Floyd
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Zabriskie Point
Ich sehe eine Villa in der Wüste Arizonas explodieren. Aus etlichen Blickwinkeln wird das Gebäude aus dem Fels gesprengt, immer und immer wieder, zu einer ekstatischen Welle der frühen Pink Floyd fliegen Feuer, Fels, Fenster und Steine in Zeitlupe in alle Himmelsrichtungen. Dann detoniert auch ein Kühlschrank, schweben Symbole der Konsumgesellschaft mit den Trümmern, Truthahn, Kellogg's Cornflakes und Wonderbread. Warum nur halluziniere ich die Schlusssequenz aus Michelangelo Antonionis "Zabriskie Point" aus dem Jahr 1970 während der Eröffnung von "Bois Sikar"? Da sind Goldpartikel im Parfüm, da ist Marie Salamagnes Idee, einen Duft zu kreieren, der kubanische Zigarren in Zedernholzschachteln mit dem Aroma von torfgeschwängertem Single Malt Whisky verbindet, woher auch der Name rührt, der das Holz von Whiskyfässern mit dem Begriff der Maya für "Rauchen" verbindet, nämlich Sikar, dem Ursprung der Cigar.
Da explodieren erstmal Hölzer und Kräuter, mischen Muskat und Koriander sich mit Guajak im Dunst der Detonation, wirbeln die geräucherten Gewürze mit der sengenden Süße des Holzes wie Paprikachips durch den dichten Qualm, minutenlang, wieder und wieder.
Als die Kamera vom Kern der Explosion weiter nach außen schwenkt, fliegen Fragmente der dunklen Zigarren dort, kollidierend mit süßlichen Styraxtropfen, die sich wie herber Honig über den Tabak legen, ihn in der Hitze zu Teer zersetzen, schwarz in den Sand der Wüste spritzen, wo harzige Hölzer zischend zerbersten, erst in weiterer Ferne Zedernnadeln mit rauchigem Vetiver sich verbinden und ätherisch grün vor dem Firmament flimmern. Dann zieht es mich zurück ins Zentrum, ereignen erneut sich die Eruptionen. Etliche Stunden schwingt die Wahrnehmung wie ein Pendel entlang des Spektrums, schluckt dabei zunehmend die Extreme an den Rändern, verschwinden der Eindruck von Paprika und das ätherisch grüne Flirren, wird alles wärmer, bleiben Tabak und Torf, Zigarre und Rauch.
"Bois Sikar" ist ein Duft in der Tradition von Kreationen wie "Vi Et Armis", ist dabei jedoch dem Whiskey, dem Teer und dem Tabak näher als der bekanntere BeauFort, auch ist er nicht ganz so fordernd. Dennoch ist er kein Alltagsduft, auch wenn er auf Grund der geringeren Projektion tragbarer erscheint. Entgegen der eingangs erwähnten Schlusssequenz, die nur etwa sieben Minuten dauert, explodiert "Bois Sikar" etwa sieben bis acht Stunden lang, erst armlang, bald hautnah.
(Mit Dank an Kylesa)