (auch nicht neu), etwas fruchtig darf er sein (verrückt), aber nicht zu süß, gern leicht herb im Verlauf, und keinesfalls darf er auch nur im Entferntesten an Eichenmoos erinnern, nicht vorne, nicht in der Mitte, nicht hinten raus. Wenigstens das ist mal eine kleine Herausforderung.
Blabla.
Wie überaus originell. Ich komplett hoffnungsloses Opfer meiner ewig gleichen Duftvorlieben. Sei´s drum, also auf in´s Reich der Hesperidien.
Kaum dass ich den Laden betrete, sprühe ich mir als erstes zum gefühlt 200sten Mal im Sommerduftselbstversuch Allure Homme Édition Blanche auf dem Unterarm, irgendwann muss das doch mal klappen mit uns beiden, heute wäre ein guter Tag. Ein Mainstreamer, was für jeden Tag, ganz unaufgeregt, tut keinem weh, schöner Duft, solide und zuverlässig hitzetauglich und augenblicklich höre ich mich selber „WC-Erfrischer-Zitrone“ murmeln. Kopfnoten können einem guten Duft den Garaus machen, und die weisse Ausgabe der männlichen Verlockung schafft es auch dieses Mal nicht über´s Ziel. Ich beginne also in meiner Verzweiflung zur Tom Ford-Ecke zu schielen, die kleinen grellblauen Dinger da unten, das sieht schon so mediterran sommerlich aus, Amalfiküste, Caprifischer, hach, Zitronensorbet mit Grappa, yippieh, da muss doch diesmal endlich irgendwas Brauchbares dabei sein?
Fehlanzeige. Zu fruchtsaftig, zu eindimensional, zu synthetisch, zu eckig, zu blau, zu extravagant, zu prätentiös, zu teuer, zu Tom Ford. So wird das heute nichts, der Sommer wird an mir vorbeiziehen ohne dass mich die Pampelmuse küsst. Und da steht auch schon meine Rettung vor mir, eine reizende junge Dame vom hiesigen Fachpersonal, und ich höre mich benommen etwas von „Sommerduft“ und „dreissig Grad“ und „zitrisch“ faseln, fest entschlossen, mich diese eine Mal nicht Richtung Nische verleiten zu lassen.
„Ohhhh, da hätte ich einige tolle Sachen für sie, ich sehe sie aber eher hier drüben bei diiiiiesen Düften!“, und ehe ich auch nur der Form halber protestieren kann, stehe ich schon wieder vor der gut sortierten Nischenecke. Na prima. Mich fragend, was genau an meiner Erscheinung sie zu dieser steilen These verleitet oder ob es ihr nur darum geht, die hochpreisigen Register an den Mann zu bringen, das durchtriebene Biest, spiele ich das Spielchen mit. Dann mal los, Frollein, wir haben hier nichts zu verlieren, die Sonne brennt, mein Hirn verdampft, die Bratwurst verkohlt, zeigense mal vor.
Sommerdüfte kommen und gehen. Nichts haut mich vom Hocker. Ein Trauerspiel. Ich möchte zurück zu 7 Grad Celsius und Sprühregen.
Und zack, auf einmal habe ich eine fruchtsaftspritzende Mandarine samt Blattwerk und Stängeln auf dem Arm, vollreif und halbgrün zugleich, direkt in vollem Sonnenschein vom Ast gepflückt. Keine deutsche Adventsmandarine aus dem roten Netzbeutel, sondern eine kalifornische Zitrusfrucht, die viel voller gewachsen ist und eher orangenartig an ihrem Baum hängt und aaaah, wie herrlich, diese komplett unweihnachtliche Pazifikküstenfrische verströmt. Jetzt bitte im Duftverlauf kein Blödsinn, denke ich, nach so einem umwerfenden Start. Und enttäuscht werde ich weissgott nicht, und als hätte ich´s geahnt, kommt eine wunderschöne, Gin-spritzige unalkoholische Wacholdernote hinzu, krautig untermalt von Basilikum, man sieht die Blätter in diesem fantastisch kühl-fruchtigen Erfrischungsgetränk quasi vor sich, wie sie an den Eiswürfeln vorbei gleiten, wenn man nachschenkt. Alles sehr naturnah, feinherb, fliessend. Und dann, als hätte ich´s bestellt, kommt eine trockene Holzigkeit dazu, schwer zu beschreiben in ihrer ungesüßt herben Süße. Laut Duftpyramide sind es Sandelholz (rieche ich), Sternanis (nope), Pfeffer (ich meine Pfeffer zu erkennen) und Vetiver (danke, dass in diesem Duft Vetiver seinen Platz findet, allein ich nehme nichts davon wahr), die dem Duft eine feste und solide Mitte verpassen, die aus dem fruchtig-spritzigen Überschwang der jugendlichen Zitrusfrucht eine erwachsene Angelegenheit macht. Keine Sensation, nichts, wovon die Welt noch nichts gehört hätte, aber eine fruchtig feine, edle, unaufgeregte, wohltemperierte Erfrischung genau nach meinem Geschmack und Beuteschema.
Ich brauche da eigentlich nicht mehr lange so zu tun, als würde der Duft nicht wie die Faust auf´s innere Parfumoauge passen, und natürlich wandert ein Flakon der Köstlichkeit unter den glänzenden Augen der erfolgreichen Nachwuchsverkäuferin in meine Tasche.
Im Praxistest am Folgetag hält der Duft volle 12 Stunden trotz seiner vordergründigen Leichtigkeit, und selbst abends erschnüffele ich noch eine kalifornische Zitrusbrise unter der warm-trockenen Holzigkeit. So darf der Sommer gerne weitergehen.
Dass der Duft hier nicht mehr Fans findet, ist schade, schmälert aber seine Qualität in meinen Augen nicht.
Ach ja. Bevor ich´s vergesse: Weit und breit kein Eichenmoos....
Sogar meine Kinder haben irgendwo im Keller das aufblasbare XXL-Planschbecken vom letzten Jahr aufgetrieben und in leicht vorwurfsvoller Beiläufigkeit am Rande der Terasse platziert. Ist ja gut, herrgottnochmal. Ich spiele ja bereits mit. Yeah! Sommer! Gin & Tonic! Grillorgien! Ja doch.
Nach diesem gefühlt jahrelang dauernden und wie stets schlimmsten aller trüben Winter bin ich allerdings auch wieder so windelweich geklopft und sommerbedürftig, dass ich, bevor diese Woche zum dritten Mal gegrillt wird, heute quasi ferngesteuert beim Parfümhändler meines Vertrauens vorbeischaue. Schliesslich fehlt mir noch dieser eine, der irgendwie doch anders ist als die anderen. Zitrisch soll er sein (totale Überraschung), bitte dieses Mal keine Limette, aber auch gerne holzig (wie immer), was grünes-kräuteriges soll er haben (auch nicht neu), etwas fruchtig darf er sein (verrückt), aber nicht zu süß, gern leicht herb im Verlauf, und keinesfalls darf er auch nur im Entferntesten an Eichenmoos erinnern, nicht vorne, nicht in der Mitte, nicht hinten raus. Wenigstens das ist mal eine kleine Herausforderung.
Blabla.
Wie überaus originell. Ich komplett hoffnungsloses Opfer meiner ewig gleichen Duftvorlieben. Sei´s drum, also auf in´s Reich der Hesperidien.
Kaum dass ich den Laden betrete, sprühe ich mir als erstes zum gefühlt 200sten Mal im Sommerduftselbstversuch Allure Homme Édition Blanche auf dem Unterarm, irgendwann muss das doch mal klappen mit uns beiden, heute wäre ein guter Tag. Ein Mainstreamer, was für jeden Tag, ganz unaufgeregt, tut keinem weh, schöner Duft, solide und zuverlässig hitzetauglich und augenblicklich höre ich mich selber „WC-Erfrischer-Zitrone“ murmeln. Kopfnoten können einem guten Duft den Garaus machen, und die weisse Ausgabe der männlichen Verlockung schafft es auch dieses Mal nicht über´s Ziel. Ich beginne also in meiner Verzweiflung zur Tom Ford-Ecke zu schielen, die kleinen grellblauen Dinger da unten, das sieht schon so mediterran sommerlich aus, Amalfiküste, Caprifischer, hach, Zitronensorbet mit Grappa, yippieh, da muss doch diesmal endlich irgendwas Brauchbares dabei sein?
Fehlanzeige. Zu fruchtsaftig, zu eindimensional, zu synthetisch, zu eckig, zu blau, zu extravagant, zu prätentiös, zu teuer, zu Tom Ford. So wird das heute nichts, der Sommer wird an mir vorbeiziehen ohne dass mich die Pampelmuse küsst. Und da steht auch schon meine Rettung vor mir, eine reizende junge Dame vom hiesigen Fachpersonal, und ich höre mich benommen etwas von „Sommerduft“ und „dreissig Grad“ und „zitrisch“ faseln, fest entschlossen, mich diese eine Mal nicht Richtung Nische verleiten zu lassen.
„Ohhhh, da hätte ich einige tolle Sachen für sie, ich sehe sie aber eher hier drüben bei diiiiiesen Düften!“, und ehe ich auch nur der Form halber protestieren kann, stehe ich schon wieder vor der gut sortierten Nischenecke. Na prima. Mich fragend, was genau an meiner Erscheinung sie zu dieser steilen These verleitet oder ob es ihr nur darum geht, die hochpreisigen Register an den Mann zu bringen, das durchtriebene Biest, spiele ich das Spielchen mit. Dann mal los, Frollein, wir haben hier nichts zu verlieren, die Sonne brennt, mein Hirn verdampft, die Bratwurst verkohlt, zeigense mal vor.
Sommerdüfte kommen und gehen. Nichts haut mich vom Hocker. Ein Trauerspiel. Ich möchte zurück zu 7 Grad Celsius und Sprühregen.
Und zack, auf einmal habe ich eine fruchtsaftspritzende Mandarine samt Blattwerk und Stängeln auf dem Arm, vollreif und halbgrün zugleich, direkt in vollem Sonnenschein vom Ast gepflückt. Keine deutsche Adventsmandarine aus dem roten Netzbeutel, sondern eine kalifornische Zitrusfrucht, die viel voller gewachsen ist und eher orangenartig an ihrem Baum hängt und aaaah, wie herrlich, diese komplett unweihnachtliche Pazifikküstenfrische verströmt. Jetzt bitte im Duftverlauf kein Blödsinn, denke ich, nach so einem umwerfenden Start. Und enttäuscht werde ich weissgott nicht, und als hätte ich´s geahnt, kommt eine wunderschöne, Gin-spritzige unalkoholische Wacholdernote hinzu, krautig untermalt von Basilikum, man sieht die Blätter in diesem fantastisch kühl-fruchtigen Erfrischungsgetränk quasi vor sich, wie sie an den Eiswürfeln vorbei gleiten, wenn man nachschenkt. Alles sehr naturnah, feinherb, fliessend. Und dann, als hätte ich´s bestellt, kommt eine trockene Holzigkeit dazu, schwer zu beschreiben in ihrer ungesüßt herben Süße. Laut Duftpyramide sind es Sandelholz (rieche ich), Sternanis (nope), Pfeffer (ich meine Pfeffer zu erkennen) und Vetiver (danke, dass in diesem Duft Vetiver seinen Platz findet, allein ich nehme nichts davon wahr), die dem Duft eine feste und solide Mitte verpassen, die aus dem fruchtig-spritzigen Überschwang der jugendlichen Zitrusfrucht eine erwachsene Angelegenheit macht. Keine Sensation, nichts, wovon die Welt noch nichts gehört hätte, aber eine fruchtig feine, edle, unaufgeregte, wohltemperierte Erfrischung genau nach meinem Geschmack und Beuteschema.
Ich brauche da eigentlich nicht mehr lange so zu tun, als würde der Duft nicht wie die Faust auf´s innere Parfumoauge passen, und natürlich wandert ein Flakon der Köstlichkeit unter den glänzenden Augen der erfolgreichen Nachwuchsverkäuferin in meine Tasche.
Im Praxistest am Folgetag hält der Duft volle 12 Stunden trotz seiner vordergründigen Leichtigkeit, und selbst abends erschnüffele ich noch eine kalifornische Zitrusbrise unter der warm-trockenen Holzigkeit. So darf der Sommer gerne weitergehen.
Dass der Duft hier nicht mehr Fans findet, ist schade, schmälert aber seine Qualität in meinen Augen nicht.
Ach ja. Bevor ich´s vergesse: Weit und breit kein Eichenmoos....
13 Antworten